Milliarden für die Nachkriegsflotte

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Die deutsche Seeschifffahrt lag nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges darnieder. Am Beginn des Wiederaufbaus der Handelsflotte standen 1946 (auf dem[ds_preview] Gebiet der Bundesrepublik) 420 Schiffe mit 117.083 BRT. Sie waren nach Kriegsverlusten und Ablieferung der Reparationen übriggeblieben. Ihre Durchschnittsgröße betrug 279 BRT. Am 26. September 1946 erließen die Siegermächte zudem die sogenannte »Kontrollratsdirektive Nr. 37« über den Neu- bau von Seeschiffen auf deutschen Werften. Diese durften eine Größe von 1.500 BRT, bei Fischdampfern 400 BRT, nicht überschreiten. Am 1. Juni 1956 – also nur zehn Jahre später – wies die Abteilung Seeverkehr im Bundesverkehrsministerium 2.316 Seeschiffe von mehr als 50 bis über 5.000 Tonnen mit 3.089.733 BRT aus. Was hatte diesen phäno-menalen Aufstieg ermöglicht?

Da es keine staatlichen Ersatzleistun- gen für im Krieg verloren gegangene Tonnage gab, beschloss die Bundesrepublik am 27. September 1950 das »Wiederaufbaugesetz für die Seeschiffahrt«, wonach 40 % der Baukosten als Darlehen gewährt werden konnten, wenn ein Reeder im Kriege ein Seeschiff verloren oder danach als Reparation hatte abliefern müssen. Diese Wiederaufbaudarle- hen hatten sehr günstige Bedingungen: Die Laufzeit betrug 16 Jahre, der Zinssatz 4%; Tilgungen und Zinszahlungen mussten nur geleistet werden, wenn das Schiff Gewinne einfuhr. Für die übrige Seewirtschaft gab es steuerliche Erleichterungen und Abschreibungsmodelle, insbesondere nach dem berühmten Paragraphen 7-d, Abs. 2 EStG vom 29. April 1950: »Steuerpflichtige … können Zuschüsse oder unverzinsliche Darlehen, sonstige steuerpflichtige Zuschüsse zur Förderung des Schiffbaus im Jahr der Hingabe als Be-triebsausgaben oder Werbungskosten absetzen, wenn die Zuschüsse oder Darlehen einem Unternehmer für den Bau eines von ihm bei einer Werft im Bundesgebiet in Auftrag gegebenen, zum Erwerb durch die Schifffahrt dienenden Schiffes gegeben werden und die- ses Schiff nach Fertigstellung in sein Eigentum übergeht.« Diese Regelung war dem Paragraph 7-c EStG nachempfunden, mit dem der Wohnungsbau gefördert wurde, und galt bis zum 31. Dezember 1954. Sonderabschreibungen ermöglichten es Reedern, ihre Schiffe schnell abzuschreiben, um dadurch steuerliche Verluste zu produzieren, damit Geldgeber sich an diesen Schiffen beteiligten, um ihre eigenen Steuerzahlungen zu reduzieren..

Das Aufkommen an 7 d-Geldern betrug in der Zeit vom 29. April 1950 bis 31. Dezember 1954 an unverzinslichen Darlehen 1.459 Mrd. DM (dabei verlorene Zuschüsse 78.237 Mio. DM), zusammen 1.537 Mrd. DM. Insgesamt hatte der Bundesminister für Verkehr 587 Seeschiffe von zusam- men 1.791.153 BRT und Baukosten von 2.748 Mrd. DM für förderungswürdig erklärt. Diejenigen Gelder, die als »den fördernden Zwecken dienlich« anerkannt wurden, deckten mithin 54,4 % der Neubaukosten. Den Hauptanteil bildeten, den Bedürfnissen des seewärtigen Außen- handels entsprechend, Frachtschiffe für trockene Ladung. Aber auch Küstenmotorschiffe, Kühl- und Tankschiffe wurden im Rahmen des 7-d-Programms und aus ERP- Sondervermögen bzw. weiteren staatlichen Programmen gefördert.

Die 1929 in Rostock gegründete Reederei Richard Schröder musste nach dem 2. Welt- krieg drei ihrer Schiffe als Reparationsleis- tung an die Alliierten abliefern. Ihr gelang es nach der Flucht des Reeders nach Hamburg, Förderung aufgrund des Wiederaufbauprogramms der Bundesregierung zu erhalten. Richard Schröder bestellte zwei Dampfer vom »Potsdam«-Typ, die gemäß alliierten Kontrollratsbestimmungen gebaut wurden. Die »Harald Schröder« war eines dieser Schiffe und führte zeitweilig auch die Kon- trollratsnummer »5042« unter dem Schiffsnamen. Am 15. April 1950 bei der Lübecker Maschinenbaugesellschaft als Baunummer 440 vom Stapel gelaufen, wurde das 1.426 t große Schiff bereits am 7. Juni übergeben. Die Reederei Schroeder verkaufte ihr Schiff zehn Jahre später nach Liechtenstein; von hier aus ging es durch verschiedene Hände, bis es 1977 als »Amco«, registriert in Pana- ma, zum Abbruch verkauft und in Griechenland verschrottet wurde.

Die »Harald Schröder« wies eine Besonderheit auf: Sie führte die »Flagge Charlie« (»C«: blau-weiß-rot) des Internationalen Signalbuches. Diese Interimsflagge war gemäß Kontrollratsgesetz Nr. 39 vom 12. November 1946 für deutsche Seeschiffe vorgeschrieben. Erst das deutsche Flaggengesetz von 1951 bestimmte die Farben schwarz-rot-gold zur Nationalflagge.
Axel Griessmer