Print Friendly, PDF & Email

Die Welt-Schiffbaukonjunktur hat sich 2015 weiter abgekühlt. Die deutschen Schiffbauer haben dank der Fokussierung auf Kreuzfahrt- und Spezialschiffe ein relativ großes Stück vom Auftragskuchen abbekommen. Doch Gelegenheit zum Aufatmen gibt es nicht


Nach den Zahlen des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) erreichte die Anzahl der Neubestellungen im vergangenen Jahr weltweit nur[ds_preview] noch knapp die Hälfte der Bestellungen von 2013. Das laufende Jahr entwickelt sich bisher noch einmal deutlich schwächer.

In der gegenwärtigen globalen Krise sieht der VSM aber auch Lichtblicke für den heimischen Markt. Wie der Branchendienst Clarksons Research errechnete, gingen mit über 7Mrd. $ rund 63% des globalen Neubaubestellwerts 2015 nach Europa. Das weltweite Auftragsvolumen im Schiffbau lag bei 11,3Mrd.€. Die Zahl der Aufträge für deutsche Werften war zwar leicht rückläufig, dafür entwickelte sich der Gesamtwert der Aufträge deutlich positiv. Bei den verbleibenden Bestellungen seien deutsche Anbieter wegen der Qualitätsansprüche der Kunden noch überdurchschnittlich erfolgreich meint VSM-Präsident Harald Fassmer, Geschäftsführer der Fassmer Werft, und sagt: »Man könnte es auch so formulieren: ›Deutschland hui, Weltmarkt pfui‹.« Der Auftragseingang der deutschen Werften hat sich in den zurückliegenden zwei Jahren auf knapp 5Mrd. € nahezu verdoppelt. Aufträge in etwa der gleichen Größenordnung konnten auch 2016 bereits verbucht werden.

Nach Auftragswerten und Produktsegmenten liegt wie zu erwarten der Bau von Passagierschiffen in Deutschland mit 61,4% weit vorn. Es folgen Yachten mit 31,4%, weit abgeschlagen kommen Offshore-Plattformen (2,8%) und -Fahrzeuge (2,5%), RoRo-Frachter (0,6%), Gastanker (0,5%) Stückgutfrachter (0,4%), Fähren (0,2%) und Sonstige (0,2%). Die derzeitige Auftragslage schlägt bis auf die Anlangen- und Maschinenbauer durch Auch hier sind deutsche Unternehmen stark vertreten. Trotz der Dominanz von China, Korea und Japan im globalen Schiffbau wickelt die deutsche Zulieferindustrie laut den Zahlen des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) seit Jahren über die Hälfte ihres Umsatzes in Europa ab. Viele exportorientierte maritime Maschinen- und Anlagenbauer seien allerdings auf die hohen Stückzahlen des Serienschiffbaus angewiesen, sodass der Binnenmarkt den globalen Nachfragekollaps nicht vollständig ausgleichen könne, sagt Fassmer. »In manchen Bereichen ist Stückzahl alles, ein Schiff hat eben nur eine begrenzte Anzahl von Propellern oder Rudern«, erklärt er. Ein Teil der Zulieferer leide, während ein anderer profitiere, wie beispielsweise Unternehmen, die im Ausbau von Kreuzfahrtschiffen aktiv seien. »Die gesamte Wertschöpfungskette ist wichtig und darf an keiner Stelle unterbrochen oder geschwächt werden«, sagt der VSM-Präsident.

Vorsprung durch Erfahrung

Die Stärke der deutschen Schiffbauer sieht der VSM in der gewachsenen Struktur der Werften und Zulieferer. »Die hohe Komplexität der hier gefertigten Produkte erfordert eine große Anzahl hochspezialisierter Experten. Hunderte von Unternehmen mit durchgängig hoher Zuverlässigkeit müssen perfekt koordiniert an einem Strang ziehen, um das Projekt gemeinsam zu einem Erfolg zu führen«, erklärt Fassmer. Diese Strukturen seien in Deutschland über Jahrzehnte nach und nach entstanden und ließen sich nur sehr schwer an anderer Stelle reproduzieren. Letzteres meint der VSM-Präsident mit Blick auf die Schiffbau- und High-Tech-Nation Japan. Dort hat Mitsubishi mit dem problembelasteten Bau zweier Kreuzfahrtschiffe für AIDA einen gigantischen Schuldenberg angehäuft und will sich vorerst wieder auf sein angestammtes Terrain zurückziehen.

