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Die Kabelspezialisten von Siem Offshore Contractors konzentrieren sich mittlerweile auf die Offshore-Windenergie. Business Development Manager Alex Gauntt und Jan Holtermann, Manager für den Bereich Inspection, Maintenance und Repair, sprachen mit der HANSA über den Markt und den Einsatz von Spezialschiffen
Welche Bedeutung hat das Offshore-Öl- und Gasgeschäft bei den Siem Offshore Contractors noch im Vergleich zum Offshore-Windgeschäft[ds_preview]?

Alex Gauntt:

Deutlich weniger als früher. Vor 2011 kamen unsere Aufträge hauptsächlich aus der Öl- und Gasbranche im Mittleren Osten, danach hat sich unser Geschäft auf die Offshore-Windenergie verlagert. Wir haben uns da schon vor dem Absturz des Ölmarktes ein neues Zuhause gebaut: Das hat mit unseren Eigentümern zu tun und mit den Langzeitplänen, die sie haben. Mit dem Kabelleger »Siem Aimery« und dem Installation Support Vessel »Siem Moxie« haben wir in den vergangenen zwei Jahren zwei Schiffe gebaut, die auf das neue Einsatzgebiet spezialisiert sind. Ursprünglich kamen bei der Kabelinstallation vorwiegend Schiffe aus dem Öl- und Gasbereich zum Einsatz, die auch in Offshore-Windparks arbeiten konnten. Wir haben das auf den Kopf gestellt und unser Duo von Anfang an speziell für die Anforderungen der Offshore-Windenergie konzipiert.

Was ist an den beiden Schiffen so speziell?

Gauntt:

Die »Siem Moxie« ist als Walk-to-Work (W2W) Schiff gebaut worden, das heißt sie hat ein seegangoptimiertes Zugangssystem – eine Gangway, die die Wellen- und Schiffsbewegungen ausgleicht. Das Schiff wurde vom ersten Tag so geplant, dass es die Windenergieanlagen schnellstmöglich anfahren, Gerät oder Material übernehmen und Techniker übersetzen kann. Dafür ist das Fahrzeug unter anderem mit einem leistungsstarken Antriebs- und DP-System ausgestattet. Im Öl- und Gasbereich hat man dagegen häufig irgendein Schiff mit einer großen Anzahl von Unterkünften, auf das man irgendeine Gangway baut – das führt dann dazu, dass man bei den Wetterbedingungen, unter denen sich arbeiten lässt, viel eingeschränkter ist. Auch die »Siem Aimery« wurde als »Schlechtwetter«-Kabelleger entwickelt und gebaut und ist ideal auf die »Siem Moxie« abgestimmt.

Worin unterscheiden sich die beiden Einsatzgebiete voneinander?

Jan Holtermann:

Im Bereich der Offshore-Öl- und Gasindustrie hat man häufig eine Bohr-, Förder- oder Produktionsplattform, die mit Strom versorgt werden muss und zu der ein langes Kabel gelegt und eingezogen wird. In einem Offshore-Windpark gibt es typischerweise 50 bis 100 Windenergieanlagen, die alle, meistens in Strängen, an die Umspannplattform angeschlossen werden müssen. Da haben wir es mit zahlreichen, aber auch deutlich kürzeren Kabeln zu tun, die typischerweise zwischen 1 und 3km lang sind und bei jedem Wetter möglichst schnell und effizient installiert werden müssen. Dahinter steht eine ganz andere Zeit- und Logistikplanung: Wenn man da die Abläufe optimiert und bei jeder Aktivität ein paar Minuten einspart, lässt sich schnell ein Tag an Schiffszeit gewinnen und damit echtes Geld sparen.

Wie beeinflusst der niedrige Ölpreis Ihre Auftragslage?

Gauntt:

Wir sehen auf jeden Fall, dass mehr Schiffe in den Windenergiemarkt drängen. Für uns hat das im Großen und Ganzen aber nicht so einen großen Einfluss, weil wir uns schon vorher auf die Offshore-Windenergie fokussiert haben und den Kunden unsere Erfahrungen und erprobten Konzepte anbieten können – und natürlich unsere Spezialschiffe.

Wenn der Ölpreis wieder steigt, ist damit zu rechnen, dass manche Schiffseigner ihre Schiffe wieder ins Öl- und Gasgeschäft zurückschicken. Kann das ein Problem für die Offshore-Windbranche werden oder würden Marktteilnehmer wie Sie dann einfach neue Schiffe bauen, um die Lücke zu schließen?

Holtermann:

Ich glaube, dass es grundsätzlich genügend Schiffe auf dem Markt gibt. Bei den Spezialschiffen könnte es allerdings tatsächlich eng werden: Da muss man jetzt sehen, wie es mit der Windbranche weitergeht und wie sich auch der Bereich Inspection, Maintenance and Repair (IMR) weiterentwickelt. Zum Kabellegen braucht man natürlich Spezialschiffe. Die Wartung und Reparatur von Kabeln auf den Anlagen und Plattformen ist noch ein neues Geschäft – da sammeln viele Offshore-Windparks gerade die ersten Erfahrungen, wie das am besten und effektivsten ablaufen kann.

Gauntt: Aber in einer Gruppe wie Siem Offshore ist natürlich damit zu rechnen, dass neue Schiffe gebaut werden, wenn eine ausreichende Nachfrage da ist.

Welche Rolle könnten dabei deutsche Werften spielen?

