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Der Shortsea-Verkehr gilt gerade in Europa als immens wichtig, nicht nur aus ökologischen Gründen. Doch es gibt Nachholbedarf in punkto Technik. Die Branche fordert allerdings zunächst von der Politik eine Bringschuld ein – zum Teil mit Erfolg. Von Michael Meyer

it 37% wird ein großer Anteil des innereuropäischen Handels über Shortsea-Transporte abgewickelt. Zwei Drittel davon entfallen auf trockene und[ds_preview] flüssige Massengüter, weitere 13% auf Container- und RoRo-Ladungen, letztere zu einem großen Teil im Verkehr mit Großbritannien. Angesichts des bevorstehenden »Brexit« zeigt dies die Notwendigkeit, die Rahmenbedingungen so einfach wie möglich zu gestalten, um der Branche keine Steine in den Weg zu legen.

Die maritime Industrie steht ohnehin vor einigen, vor allem umweltpolitisch bedingten Herausforderungen. Die Europäische Shortsea-Organisation ESN erwartet nach der Umsetzung der Schwefelbegrenzung im Treibstoff in Nord- und Ostsee auf 0,1% nun auch die Einführung von reduzierten NOx-Werten (Stickoxide). Entsprechend ist die Branche gefordert, in »grüne« Technologien zu investieren. Einige tun dies bereits. Um nur ein paar zu nennen: die Batterie-Hybrid-Antriebe für Scandlines-Fähren, die »gas ready«-Neubauten von Stena zur potentiellen Nutzung von Methanol oder LNG oder auch die neuen Frachter der finnischen Reederei Containerships Oy, die ebenfalls mit Flüssiggas angetrieben werden soll. Jedoch rentiert sich aufgrund des niedrigen Ölpreises die teure Umrüstung oder der Neubau mit Gas-Antrieben oftmals nicht.

Von der Politik werden Projekte wie diese befürwortet, zum Teil finanziell gefördert. Es gibt etwa umfangreiche EU-Programme wie »Motorways of the Seas« oder »Marco Polo«, die die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene und das Wasser unterstützen sollen. Mit diesen Maßnahmen sehen Brüssel und die Nationalstaaten einen wichtigen Schritt getan.

Den im Shortsea-Verkehr aktiven Unternehmen reicht das allerdings nicht. Sie fordern weitere Unterstützung ein. Beim Europäischen Branchenverband ESN ist man sich einig, das öffentliche Förderins­trumente entwickelt werden müssen. Wenn umweltpolitische Regulierung trotz der vielen Anstrengungen und Vorteile schon nicht verhindert werden könne, müsse die Schifffahrt zumindest viel frühzeitiger über künftige Anforderungen in Kenntnis gesetzt werden, hieß es auf der jüngsten Jahresversammlung in Barcelona. Das European Shortsea Network geht sogar soweit, für ihren Markt eine differenzierte Anwendung internationaler Konventionen auf IMO-Ebene anzuregen.

Im Abschlussdokument wird jedoch auch die Branche selbst in die Pflicht genommen, die flexibler werden und – seitens der Häfen – niedrigere Gebühren anbieten müsse. Im Rahmen der ESN-Konferenz wurde zudem die Beseitigung administrativer Nachteile, speziell bei der Zollabwicklung, aber auch Erleichterungen bei der Lotsenpflicht für Linienverkehre im Kurzstreckenseeverkehr angeregt. Ein Beispiel lieferte Miguel Pardo von der Reederei Transmediterránea: Seine Besatzungen sind jeweils drei Monate im Einsatz, verbringen die Hälfte davon aber im Hafen. Aus seiner Sicht spreche das für Erleichterungen bei der Lotsenpflicht.

Der europäische Reederverband ECSA müht sich mit einer Shortsea-Agenda seit längerer Zeit, bessere Rahmenbedingungen zu fordern. So solle die EU-Kommission eine eigene Task-Force gründen, um die Barrieren für den Shortsea-Verkehr abzubauen. Obwohl der Branche im Binnenmarktkonzept eine Schlüsselfunktion zugesprochen wird, sei sie im Vergleich zu anderen Transportarten strukturell benachteiligt, unter anderem, weil Güter auf See praktisch den Gemeinschaftsstatus verlieren, auch wenn sie zwischen zwei EU-Häfen transportiert werden – mit dem Ergebnis immensen Bürokratieaufwands. »Dabei wäre es dank der AIS-Daten sehr einfach nachzuverfolgen, dass ein Schiff zwischen europäischen Häfen fährt, mit der gleichen Exaktheit wie bei Straßentransporten«, heißt es seitens des ECSA.