Mit Sorge blickt die Branche in Deutschland auf den Schiffbauriesen Korea. Dort werde Geld gedruckt, um die Schulden der Werften zu übernehmen, sagt VSM- Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken, er begrüße aber, dass in dieser Gemengelage nicht dem Druck der Spekulanten auf Preissenkungen nachgegeben worden sei. Das hätte sonst die Situation weltweit noch verschärft. Internationalen Handelsregeln im Schiffbau wären das, was der Branche nun helfen könnte, ist der VSM überzeugt. Die Entwicklungen in Asien und die Konsequenzen seien Ende Mai auch beherrschendes Thema beim Treffen der Schiffbauarbeitsgruppe der OECD in Paris gewesen, berichtet Lüken, der aber keine Erfolgsmeldung von dem Gipfel mitbringen kann. Zur Arbeit der vor 50 Jahren im Mai 1966 gegründeten OECD Council Working Party on Shipbuilding meint er: »Man könnte auch sagen ›50 Jahre OECD-Arbeit, 50 Jahre Scheitern‹.«

Mit den Koreanischen Werften stehen die deutschen Schiffbauer aber nach ihrem Ausscheiden aus dem Containerschiffbau gar nicht mehr in unmittelbarer Konkurrenz. Viel mehr Kopfzerbrechen bereitet hierzulande der Fünfjahresplan der chinesischen Regierung zur Entwicklung des Kreuzfahrtschiffbaus im Reich der Mitte.

Angesichts der derzeitigen Marktlage und der künftig drohenden Konkurrenz wolle man jedoch keineswegs die deutsche Politik zu einem »Subventionswettlauf überreden«, sondern die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts verbessern. »Wir scheuen den Wettbewerb mit ausländischen Werften überhaupt nicht, aber es muss fair zugehen«, sagt VSM-Vorstandsmitglied Karsten Fach von Abeking & Rasmussen. Der europäische Wettbewerb sei schließlich auch gut für das eigene Geschäft. Das Problem sei jedoch, dass privatwirtschaftliche deutsche Unternehmen teilweise mit ausländischen Staatskonzernen um Aufträge konkurrieren müssten. Bei Staatsaufträgen im Bereich Marineschiffbau ist das ein besonders heikles Thema. »Es gibt kein Problem mit internationaler Konkurrenz, solange sie auf Augenhöhe stattfindet«, erklärt Fach. Kreditbürgschaften über mehrere Milliarden Euro seien für privatwirtschaftliche Werften nicht möglich. Eine frühzeitige Übereignung von Schiffen an öffentliche Auftraggeber wie früher üblich, sei heute meist nicht mehr möglich. Hier sieht er eine klare Wettbewerbsverzerrung, weißt aber auch auf ein Risiko der Spezialisierung hin: Die Fokussierung auf Spezialschiffe macht es zusätzlich schwer, Banken als Partner zu gewinnen.

Zukunftssicherung durch Innovation

Der Verband bemüht sich weiter um eine Innovationsoffensive mit der Einrichtung eines Deutschen Maritimen Zentrums (DMZ). Eine verlässliche und ambitionierte Politik sei nötig, die der Bedeutung der maritimen Wirtschaft für Deutschland gerecht werde. Eine Agenda könne dafür die nötige Rückendeckung geben. »Dazu gehört, dass alle zur Verfügung stehenden Stellschrauben genutzt werden, indem die Innovationsoffensive vorangetrieben, durch die Förderung von LNG-Investitionen Wertschöpfung in Deutschland generiert, der Überwassermarineschiffbau nicht aufs Spiel gesetzt und vom öffentlichen Auftraggeber auch ein industrie- und innovationspolitischer Auftrag erfüllt wird«, fasst Lüken die VSM-Forderungen zusammen.

Die auf Erfahrung bauende Innovationskraft der deutschen maritimen Industrie soll so auch in Zukunft einen Vorsprung vor der Konkurrenz aus dem Ausland sichern. Gerade für den deutschen Schiffbau hält VSM-Geschäftsführer Ralf Sören Marquardt, zuständig für Technologie- und Innovationspolitik, die Regularien der Weltschifffahrtsorganisation IMO für wichtig. Daher sei der VSM klar für höhere Anforderungen. »Dadurch stoßen wir an Grenzen und kommen auf ganz neue Ideen und Technologien«, ist er überzeugt. »An der neuen Leckstabilitätsrichtlinie beispielsweise, die das IMO Maritime Safety Committee jüngst verabschiedet hat, haben wir schon zu knabbern. Aber ich denke in China wird man sich daran die Zähne ausbeißen.« »Es gibt aber keinen Platz für Selbstzufriedenheit oder für ein Nachlassen in dem Bemühen, immer besser und immer effizienter zu werden«, appelliert Fassmer.

fs