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Die Regulierungsbehörden sind unnachgiebig: Reedereien stehen trotz ihrer

zum Teil desolaten wirtschaftlichen Lage vor neuen Anforderungen zur Reduzierung

von Emissionen. Empfindliche Strafen sind allerdings nur zum Teil absehbar
Neben dem Dauerthema »Ballastwasser« steht für ein Berichtssystem zum CO2-Ausstoß jetzt die Umsetzung der EU-Richtlinie MRV (Monitoring, Reporting[ds_preview], Verification) ins Haus. Dabei ist ein bestimmter Fahrplan zu beachten (siehe Grafik). Die Richtlinie betrifft alle Schiffe über 5.000 GT, die EU- und EFTA-Häfen anlaufen. Angegeben werden müssen ab 2018 unter anderem die Häfen einer Reise, CO2-Emissionen, die Reisedistanz und die transportierte Ladung. »Mit den Vorbereitungen dafür sollten Reeder jetzt beginnen«, sagte Stine Mundal, Leiterin der Abteilung »Environmental Certification« beim DNV GL bei einer Informationsveranstaltung der norwegisch-deutschen Klassifikationsgesellschaft in Hamburg. Man stehe bereit, die Schiffseigner bei der Erhebung und Bearbeitung der Daten zu unterstützen und habe eine Akkreditierung beantragt, um als offizielle Stelle im Berichtssystem auftreten zu können. Im Frühjahr 2017 könnte es soweit sein.

Unklar ist derzeit noch, ob und, wenn ja, welche Sanktionen denjenigen Reedern drohen, die nicht dem Regelwerk entsprechend agieren. Laut dem DNV GL-Experten Jarle Coll Blomhoff gibt es derzeit noch keine konkreten Emissionsobergrenzen. Momentan geht es der EU vor allem um Transparenz. Schiffe mit hohen Emissionswerten könnten auf dem Charter- und Tramp-Markt schwieriger zu beschäftigen sein, weil der »Carbon Footprint« für die Kunden immer wichtiger wird, so das Kalkül der Brüsseler Behörden. »Im schlimmsten Fall droht allerdings ein Anlaufverbot für EU-Häfen, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Perioden keine Berichte übermittelt werden«, so Blomhoff weiter. Weitere Strafen für zu hohe Emissionen sind seiner Meinung nach möglich und mittelfristig wahrscheinlich, derzeit aber noch nicht absehbar.

Die EU sorgt also für Arbeit in den Reedereien. Doch damit nicht genug: Ab 2019 zieht auf der globalen Ebene auch die Internationale Schifffahrtsorganisation IMO nach, wodurch eine Parallelstruktur entsteht. Für Schiffseigner bedeutet dies weiteren Aufwand, weil die Regulierungen nicht in allen Details übereinstimmen. Zwar werden nahezu die gleichen Daten an Bord für die Berichte benötigt. »Während die EU jedoch einen Messwert auf Basis des Schiffs und der tatsächlichen Ladung einer Reise fordert. Dieser soll publiziert werden, um die Schifffahrtsbranche dazu zu bringen, verstärkt in umweltschonende Technologien zu investieren. Der IMO geht es dagegen vorrangig um das Schiff und dessen Ladefähigkeit«, sagt der Experte. Zudem sollen die Ergebnisse nicht veröffentlicht werden.

Ein weiteres, nicht minder wichtiges Thema für den Umweltschutz sind aktuelle und künftige Grenzwerte für Schwefel- und Stickoxide (SOx / NOx) in bestimmten Seegebieten (ECAs). Nach den bereits eingerichteten SECAs in Nordeuropa und Nordamerika kommen zusätzliche NECAs jetzt (in Nordamerika) und ab 2021 (in Europa) hinzu.

