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Mitte September dieses Jahres treten Änderungen der europäischen Schiffsausrüstungsrichtlinie in Kraft. Das wirkt sich auch auf Rettungsmittel und die Brandschutzausrüstung aus
Das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS) fordert für alle Ausrüstungsgegenstände, die an Bord von Schiffen[ds_preview] eingesetzt werden, den Nachweis spezieller Anforderungen. Das gilt auch für Rettungsmittel und Brandschutzausrüstungen.

So soll, zum Beispiel in einem Brandfall, für alle Personen an Bord eines Schiffes eine schnelle und sichere Fluchtmöglichkeit zu den Rettungsmitteln gewährleistet sein. Dabei ist es entscheidend, dass die verwendeten Oberflächenmaterialien, z.B. in Fluchtwegen im Brandfall, schwerentflammbar sind und eine geringe Rauchdichte aufweisen. Die nach den SOLAS-Vorschriften geforderten Widerstandsfähigkeiten gegen Feuer der einzelnen Materialien müssen durch genau definierte Brandversuche nachgewiesen werden. Die Anforderungen dazu sind in der Resolution für Brandprüfungen – FTP-Code (Fire Test Procedure Code) der International Maritime Organisation (IMO) festgelegt. Nach erfolgreicher Brandprüfung ist für den IMO-konformen Einsatz an Bord von Schiffen der Nachweis durch eine entsprechende Material-Zulassung erforderlich.

Auch für die auf Schiffen installierten Rettungsmittel werden entsprechende Zulassungen durch SOLAS gefordert. Die Prüfanforderungen an die einzelnen Rettungsmittel sind in der IMO-Resolution LSA-Code (Live Saving Appliances Code) spezifiziert und international gültig.

Zur Harmonisierung dieser internationalen Vorschriften innerhalb der Europäischen Union (EU) wurde 1996 die Schiffsausrüstungsrichtlinie (Maritime Equipment Directive – MED) Richtlinie 96/98/EG erlassen. Die Anwendung dieser Richtlinie gilt auf Schiffen unter EU-Flagge und enthält zum einen in Anhang A.1 gelistete zulassungspflichtige Schiffsausrüstungen, für die es bereits international harmonisierte Prüfnormen gibt, und zum anderen in Anhang A.2 aufgeführte Gegenstände der Schiffsausrüstung, für die noch keine internationale Prüfnorm festgelegt worden ist. Hier wird die Zulassung durch den entsprechenden EU-Flaggenstaat, unter dessen Flagge das betreffende Schiff fährt, geregelt.

In den oben genannten Anhängen A.1 und A.2 sind folgende Schiffsausrüstungen eingeteilt in:

1. Rettungsmittel

2. Verhütung der Meeresverschmutzung

3. Brandschutzausrüstung

4. Navigationsausrüstung

5. Funkausrüstung

Weiterhin gibt es im Anhang A.2 die Einteilungen:

6. Ausrüstung nach COLREG 72

7. Sicherheitsausrüstung für Massengutschiffe

8. Ausrüstung nach SOLAS-Kapitel II-1

Die in den Anhängen A.1 und A.2 genannte Schiffsausrüstung und die entsprechenden Prüfnormen unterliegen ständigen Anpassungen. Diese werden jährlich in Form einer Änderung der Schiffsausrüstungsrichtlinie umgesetzt. Seit dem 30. April 2016 ist die Richtlinie (EU) 2015/559 zur Änderung der Richtlinie 96/98/EG (Schiffsausrüstungsrichtlinie) über die anzuwendenden Prüfnormen für die Zulassung von Schiffsausrüstungen gültig.

Die Voraussetzung für die Zulassung und Verwendung von Rettungsmitteln und Brandschutzausrüstungen auf Schiffen unter der Flagge eines Mitgliedsstaates der EU ist die »Steuerrad-Zulassung« nach den Vorgaben der Schiffsausrüstungsrichtlinie: Sie setzt sich zusammen aus der EG-Baumusterprüfbescheinigung (Modul B) und einem Zertifikat zur Qualitätsüberwachung, z.B. regelmäßiges Audit der betrieblichen Produktionsprozesse (Modul D).

Schiffsausrüstungen nach dem Anhang A.1 unterliegen einem EG-Konformitätsbewertungsverfahren und müssen von einer Benannten Stelle (Notified Body) zugelassen werden. Diese können dann im gesamten EU-Raum ohne weitere nationale Zulassung an Bord von EU-Schiffen verwendet werden. Die Zulassung gilt für eine befristete Zeit, z.B. fünf Jahre, und kann ohne erneuten Test verlängert werden, solange es keine Veränderungen an dem jeweiligen Prototyp des Ausrüstungsgegenstandes gegeben hat.

Nachdem die bisherige Schiffsausrüstungsrichtlinie 96/98/EG etwa 20 Jahre lang die Zulassung von Ausrüstungsgegenständen auf Schiffen, die unter der Flagge eines Mitgliedsstaates der EU fahren, regelt, wird sie zum 18. September 2016 ohne Übergangsfrist durch die Richtlinie 2014/90/EU (neue Schiffsausrüstungsrichtlinie) ersetzt.

Die neue Schiffsausrüstungsrichtlinie enthält weitreichende Änderungen, zum Beispiel :

Notwendigkeit eines Bevollmächtigen bei nicht in der Europäischen Union ansässigen Herstellern

Neuregelung von Anforderungen an die Vergabe von Unteraufträgen durch Benannte Stellen

Meldepflicht von Zulassungseinschränkungen durch die Benannten Stellen

Festlegung von Anforderungen an notifizierende Stellen

Regelung der Stichprobennahme durch Marktüberwachungsbehörden

Vorgesehene Einrichtung eines europäischen Gremiums der Marktüberwachungsbehörden. (Quelle: www.bsh.de, Stand 20.06.2016)

Wenngleich die Richtlinie 96/98/EG aufgehoben wird, gilt ihr Anhang A weiterhin bis zu seiner Aktualisierung. Dieses ist durch den Artikel 40 der neuen Richtlinie 2014/90/EU festgeschrieben. Alle bisherigen Prüfnormen des Anhangs A behalten bis auf Weiteres ihre Gültigkeit auch über den 18. September 2016 hinaus, sofern keine Aktualisierung dieses Anhangs in Kraft tritt.

Die Zertifizierungsstelle SEECERT der TÜV Nord Systems – ein Unternehmen der TÜV Nord Group – nimmt die neue Schiffsausrüstungsrichtlinie zum Anlass, sich durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) als Konformitätsbewertungsstelle für die Zulassung von Rettungsmitteln und Brandschutzausrüstungen an Bord von Schiffen gemäß Anhang A.1 notifizieren zu lassen.

Autoren:

Stefan Witte, TÜV Nord Systems

Zertifizierungsstelle SEECERT

switte@tuev-nord.de

Tobias Nelke, TÜV Nord Systems

Leiter Zertifizierungsstelle SEECERT

Volker Thiel, TÜV Nord Systems

Leiter Gruppe Brandschutz

Stefan Witte, Tobias Nelke, Volker Thiel