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Nach dem Order-Boom 2015 sind die Neubaubestellungen 2016 implodiert. Zeit, zu analysieren, wie sich die Containerflotte entwickelt hat und weiter entwickeln wird
Im Jahr 2015 ist die Ordertätigkeit in zweierlei Hinsicht eskaliert: Zum einen wurde mit 2,2 Mio. TEU das zweithöchste Volumen[ds_preview] in der Geschichte der Containerschifffahrt bestellt, zum anderen erreichten die neu bestellten Schiffe in diesem Jahr eine bislang ungesehene Durchschnittsgröße von 9.160 TEU.

Dieser Ansturm auf die Werften dürfte hauptsächlich auf zwei Faktoren zurückzuführen sein. Einerseits gelten für Schiffe mit Kiellegung vor 2016 weniger strenge Umweltvorschriften. Andererseits haben sich einige der großen Carrier ein regelrechtes Wettrennen um die neuen 19.000 TEU Frachter geliefert. So waren es letztlich einige wenige Großserien, die einen erheblichen Teil der Bestellungen des Jahres 2015 geprägt haben und die damit auch die zukünftige Flottenentwicklung prägen werden.

Unterstützend auf die Ordertätigkeit mögen sich Anfang 2015 noch die positiven Handelsaussichten ausgewirkt haben. Nach dem erheblichen Einbruch der Märkte ab Mitte 2015 und einem deutlichen Anstieg der inaktiven Einheiten zeigt sich 2016 bislang ausgesprochen schwach. Clarksons Research Services zufolge wurden in den ersten drei Quartalen des Jahres lediglich 63 Containerschiffe mit insgesamt 177.000TEU bestellt. Nachdem sich der Ansturm auf die Werften somit gelegt hat bietet es sich an, einen Blick darauf zu werfen, auf welchen Feldern die Investoren ihre Jetons platziert haben.

Die Darstellung der Flottenkapazität nach Größe und Baujahr veranschaulicht, dass die Industrie in den letzten Jahren fortwährend Grenzen neu verschoben hat. Allerdings regte sich dagegen von Häfen und Terminalbetreibern zunehmend Widerstand. Hier werden die Skalenvorteile lauter als bisher vor dem Hintergrund der Infrastrukturkosten in Frage gestellt. Doch welche Trends lassen sich unabhängig davon in der Flottenentwicklung erkennen?

In der neuen »Königsklasse« der Containerschifffahrt scheinen sich die Liniendienstanbieter auf das Format von rund 400m Breite und rund 60m Länge eingeschossen zu haben. Diese Schiffe haben im Regelfall einen Tiefgang von 16,0m und können je nach Design etwa 19.000TEU, im Einzelfall sogar bis zu 21.100TEU tragen. Die TEU-Angaben sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Viele der Schiffe aus diesem Segment sind in den letzten Jahren mit höheren TEU-Kapazitäten in Fahrt gegangen als ursprünglich im Orderbuch vermerkt war. Die Analysten von Alphaliner haben jüngst bemerkt, dass die zweite Serie der Triple-E-Klasse von Maersk (~400m Länge, ~60m Breite, 16,5m Tiefgang) in der Lage sein müsste, 20.000TEU aufzunehmen. Im Auftragsbestand sind sie mit 19.630TEU vermerkt. Insgesamt hat sich die Ordertätigkeit im Jahr 2015 stark auf dieses Segment fokussiert.

Im Bereich um 16.000TEU, der »ehemaligen Königsklasse« mit Längen von 400m und Breiten zwischen 53 und 56m, könnten im Jahr 2015 die letzten Einheiten in Fahrt gegangen sein. Im Auftragsbestand ist hier (16.000 bis 17.999TEU) eine Lücke erkennbar, die nächste Häufung von bestellten Schiffen findet sich erst wieder bei 14.500TEU. Diese Schiffe weisen Längen bzw. Breiten von jeweils etwa 353 und 366m bzw. 51m auf. Sie sind somit zu breit, um die neuen Schleusen des Panamakanals zu passieren, aufgrund ihrer Länge aber vermutlich flexibler in der Wahl der Einsatzgebiete als die 19.000TEU-Schiffe. Die ehemaligen Superfrachter vom Typ »Emma Maersk« oder »CMA CGM Marco Polo« mit rund 16.000TEU sind demgegenüber scheinbar aktuell als Design nicht mehr gefragt. Stattdessen scheinen sich in der Flotte der großen Containerschiffe Schwerpunkte um 14.000TEU und 19.000TEU herauszubilden.

Die größten Neo-Panamax-Schiffe tragen bis zu 13.470TEU. Hier sind jedoch – mutmaßlich in Erwartung der neuen Schleusentore – bereits in den Vorjahren so viele Einheiten am oberen Rand bestellt worden, dass der Auftragsbestand Anfang Oktober 2016 nur noch rund 50 Einheiten umfasste, die auf eine Breite von 48,2m ausgelegt zu sein scheinen. Diese wiederum schöpfen nicht die maximal mögliche TEU-Menge aus, sondern bewegen sich um einen Mittelwert von 10.600TEU.

Der Bereich von 8.000 bis 9.999TEU weist bis einschließlich des Zeitraums der letzten fünf Jahre ein hohes Ablieferungsvolumen aus. Allerdings haben sich hier die Dimensionen verändert. Um die Jahrtausendwende herum, als Schiffe dieser Größenordnung neu waren, sind vor allem Schiffe mit Breiten zwischen 43m und 46m gebaut worden. 2012 bis 2016 (Q3) sind demgegenüber 196 Einheiten in Fahrt gegangen, 122 davon auf 48m Breite ausgelegt. Im Auftragsbestand befinden sich hier weitere 15 Frachter, für die das gleiche gilt. Ansonsten gibt es in diesem Bereich und in denen darunter kaum unmittelbar anstehenden Tonnagenachschub. Stattdessen setzt der Zulauf erst wieder in den Bereichen unterhalb 4.000TEU ein. Hier ist die Flotte allerdings zuletzt durch den fortwährenden Abbruch älterer Einheiten stagniert.

Diesbezüglich verdeutlicht das nebenstehende Diagramm ebenso, in welchen Größenbereichen die Kapazität in den letzten fünf Jahren schwerpunktmäßig in Fahrt gegangen ist und wo aufgrund des Alters der Schiffe überhaupt realistische Abbruchpotenziale vorhanden sind. Andererseits: Unter den Flottenaustritten fanden sich zuletzt zahlreiche relativ junge Panamax-Frachter. Gleichzeitig wird deutlich, dass Schiffe mit mehr als 10.000TEU, die noch vor rund 15 Jahren geradezu utopisch schienen, den Ton in der Flottenentwicklung angeben. Sie werden nicht nur die Struktur der Containerflotte, sondern letztlich auch die durchschnittlichen Schiffsgrößen auf den verschiedenen Routen in den nächsten Jahren maßgeblich weiter verändern.

 


Michael Tasto, Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL), tasto@isl.org