Positives Beispiel Norwegen

Zum Teil sind die nachdrücklichen Forderungen an die Politik von Erfolg gekrönt, zumindest auf nationaler Ebene. So gibt es in einigen Küstenstaaten finanzielle Anreize für Reedereien, auf umweltfreundliche Technologien umzurüsten.

Rabatte bei Hafengebühren zählen zu den wichtigsten Maßnahmen. In Italien wird mit »Marebonus« an einem Nachfolgeprojekt für »Ecobonus« gearbeitet, dass bis 2018 mit 140Mio. € ausgestattet werden soll.

Das jüngste Beispiel für staatliche Förderungen kommt aus Norwegen. Transportminister Ketil Solvik-Olsen will eine weitere Verkehrsverlagerung, um den Kurzstreckenseeverkehr zu stärken sowie die Umwelt- und Straßenbelastung zu verringern. In einer Pilotphase werden für das erste Jahr 2017 umgerechnet 3,3 Mio. € zur Verfügung gestellt. Die Förderung ist für jene Unternehmen reserviert, die neue oder verbesserte Liniendienste aus der Taufe heben und für eine »dauerhafte Verlagerung« sorgen. Dafür sei es unabdingbar, dass Reeder und Ladungseigner kooperieren, so der Minister der Fortschrittspartei. Oslo hofft, dass die Maßnahme zu einer jährlichen Verkehrsverlagerung von 100 bis 300Mio. Tonnenkilometern führt.

Ende November gab die Europäische Union grünes Licht für die Förderung. Sven Erik Svedman, Präsident der EFTA-Überwachungsbehörde, lobte bei der Bekanntmachung der Genehmigung die Anstrengungen zur Entwicklung umweltfreundlicher Transporte. Weil der Aufbau neuer Shortsea-Verbindungen kostspielig sein könne, sei die Förderung legitim.

Neuer Shortsea-Carrier

Ob Zufall oder nicht, just zu der Zeit der norwegischen Initiative tauchte ein neuer Shortsea-Carrier im Markt auf. Viasea AS ist eine Tochter der norwegischen Speditionsgruppe ColliCare und bietet seit November einen regelmäßigen Liniendienst zwischen Oslo, Moss und Moerdijk an. Explizites Ziel ist eine Verlagerung von Transporten.

Allerdings – das ist in diesem Zusammenhang zu bedenken – dürfte das Engagement aus Oslo nicht allein umweltpolitisch motiviert sein. Nahezu die gesamte maritime Industrie Norwegens liegt derzeit am Boden. Ursache hierfür ist vor allem der eingebrochene Ölpreis, der viele Offshore-Projekte unrentabel gemacht hat und damit der Industrie – eines der Hauptstandbeine der norwegischen Wirtschaft überhaupt – den Boden unter Füßen weggezogen hat.

Stand der »Oslo Shipping Index« vor einem Jahr noch bei rund 229 Punkten, fiel er im Jahresverlauf auf unter 159 Punkte, um sich seit dem Sommer nur mäßig auf 180 Punkte zu erholen. Ob sich die Regierung in Oslo auch ohne diese Entwicklung zu einer derartigen Maßnahme genötigt gesehen hätte, ist unklar.

Das sich die EU und die Mitgliedstaaten zudem nicht immer ganz einig sind, machte schon im Spätsommer Brian Simpson, europäischer Koordinator für »Motorways of the Seas«, im Gespräch mit der HANSA klar: Kapitäne brächten etwa im grenzüberschreitenden Verkehr zu viel Zeit mit Papierarbeit zu. »Um es deutlich zu sagen: Die Mitgliedstaaten sind dabei das Problem.« (HANSA 08/2016) Beim Reederverband ECSA hat man eine etwas andere Auffassung – zumindest bezüglich möglicher Anreizprogramme. Angesichts des rückläufigen Anteils der Shortsea-Schifffahrt sollte die Europäische Kommission europaweite Maßnahmen aufzusetzen.


Michael Meyer