Zur Reduzierung des Schwefelanteils sind – neben LNG oder »low sulphur fuels« – Scrubber eine Option, bei Stickoxiden sind SCR- (Selective Catalytic Reaction) und EGR-Techniken (Exhaust Gas Recirculation) möglich. »Die Entscheidung sollte gut überlegt werden«, sagt Mundal. SCR war bislang die bevorzugte Technologie, weil sie bereits verfügbar ist und den Kraftstoffverbrauch nur geringfügig erhöht. Dafür muss jedoch im Betrieb Harnstoff (Urea) hinzugefügt werden. Darüber hinaus muss der Katalysator alle drei bis fünf Jahre ausgetauscht werden. Beides verursacht hohe Kosten. Mit der EGR-Technik steigt andererseits der Treibstoffverbrauch stärker. »Dennoch wächst das Auftragsbuch für EGR-Systeme«, berichtet Mundal. Nach Berechnungen der Klassifikationsgesellschaft ist diese Technik die kosteneffizientere.

Außerdem wird die IMO demnächst eine weltweite Obergrenze für Schwefel in Treibstoffen (»Global Sulphur Cap«) ab 2020 beschließen. Das dürfte die technische Entwicklung befeuern, aber auch die Anforderungen an Reedereien weiter erhöhen.

Für Reeder stellt sich nach Ansicht der Klassifikationsgesellschaft die Frage, wie am besten und schnellsten die Grenzwerte eingehalten werden können. Lange Zeit galt Flüssigerdgas (LNG) als Kraftstoff als eine der wahrscheinlichsten Alternativen. Doch der niedrige Ölpreis sorgte bekanntlich dafür, dass vermehrt auf Marinediesel gesetzt wird – zwar teurer als Schweröl, aber günstiger als potentiell nötige Investitionen in LNG-Technologie. Vor einigen Jahren erwartete man bei DNV GL noch rund 1.000 mit Flüssigerdgas angetriebene Schiffe bis 2020. Mittlerweile mussten die Prognosen gesenkt werden, aktuell rechnen die Experten mit 400 bis 600 Einheiten. Eine alternative Lösung waren und sind Abgaswäscher (Scrubber). Doch zunächst unausgereifte Technik, später Verbote in gewissen Regionen und der relativ günstige Marinediesel verhinderten auch hier einen »Durchbruch«.

Das könnte sich nach Ansicht von Stine Mundal bald ändern: »Mit dem jetzt festgelegten Global Sulphur Cap erwarten wir mehr Scrubber-Installationen.« Jeder Reeder müsse aber sehr genau auf die unterschiedlichen Optionen und darauf achten, welche Systeme für sein Schiff und seine Verkehre am geeignetsten sind. Wichtig sei zudem zu bedenken, dass frühzeitig gehandelt werde, weil die Systeme nicht nur installiert, sondern auch zertifiziert werden müssten, zum Teil in Kombination mit anderen Anlagen an Bord. Gleiches gilt Ihrer Meinung nach auch für SCR und EGR-Anlagen.

»Auch in der Branche der Motorenhersteller tut sich mittlerweile einiges, vor allem für Tier III-Produkte«, sagt Mundal. Bislang sei in diesem Segment weniger Aktivität zu beobachten gewesen, weil der konkrete Termin für die Global Sulphur Cap noch nicht feststand. »Das endgültige Votum der IMO ist jetzt jedoch nur noch Formsache, so dass die Hersteller reagieren«, so die Expertin weiter.

Dabei sei durchaus Eile geboten. Die Produkte würden zwar besser und die Technik ausgereifter, allerdings sei auch hier die nötige Zertifizierung an Bord zu bedenken. »Das kann einige Zeit kosten.«

Eine Dauerlösung für die maritime Industrie sind Scrubber für Mundal nicht unbedingt. LNG und andere alternative Antriebsarten würden immer wichtiger werden. »Das dürfte aber noch dauern, daher sind Abgaswäscher momentan noch eine wichtige Option. Wir erwarten einige tausend Installationen in den nächsten drei Jahren.« Und was ist mit den übrigen zigtausend Schiffen auf den Weltmeeren? »Der größte Teil dürfte bei Bedarf sicherlich auf Marinediesel oder ›low sulphur fuels‹ zurückgreifen, auch in Zukunft. Sie sind die größte ›Konkurrenz‹ für die neuen Technologien.«


Michael Meyer