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Beim Abwracken von Schiffen müssen viele Vorschriften beachtet werden – eine Herausforderung für Industrie und Behörden. Ein Praxisbeispiel über das Recht der Abfallverbringung in der Schifffahrt

Die Schifffahrt und das Umweltrecht sind sich nicht fremd. Die Einhaltung umweltrechtlicher Vorschriften macht einen nicht geringen Teil der täglichen[ds_preview] Arbeit von Schiffsmannschaft, Reedereien und Schiffsmanagern aus. Dabei geht es insbesondere um die Vermeidung von Luft- und Wasserverschmutzung als auch um die ordnungsgemäße Entsorgung von an Bord angefallenen Abfällen. In einem Fall, den die für Umweltrecht zuständige Behörde in Bremen, der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, kürzlich beschäftigte, waren das Schiff selbst wie auch zerstörte und beschädigte Ladung von den Vorschriften des Abfallrechts erfasst.

In dem Fall ging es um ein Schiff und seine Ladung, die durch ein Feuer an Bord massiven Schaden erlitten hatten. Das havarierte Schiff war nach Ausbruch des Feuers zu seinem Ausgangshafen Bremerhaven zurückgekehrt. Aufgrund des Alters entschied sich der Reeder, das Schiff nicht mehr reparieren zu lassen, sondern Außerdienst zu stellen. Der Reeder beabsichtigte, dass Schiff an eine Recyclingwerft in der Türkei zum Abwracken zu verkaufen. Die beschädigte Ladung wurde gelöscht und teilweise auf einen anderen Frachter zur Weiterbeförderung an den Bestimmungsort umgeladen.

Mit der Entscheidung, das Schiff nicht weiter zu verwenden, sondern abzuwracken, wurde es zu »Abfall« im Rechtssinne. Eine Pflicht zur Entledigung beziehungsweise ein Wille zur Entledigung besteht nach dem Gesetz, wenn die Sache nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet wird und auch kein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Das war hier der Fall, da der Frachter nicht weiter zur Schifffahrt verwendet werden sollte (Wegfall der ursprünglichen Zweckbestimmung) und auch nicht unmittelbar für einen anderen Zweck verwendet werden sollte (z.B. als Museumsschiff). Vielmehr sollte es demontiert und damit einer Entsorgungsmaßnahme zugeführt werden. Wenn ein Gegenstand vom Abfallbegriff erfasst wird, ist der Anwendungsbereich der abfallrechtlichen Vorschriften eröffnet.

Wenn Abfall in einem anderen Land als dem, wo er zum Zeitpunkt des Anfalls befindet, entsorgt werden soll, kommen die Vorschriften zur grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen zur Anwendung. Das maßgebliche Regelungsinstrument ist die Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 v. 14.6.2006 über die Verbringung von Abfällen (VVA). Je nach dem um welche Art von Abfall es sich handelt und wohin er verbracht werden soll, ist entweder ein behördliches Genehmigungsverfahren, das Notifizierungsverfahren, durchzuführen oder es sind lediglich bestimmte Informationen während des Transports mitzuführen.

Ein Schiff fällt grundsätzlich in die Abfallkategorie 16 01 04 »Altfahrzeuge«, die nach dem Europäischen Abfallverzeichnis als gefährliche Abfälle eingestuft werden. Die Demontage ist im Hauptergebnis eine Verwertungsmaßnahme, deren Zweck die Verwertung/Rückgewinnung von Metallen und Metallverbindungen ist. Bei einem Schiff, das abgewrackt werden soll, handelt es sich daher regelmäßig um gefährlichen Abfall zur Verwertung. Dieser darf grundsätzlich nicht in Staaten verbracht werden, für die der OECD-Beschluss C(2001)107 endg. nicht gilt (wobei hier Ausnahmen bestehen können, die es im Einzelfall zu prüfen gilt, also zum Beispiel bei einer beabsichtigen Ausfuhr in die klassischen Schiffsrecyclingstaaten wie Indien und Bangladesch).

In dem vorliegenden Fall sollte das Schiff in die Türkei verbracht werden. Bei der Türkei handelt es sich um einen Mitgliedstaat der OECD für den der vorgenannte OECD-Beschluss gilt. Nach diesem unterliegen Abfälle zur Verwertung, ohne Rücksicht darauf, ob sie gefährlich sind oder nicht, keinem Verbringungsverbot. Die Frage, ob ein Notifizierungsverfahren durchzuführen ist, hängt dann davon ab, ob das Schiff als »grüner Abfall« oder »gelber Abfall« einzustufen ist. »Grüne Abfälle« sind nach dem Eintrag GC 030 »Schiffe und andere schwimmende Vorrichtungen, zum Abwracken, ohne Ladung und andere aus dem Betreiben des Schiffes herrührende Stoffe, die als gefährlicher Stoff oder Abfall eingestuft sein könnten«.

Die Bremer Behörde hat hierzu die Auffassung vertreten, dass das Abpumpen von Treibstoff und Bilgenöl sowie die Entfernung von Schmierölen nicht ausreicht, um die Voraussetzung der Beseitigung aller aus dem »Betreiben des Schiffes herrührende Stoffe« zu erfüllen, sondern eine komplette Reinigung der Tanks, Rohrsysteme und des Maschinenraums erforderlich sei. Der Behörde kommt bei der Bestimmung von Art und Umfang eines »Pre-cleaning« sicherlich ein Beurteilungsspielraum zu. Es ist allerdings fraglich, ob die Auffassung dem Zweck und der Intention des Eintrags GC 030 gerecht wird. Denn eine vollständige Entfernung aller aus dem »Betreiben des Schiffes herrührenden Stoffe« wird zu verhältnismäßigen Kosten nicht möglich sein, so dass der Eintrag GC 030 in der Praxis stets leer laufen dürfte.

