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HANSAInsight 04 | 2017

Erdgas, speziell in seiner verflüssigten Form als LNG, gilt seit Jahren als ein Hoffnungsträger für umweltfreundlichere Schiffsantriebe. Weltweit reichlich vorhanden und zude[ds_preview]m weitaus billiger als Erdöl. In der ersten Euphorie prophezeite die Klassifikationsgesellschaft DNV GL, dass bis 2020, also heute in drei Jahren, mindestens 1.000 Schiffe mit Gas fahren würden. Doch der Enthusiasmus ist in großen Teilen dahin.

Offenbar nicht im Berliner Hinterland… So erstaunte jüngst ein Vertreter des Bundesverkehrsministeriums seine Zuhörer, als er forsch weltweit 2.000 LNG-Schiffe bis 2020 für machbar erklärte. Obwohl nicht einmal Deutschland, sonst gern ein Vorreiter in Umweltbelangen, es schafft, klare Zeichen für eine bundeseigene LNG-Flotte zu setzen. Und obwohl es auch hierzulande Zuwendungen nur spärlich fließen.

So gibt es bislang nur eine Reihe von verheißungsvolle Initiativen und Projekten. Von der Bunkerbarge »Hummel« in Hamburg über diverse Schlepper, Fähren und RoRo-Schiffe, dies- und jenseits des Atlantiks, bis hin zu Containerfeedern, die demnächst emissionsarm über die Ostsee schippern werden.

Eines der jüngsten Beispiele ist die »Wes Amelie«, die – mit staatlicher Unterstützung – in Bremerhaven auf Gasantrieb umgerüstet wird. Es fragt sich allerdings, ob die Reederei Wessels ohne den kräftigen Millionen-Zuschuss des Bundes das Projekt allein gestemmt hätte. Denn die immensen Mehrkosten von etwa 30% sind ein weiteres Problem, das dem Durchbruch von LNG im Wege steht.

Grafik der Woche:

Unter den Auswirkungen der weltweitem Schifffahrtskrise ist die deutsche Handelsflotte mehr als jede andere betroffen – manche sprechen von einem regelrechten Ausverkauf. Unsere Grafik zeigt, dass nach einem steten Wachstum bis 2011 die Kurve deutlich absinkt. Blickt man auf die zahlreichen Transaktionen von 2016 und von Anfang 2017, wäre es kaum verwunderlich, wenn Zahl der in Deutschland betriebenen Schiffe bis Jahresende deutlich unter die Marke von 2.500 sinken würde. (Grafik: HANSA)
Unter den Auswirkungen der weltweitem Schifffahrtskrise ist die deutsche Handelsflotte mehr als jede andere betroffen – manche sprechen von einem regelrechten Ausverkauf. Unsere Grafik zeigt, dass nach einem steten Wachstum bis 2011 die Kurve deutlich absinkt. Blickt man auf die zahlreichen Transaktionen von 2016 und von Anfang 2017, wäre es kaum verwunderlich, wenn Zahl der in Deutschland betriebenen Schiffe bis Jahresende deutlich unter die Marke von 2.500 sinken würde. (Grafik: HANSA)

Ebenso fehlt eine Versorgung, die alle Fahrtgebiete und Bedürfnisse abdeckt. Man schaue sich nur das nun schon Jahre währende Bemühen in Brunsbüttel an. Wenn es nicht einmal in der prädestinierten Lage zwischen Elbe und Nord-Ostsee-Kanal gelingt, eine LNG-Station zu finanzieren und zu bauen – wo dann? Über zaghafte Versuche ist die Industrie nicht hinausgekommen und hat mittlerweile selbst ein wenig den Glauben verloren. Erinnert sei an den Ausstieg von Bomin aus dem LNG-Joint-Venture mit der Linde AG.

Und auf der Langstrecke? Ist Gas derzeit überhaupt gar kein Thema. Fast schon vergessen scheint, dass die Linienreederei UASC ihre neuen Großcontainerschiffe »LNG-ready« bauen ließ. In der Praxis fahren sie – wie alle anderen – mit konventionellen Kraftstoffen.

Der konstant niedrige Öl-Preis hat, ebenso wie fehlende oder unklare Regularien, sicher dazu beigetragen, dass einer ganzen Branche, ohnehin schwer krisengebeutelt, die Lust auf teure Experimente vergangen ist. Erst recht, wenn diese ohne entsprechende Förderprogramme zum eigenen unternehmerischen Risiko werden.

Somit ist Ernüchterung eingekehrt. Auch der DNV GL musste seine Prognose deutlich korrigieren. Seit der SMM im vergangenen Jahr ist nur noch von maximal 600 statt von 1.000 LNG-Schiffen bis 2020 die Rede. Es gibt momentan weder ausreichend Angebot noch Nachfrage, es bleibt somit zwangsläufig beim altbekannten Henne-Ei-Problem.

Einen hilfreichen Schub könnte es durch staatliche Initiativen geben, die zuletzt in Paris einvernehmlich definierten Klimaschutz-Ziele böten dafür genug Anreiz. Hierzulande könnte und muss man sogar an drei Fronten Flagge zeigen: bei der Erneuerung der bundeseigenen Flotte wie auch bei der Unterstützung von privaten Investitionen in Schiffe oder in die Bunker-Infrastruktur.

Dass Flüssigerdgas als Energieträger künftig eine wichtige Rolle spielen wird, steht außer Zweifel. Dies verdeutlichte jüngst noch einmal eine Studie von Shell. Demnach steigt bis 2030 die globale Nachfrage pro Jahr um 4 bis 5 %, die Zahl der importierenden Länder ist von zehn im Jahr 2000 auf inzwischen 35 gestiegen.

LNG ist auf dem Vormarsch, keine Frage, und steht an immer mehr Orten weltweit zur Verfügung. Ohne wirksame Hilfen und klare politische Ziele wird es in der Schifffahrt aber wohl noch einige Jahre dauern, bis wirklich von einem Durchbruch gesprochen werden darf. Das sollte auch dem Berliner Polit-Betrieb klar sein. (twg)

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