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Für die Fahrrinnenanpassung stehen weitere zwei bis drei Jahre Verzögerung im Raum. Zum einen sind die planerischen Nacharbeiten nicht trivial, zum anderen werden die Kläger die gewonnene Zeit nutzen, um sich neu zu positionieren. Der Ausgang bleibt offen
Die Elbvertiefung ist bitter nötig. Nicht nur, damit Hamburg nicht von den Hauptcontainerströmen abgeschnitten wird. Andernfalls könnte die Entwicklungsperspektive verloren[ds_preview] gehen, da sich die Umschlagkapazität des Hafens mittlerweile daran bemisst, wie viele der Mega-Containerschiffe mit einer Tide ein- und auslaufen können – unabhängig davon, wie viele Kai-Meter, Containerbrücken und sonstige Infrastruktur der Hafen vorhält. Darauf wird erstaunlicherweise kaum hingewiesen. Zudem ist jeder einzelne Anlauf dieser Schiffe schon jetzt mit erheblichen nautischen und operationellen Einschränkungen verbunden, die die Attraktivität des Hamburger Hafens nicht gerade stärken. Richtig ist aber auch, dass die Containerschiffe mittlerweile eine Größe erreicht haben, die weder für deren Betreiber, noch für die Verlader und schon gar nicht für die Häfen noch irgendwelche Vorteile bringt. Das lässt sich relativ leicht und plausibel aufzeigen.

Ebenso anschaulich darstellen lässt sich, dass es der Branchenprimus in Kopenhagen war, der die gesamte globale Branche über die letzten 20 Jahre in Bezug auf das Schiffsgrößenwachstum praktisch vor sich her getrieben hat. In Kopenhagen hat man jedoch offensichtlich unterschätzt, wie schnell die gesamte Branche selbst noch den Bau von 20 Triple-E-Schiffen antizipiert hat und mit 20.000TEU sogar noch größere Einheiten bestellt hat. Im Ergebnis wurden desaströse Überkapazitäten geschaffen, die jeden »Economies-of-Scale«-Effekt ins krasse Gegenteil verkehrt haben und Ursache für die bislang längste Krise der Containerschifffahrt sind.

Auch wenn die Sinnhaftigkeit der Mega-Schiffe in Frage steht, muss jedoch (leider) konstatiert werden, dass sie binnen kürzester Zeit die Arbeitspferde in dem für Hamburg so wichtigen Fernostverkehr geworden sind. Und ihre Betreiber sind die Kunden des Hafens. Genauso wenig wie sich einzelne Airlines weigern können, übergewichtige Passagiere zu befördern oder sich gar erlauben können, diesen Kunden Ernährungsvorschriften zu machen, kann der Hamburger Hafen die unselige Fettleibigkeit bei den Containerschiffen ignorieren. Wenn die Zugänglichkeit für die Fernost-Schiffe nicht mehr gegeben ist, sind 50% des Hamburger Umschlagsvolumens akut gefährdet.

Über das Bedrohungsszenario für eine bis dato praktisch unbekannte Pflanze heißt es im Urteil dagegen nur sehr weich, dass »nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beeinträchtigungen des Schierlings-Wasserfenchels durch einen vorhabenbedingten Anstieg des Salzgehaltes unterschätzt worden sind«.

Allerdings wäre es nicht nur aus Hamburger Sicht wünschenswert, zumindest das weitere Größenwachstum mit einer gemeinsamen »Gesundheitsempfehlung« mehrerer bedeutender Häfen zu unterbinden. Die Häfen der Nordrange böten sich für die Herausgabe eines gemeinsam getragenen Limits (knapp oberhalb des jetzigen Spitzenwertes) geradezu an, da – im Gegensatz zu den asiatischen Plätzen – ihre Anzahl überschaubar ist und ihr Hinterland viel Überlappung aufweist.

Naturgemäß bräuchte man nur eine Seite eines Fahrtgebietes zu limitieren, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Rotterdam wäre sicherlich nicht mit im Boot. Schiffe, die in Nordeuropa nur noch Rotterdam anlaufen könnten, wären allerdings kaum zu finanzieren und damit auch nicht zu realisieren. Um zumindest das sinnlose Wachstum über das gegenwärtige Niveau hinaus zu verhindern, sollten die Häfen den Schulterschluss suchen, anstatt den auf den globalen Ost-West-Routen agierenden drei Reederei-Allianzen weiterhin als Einzelkämpfer gegenüber zu stehen.