Die Bremer Behörde stufte das Schiff als »gelben Abfall« ein, weil in den Baumaterialen Stoffe enthalten waren, die gefährliche Eigenschaften im Sinne des Anhang III der Richtlinie des Rates 91/689/EWG über gefährliche Abfälle vom 12. Dezember 1991 aufwiesen. Es war daher ein Notifizierungsverfahren durchzuführen, in dem diverse Unterlagen und Informationen einzureichen und eine Sicherheitsleistung zu stellen waren.

Das Notifizierungsverfahren folgt einem präzise in der VVA reguliertem Schema. Danach leitet die Behörde am Versandort (Bremer Behörde) die Antragsunterlagen nach Prüfung und Genehmigung an die Behörde am Bestimmungsort weiter. Die Behörde am Bestimmungsort prüft die Antragsunterlagen erneut und kann gegebenenfalls weitere Informationen anfordern. Wenn sie mit der Notifizierung einverstanden ist, stellt sie eine Empfangsbestätigung aus und gibt diese zur Kenntnis. Ab Ausstellung der Empfangsbestätigung haben die Behörden ihre Zustimmung innerhalb einer Frist von 30 Tagen zu geben. Nach wirksamer Erteilung kann das Schiff verbracht werden, wobei die Behörden spätestens drei Tage vor der tatsächlichen Verbringung davon informiert werden müssen. Nach Ankunft bei der Recyclingwerft hat diese den Empfang des Schiffes zu bestätigen. Dieser Prozess hat bei dem hier beschriebenen Fall vom ersten Treffen zwischen Behördenvertreter bis zur Ankunft des Schiffes in der Türkei ein halbes Jahr gedauert.

Der letzte Akt ist die Bestätigung der vollständigen Demontage und Abschluss der Entsorgungsmaßnahme seitens der Recyclingwerft. Nach Bestätigung des Abschlusses wird die Sicherheitsleistung an den Reeder zurückgegeben und das Notifizierungsverfahren ist abgeschlossen.

Diese Erfahrung der Notifizierung hat gezeigt, dass auf Seiten der Behörde wie auch auf Seiten des Reeders zunächst ein Verständnis für die Situation und den Standpunkt des jeweils anderen erzeugt werden musste. Die Bremer Behörde hat sich praxisnah, effizient und stets ansprechbar bei der Vorbereitung und Abwicklung des Notifizierungsverfahrens gezeigt, allerdings auch sehr genau geprüft. Der Reeder hat das Informationsbedürfnis der Behörde mit Geduld und entsprechendem Aufwand in kürzester Zeit befriedigt, so dass das behördliche Verfahren zügig abgewickelt werden konnte.

Zum Schluss bleibt noch auf die Eingangs erwähnte, durch das Feuer in Mitleidenschaft gezogene Ladung einzugehen und zwar die Ladung, die auf Weisung der Eigentümer/Befrachter auf ein anderes Schiff umgeladen und an den Bestimmungsort weiterverschifft worden war. Die Eigentümer hatten hier ein Interesse, die Güter selbst in Augenschein zu nehmen und den Grad der Beschädigung zu prüfen, da es sich zum Großteil um Umzugsgüter handelte, die einen ideellen Wert hatten.

Hier äußerte die Bremer Behörde die Bedenken, dass die weiterbeförderten Güter möglicherweise durch Schadstoffe in einem Umfang belastet worden sein könnten, dass deren Gefährdungspotential nur durch eine Entsorgung beseitigt werden könne. Mit anderen Worten: die Bremer Behörde prüfte, ob die auf den betroffenen Decks gestaute Ladung insgesamt mit Schadstoffen bei der Rauch- und Rußentwicklung (sogenannte PAK) oberhalb der Grenzwerte belastet wurden, so dass gegebenenfalls eine Entsorgungspflicht bestanden hatte und die Ladung daher im Zeitpunkt des Weitertransports »Abfall« war. Da der Transport der Ladung dann nicht entsprechend der abfallrechtlichen Verbringungsvorschriften notifziert worden wäre, hätte möglicherweise ein Fall der illegalen Verbringung vorgelegen. Die illegale Verbringung kann eine Straftat nach § 326 Abs. 2 StGB sein oder als Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld nach sich ziehen.

Um dem geäußerten Verdacht der Bremer Behörde nachzugehen, ließ der Reeder die Güter auf eine mögliche Schadstoffbelastung testen, wobei sich herausstellte, dass eine etwaige Belastung sich im Rahmen der Grenzwerte bewegte und die Umzugsgüter nicht als Abfall einzustufen waren. Folglich fanden auch die abfallrechtlichen Vorschriften keine Anwendung. Fazit ist jedoch, dass die Vorschriften des Umweltrechts nicht nur den Betrieb des Schiffes oder das Schiff selbst erfassen, sondern auch die Vorgänge des Seetransport.

 


Dr. Simone Claußen