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Gesellschaften veröffentlichen Prüfungskatalog für neuen Mustervertrag.
Die Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen Versicherungsgesellschaften und den Assekuradeuren, die für sie als Zeichnungsbevollmächtigte einen großen Teil des Transportversicherungsgeschäfts einschließlich Seekasko[ds_preview] mit Endkunden abschließen, werden kommendes Jahr weiter gestrafft. Nach Vorlage eines neuen Musteragenturvertrages im Frühjahr ist kürzlich auch der dazugehörige Prüfungskatalog für Assekuradeure veröffentlicht worden. Mit der Neufassung der Anforderungen durch eine Arbeitsgruppe mit Vertretern beider Seiten beim Verein Hanseatischer Transportversicherer (VHT) reagiert die Branche auf veränderte aufsichtsrechtliche Vorschriften. So trat Anfang 2016 die Novellierung des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) in Kraft, welche die EU-Richtlinie zu Solvency II von 2009 in deutsches Recht umsetzt. Die unter dem Eindruck der globalen Finanzkrise formulierten Bestimmungen zielen vor allem auf eine Stärkung der Eigenkapitalunterlegung ab. Um höchstmögliche Transparenz über alle Prozesse und operationellen Risiken zu gewährleisten, bemühen sich Versicherungen auch um eine stärkere Kontrolle der Assekuradeure, an die sie Kernfunktionen ihrer Geschäftstätigkeit ausgliedern.

Der neue Agenturvertrag, der laut VHT-Vorstand Sven Gerhard bereits von einer Handvoll Versicherungsgesellschaften angewendet wird, regelt in 21 Paragraphen Rechte und Pflichten der Assekuradeure – von der Regressführung, über Schadensbearbeitung und -regulierung bis zur Erteilung von Untervollmachten. Erstmals wird darin auch ein standardisiertes Beschwerdemanagement festgelegt. Danach verpflichtet sich der Assekuradeur, Beschwerden seitens der Versicherungsnehmer nach bestimmten Leitlinien zu behandeln. In der Branche, vor allem bei kleineren Assekuradeuren, sorgen einige der Bestimmungen für Verunsicherung. Die Sorge ist, dass das damit verbundene Qualitäts- und Prozessmanagement kleine Firmen überfordern könnte. Es gibt nicht wenige Stimmen, die vor einer Marktbereinigung unter den Agenturen in der Transportversicherung warnen.

Auf einer VHT-Veranstaltung zum Prüfungskatalog bemühten sich Vertreter der Axa, Allianz Global Corporate & Specialty und des Assekuradeurs Atna derartige Befürchtungen zu zerstreuen. Alexander Fehn, Partner der Beratungsfirma Aurigon, die der VHT-Arbeitsgruppe bei der Ausarbeitung der Prüfungsanforderungen zur Seite stand, betonte, dass bei Anwendung und Prüfung aller Anforderungen die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten könnten auch kleine Firmen zufriedenstellende Lösungen, etwa für ein Beschwerdemanagement, hinbekommen. »Wir wollen den kooperativen Ansatz«, sagte Fehn. »Es wird nicht so sein, dass der Prüfer nach Hause geht und Sie dann auf die rote Liste setzt.« AGCS-Manager und VHT-Vorstand Gerhard bekräftigte: »Eine Prüfung endet nicht mit rot, gelb oder grün.« Falls Defizite auftauchen, sollten entsprechende Empfehlungen zur Nachbesserung in den Abschlussbericht aufgenommen werden. Ein Verzicht auf die neuen Anforderungen komme nicht in Frage, weil sonst der Gesetzgeber die Branche mit staatlichen Vorschriften überrollen könnte, die nicht so flexibel seien, gab Sven Töpffer, Abteilungsdirektor Transport der Axa, zu bedenken. Die Umsetzung hält er für »absolut erforderlich, damit am Ende nicht das Assekuradeursmodell insgesamt in Frage gestellt wird.«

Für die zweijährliche Prüfung der Assekuradeure durch einen Wirtschaftsprüfer ihrer Wahl setzt Aurigon-Berater Fehn fünf Tage an – davon zwei bis drei in den zu prüfenden Firmen. Dabei sollte das Verfahren gemeinsam mit allen vollmachtgebenden Gesellschaften so koordiniert werden, dass nur eine Prüfung vor Ort erforderlich wird.

Und was ändert sich für Kunden im Bereich Seekasko oder Warentransport? Bekommen sie von den Veränderungen etwas mit? Ganz sicher, meint Atna-Geschäftsführer Thomas Cremer, weil die Prozesse gegenüber Versicherern auch zum Kunden hin »gespiegelt« werden müssten. Bestimmte Ermessensspielräume fielen in Zukunft weg. So dürfe eine Schadenauszahlung künftig immer erst dann erfolgen, wenn die betreffenden Transport- und Handelsgeschäfte auf sämtliche Sanktionslisten hin überprüft worden sind, führte Cremer aus.


Michael Hollmann