Nächstes Stühlerücken

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Vor genau einem Jahr haben wir an dieser Stelle von der großen Bedeutung der Kreuzfahrt und des russischen Marktes für[ds_preview] die deutschen Werften geschrieben – und davon, dass nichts so beständig ist wie der Wandel.

Kaum lag die Ausgabe seinerzeit auf Ihrem Schreibtisch, gehörte Einiges schon wieder der Vergangenheit an. Die Rolle der Kreuzfahrt verstärkte sich zwar. Allerdings berichteten wir auch über Vitaly Yusufov und seine erst wenige Jahre zuvor gekauften Nordic Yards in Wismar, Warnemünde und Stralsund und dass er weitere Partner im Ausland suchen wollte.

Doch ein weiterer Umbruch ließ die Branche, in der jüngeren Vergangenheit ohnehin durch viele strukturelle Wechsel geprägt, aufmerken. Der russische Milliardär und seine vollmundigen Ankündigungen, durch beste Beziehungen nach Russland viele Aufträge einzuholen, erwiesen sich als Luftschloss (gleiches gilt bis heute auch für die ebenfalls in russischer Hand befindliche Pella Sietas). Dahingestellt sei, ob angesichts der Sanktionen gegen sein Heimatland durch Pech, oder weil die Pläne schlicht unrealistisch waren. Nur wenige Order für Russland wurden abgearbeitet, mit den Mehrzweck-Rettungsschiffen »Murman« und »Beringov Proliv« als Höhepunkt.

Yusufov ging und verkaufte an den Genting-Konzern, der zuvor die Lloyd Werft übernommen hatte, um dort ein ganzes Kreuzfahrt-Orderbuch abarbeiten zu lassen. Doch auch die Hoffnungen der Bremerhavenererfüllten sich nicht, die Asiaten verschoben die Aufträge nach Mecklenburg-Vorpommern und beerdigten die Neubaupläne an der Weser wieder.

So stellt sich die aktuelle Lage in Deutschland noch kreuzfahrtlastiger und noch konzentrierter dar als vor Jahresfrist, mit immer weniger, dafür größeren Playern.

Das zeigt nicht nur die Übernahme von Nordic, sondern auch die der Hamburger Traditionswerft Blohm+Voss durch die Bremer Lürssen-Gruppe. Die Elbstädter konnten keine Aufträge mehr einholen und setzen jetzt Hoffnungen in den neuen Eigner und seine Beziehungen in Marine- und Yacht-Märkte. Ein weiteres Beispiel: Die neue Allianz von German Dry Docks, Bredo und Mützelfeldwerft will sich im Dockungsmarkt künftig abstimmen.

Dass die Strukturveränderungen nicht selten personelles Stühlerücken auslösen, zeigt die Vita von Rüdiger Fuchs. Nach seiner Tätigkeit bei Sietas und einem kurzen Intermezzo bei den ehemaligen P+S-Werften führt er mittlerweile im Auftrag der norwegischen Eigner von Siem die Geschicke der Flensburger-Schiffbaugesellschaft. Der HANSA stellte er sich anlässlich der Auszeichnung der »Searoad Mersey II« als »Ship of the year 2016« für eines der zuletzt eher seltenen FSG-Interviews zur Verfügung (S. 56/57). Der RoRo-Neubau und seine innovative LNG-Trailer-Technologie gelten als einzigartig. Für uns war sie gemeinsam mit einem effizienten Design ausschlaggebend für die Verleihung unserer Auszeichnung.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die deutsche Werftbranche noch lange nicht tot ist. Sie erweist sich immer wieder als flexibel. Allerdings darf man nicht verkennen, dass diese Wandlungsfähigkeit mitunter die Ultima Ratio ist. Zumal sich die europäische Konkurrenz ebenfalls rüstet.

Hoffen wir, dass die Nischen auch in Zukunft ausreichend Platz bieten. Auch wenn die Vergangenheit gezeigt hat, dass vieles anders kommen kann, sei eine kleine Prognose gewagt: Im nächsten HANSA-Schwerpunkt »Ships made in Germany« spielen Kreuzfahrt und Marine wieder eine gewichtige Rolle. Die Frage ist, wie hoch die Konzentration darauf sein wird.

Viel Spaß beim Lesen wünscht


Michael Meyer