Hafenkooperation kann aber nicht heißen, dass die Häfen entscheiden, welches Schiff in welchen Hafen darf. Diese naive Handlungsempfehlung käme folgender angenommener Situation gleich: Emirates-Airlines würde den Hamburger Flughafen nunmehr mit A 380-Gerät von Dubai aus anfliegen wollen. Der Flughafen dankt höflich, aber verweist im Hinblick auf die Größe des Fluggerätes lieber auf Parchim »in the middle of nowhere« in Mecklenburg-Vorpommern, weil dort die Pisten so schön lang sind und auch noch viel Kapazität vorhanden ist. Jeder erkennt sofort das Groteske eines derartigen Szenarios. In Bezug auf die norddeutschen Containerhäfen wird jedoch genau dies seitens der Umweltschützer verlangt.

So wie sich kaum Passagiere für Parchim finden ließen, genauso wenige Container gibt es, die tatsächlich nach Wilhelmshaven wollen. Und so wie es keine Anschlussflüge und Verkehrsverbindungen in Parchim gibt, so spärlich sind auch die Transhipment-Möglichkeiten an der Jade. Keine Frage: Die Kapitäne würden sicherlich lieber Wilhelmshaven ansteuern, als sich in anstrengender Revierfahrt hochkonzentriert die Elbe hochzuquälen. Aber es entscheidet nun einmal die Ware, wo sie hin will und nicht der Kapitän oder gar der Hafen.

Es ist ein Gebot der Vernunft, auch der ökologischen, die Elbe noch ein einziges Mal anzupassen, denn mehr ist es ja nicht. Dies ist zugegebenermaßen auch die Folge davon, dass die Konsequenzen der Schiffsgrößenentwicklung (weltweit) nicht rechtzeitig erkannt wurden. Zur Entschuldigung kann allenfalls angeführt werden, dass die Entwicklung eine Dynamik an den Tag gelegt hat, die kaum jemand hätte prognostizieren können. Wenn aber die Existenz dieser Mega-Schiffe zähneknirschend akzeptiert werden muss und für die Elb-Baggerung mindestens 600Mio. € in die Hand genommen werden und der Bundesverkehrsminister sofort nach dem Urteil die Übernahme weiterer Kosten für die Nachbesserung zusagt, fragt man sich, wieso für die dazugehörige Notfallvorsorge kein einziger Cent übrig ist.

Die Havarie des Mega-Schiffes »CSCL Indian Ocean« vor genau einem Jahr hat doch nicht nur gezeigt, wie allgegenwärtig die Gefahr ist, sondern auch, dass eine empfindliche Vorsorgelücke an der deutschen Küste klafft: Für die Bergung der Container von einem Mega-Schiff steht überhaupt kein geeignetes Bergungsgerät zur Verfügung. In Cuxhaven ist gerade das »Maritime Sicherheitszentrum« für 23,5Mio. € eingeweiht worden, damit 100 Sicherheitsbeamte jetzt schick unter einem Dach sitzen. Ein neues Überwachungsflugzeug wird für 18Mio. € angeschafft. Allein die jährlichen Betriebskosten für drei weitere Hubschrauber schlagen für den Bund mit 3,5Mio. € zu Buche. Aber das Angebot an den Bund, eine für den kommerziellen Einsatz im Hamburger Hafen geplante »Port Feeder Barge« für einen vergleichsweise kleinen Betrag auch für die Containerbergung an Mega-Schiffen zu ertüchtigen, wurde negativ beschieden …

Um noch einmal den Vergleich mit der Luftfahrt zu bemühen: Dort war es selbstverständlich, dass mit der Einführung des A380 die angeflogenen Flughäfen sicherheitstechnisch entsprechend aufgerüstet wurden. Nur im neuen »Maritimen Sicherheitszentrum« kann trotz all der verbauten eleganten Hochtechnologie weiterhin nur dafür gebetet werden, dass sich eine Havarie wie die der »CSCL Indian Ocean« (unter womöglich etwas weniger glücklichen Umständen) nicht noch einmal ereignet.

Es steht zu befürchten, dass die Gefahr eines Ölaustrittes aus einem nicht rechtzeitig geleichterten Großhavaristen oder einer möglicherweise wochenlangen Totalbockade der Elbe deutlich höher ist, als dass der Schierlings-Wasserfenchel durch die geplante Baggerei irgendwelchen Schaden nimmt.


Dr.-Ing. Ulrich Malchow, Port Feeder Barge, Hamburg, info@portfeederbarge.de