Gauntt:

Zur Siem Industries Gruppe gehört ja seit zwei Jahren die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG). Bei der FSG sind jüngst die beiden Well Intervention Vessels »Siem Helix 1« und die »Siem Helix 2« gebaut worden – insofern ist der deutsche Schiffbau für uns ein großes Thema. Seit Beginn des Unternehmens hat sich Siem Offshore auf den Bau und Betrieb von Offshore-Spezialschiffen konzentriert, und ich bin fest davon überzeugt, dass das auch weiterhin so sein wird. Welche Werften – außer der FSG – bei künftigen Neubauaufträgen eine Rolle spielen, kann ich allerdings nicht sagen, weil ich es nicht weiß.

Wie schätzen Sie beim Offshore-Wind die Chancen in Deutschland und in Europa insgesamt ein?

Gauntt:

Es gibt einen ständigen Bedarf an Energie, und der wird immer größer – in Europa, aber auch weltweit. Offshore-Windenergie ist inzwischen ausgereift und hat sich weit genug entwickelt, kostengünstig und grundlastfähig zu sein. Ohne diese Technologie hätte der Markt ein echtes Problem, und darum glauben wir fest daran, dass Offshore-Wind in Europa und weltweit wachsen wird. Mit dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz haben wir jetzt auch in Deutschland wieder Planungssicherheit: Das stimmt uns optimistisch.

Mehrere Offshore-Windparks haben zuletzt den Betrieb aufgenommen: Stellen Sie eine Verlagerung Ihres Geschäfts von der Kabel-Installation zur Wartung und Reparatur fest?

Holtermann:

Der Nordsee-Windpark »Bard Offshore 1« ist aktuell das erste Projekte, bei dem wir in Betrieb, Wartung und Reparatur involviert sind. Wir sind gerade dabei, dieses Geschäftsfeld auszubauen, weil das ein sehr interessanter Zukunftsmarkt ist. Das Kabellegen ist eine einmalige Aktion am Anfang, während IMR über 20 oder 25 Jahre betrieben wird, und es werden ja immer mehr Offshore-Windparks gebaut. Was es interessant macht, ist die Langfristigkeit – da hat man auch mehr Arbeit.

Vor einigen Jahren war zu hören, dass rund 80% aller Versicherungsschäden im Offshore-Windbereich durch kaputte Kabel verursacht werden. Hat sich daran inzwischen etwas verändert? Und wenn ja: Was wird jetzt anders gemacht?

Gauntt:

Das Problem ist, dass diese Aussage komplett irreführend ist. Sofern die Zahl tatsächlich jemals gestimmt haben sollte, hat sie auch Schäden durch Dritte beinhaltet: also zum Beispiel Schäden durch Anker oder durch Jack-ups, die sich auf ein Kabel gestellt haben. Mit in der Rechnung waren auch Kosten, die dadurch entstehen, dass während der Reparaturzeit kein Strom aus dem betroffenen Offshore-Windpark an Land transportiert werden kann. Mit dem Kabellegen hat das wenig zu tun, auch wenn das häufiger wie ein Warnschild bei der Installation hochgehalten wurde. Weil diese Statistik aber schon seit ein paar Jahren »herumgeistert«, hat der Markt zwei Neuerungen eingeführt: den »Code of Conduct« der Versicherer und die neue Richtlinie zur Installation von Seekabeln des Zertifizierers DNV GL. Wenn man sich daran hält, kann eigentlich nichts passieren.

Mit Blick auch auf Ihre eigene Firmengeschichte: Haben es kleinere Spezialisten schwer, sich auf dem Markt zu behaupten?

Gauntt:

Ja, deutlich. Das hat mit den finanziellen Möglichkeiten zu tun, die kleinere Unternehmen haben bzw. nicht haben: Die Banken wollen immer mehr Risiko auf die Zulieferer übertragen, und die Übernahme bestimmter Vertragsrisiken ist für die Kleinen häufig nicht möglich. Wenn zum Beispiel die Garantie einer Muttergesellschaft gefordert wird, kann ein kleines Unternehmen nicht mitspielen. Entstanden sind diese neuen Anforderungen dadurch, dass in den vergangenen fünf bis zehn Jahren ein paar kleinere Auftragnehmer es nicht bis zum Ende eines Projekts geschafft haben und dadurch die Auftraggeber in Schwierigkeiten geraten sind. Nach meiner Einschätzung ist Konsolidierung gerade in unserem Markt weiterhin ein Thema.

In die andere Richtung betrachtet: Welche Vorteile hat es, Tochter eines größeren Unternehmens zu sein, das auch eine umfangreiche eigene Flotte hat?

Holtermann:

Wir sind dadurch sehr flexibel und haben die Sicherheit, uns auf die wesentlichen Dinge konzentrieren zu können. Dabei haben wir Zugriff auf bis zu 53 Spezialschiffe, die im Durchschnitt fünf Jahre alt sind. Und wir können auf die finanzielle Unterstützung der gesamten Siem Offshore Gruppe zurückgreifen.

Welche Ziele haben die Siem Offshore Contractors für die Zukunft?

Holtermann:

Wir wollen auch weiterhin wachsen und im europäischen Markt eine führende Rolle bei der Seekabel-Installation spielen. Im Bereich Inspection, Maintenance and Repair ist es unser Ziel, das Geschäft weiterzuentwickeln und noch stärker in den Markt zu kommen.
Anne-Katrin Wehrmann