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HANSAInsight 06 | 2017

Es ist erst wenige Jahre her, da herrschte an den deutschen Küsten eine regelrechte Goldgräberstimmung. Die von der Bundesregierung verkündete Energiewende versprach reiche A[ds_preview]usbeute auf dem Meer. Denn das Umsteuern im Energiemix, der Umstieg auf eine umweltfreundliche Stromerzeugung, konnte ohne Offshore nicht funktionieren. Das galt als so sicher wie das Amen in der Kirche.

Einige Jahre später ist zwischen Emden und Stralsund Nüchternheit eingekehrt. Eine Branche, die sich mit viel Pioniergeist in das Abenteuer auf hoher See gestürzt hatte, musste nicht nur viel Lehrgeld bei der Errichtung der teuren Anlagen zahlen. Sie muss nun auch zur Kenntnis nehmen, dass die optimistischen Szenarien der Gründerzeit nicht mehr gelten. Von 20.000 MW oder gar 30.000 MW an installierter Leistung redet heute niemand mehr. 4.000 MW sind es bislang geworden, höchstens 11.000 MW sollen bis 2030 noch dazukommen.

Die Goldgräberstimmung hat sich in den Mühen des Alltags und den langwierigen Genehmigungsprozessen längst aufgelöst. Die Finanzkrise nach 2008 hatte zusammen mit dem stockenden Netzausbau an Land für einen ersten »Fadenriss« gesorgt, jetzt droht ein weiterer schmerzhafter Dämpfer. Wenn bei künftigen Ausschreibungen der Zuschlag an den Investor erfolgt, der sich mit der niedrigsten Einspeisevergütung zufrieden gibt, ist mit satten Renditen kaum noch zu rechnen. Mit Folgen für viele Akteure.

Video der Woche:

Mit einem Querstapellauf des 2.400-TEU-Schiffes »El Coqui« treibt die US-amerikanische Reederei Crowley ihre Pläne zur Flottenmodernisierung und LNG-Nutzung voran. Auf der Werft VT Halter Marine am Golf von Mexiko wurde der jüngste ConRo-Neubau jetzt zu Wasser gelassen. Der Auftrag für »El Coqui« und ihre Schwester »Taino« ist Teil eines 550 Mio. $ teuren Modernisierungsprogramms. Die »Jones Act«-Frachter sollen zwischen Florida und Puerto Rico verkehren. (Quelle: Crowley)

Bremerhaven war einst angetreten, als Produktionsstandort, Basishafen und Service-Standort beim Ausbau der Offshore-Energie eine maßgebliche, wenn nicht die führende Rolle zu übernehmen. Und heute? Gibt es nicht einmal einen geeigneten Umschlagplatz für die tonnenschweren Teile, denn der OTB lässt weiter auf sich warten. Werke wurden (Weserwind) und werden (Senvion) geschlossen, Service-Konzepte und Flotten-Pläne sind wieder in der Schublade verschwunden.

Von einem norddeutschen Cluster war einmal die Rede, davon, dass nur im Zusammenwirken aller Standorte die ambitionierten Ausbauziele auf See überhaupt erreicht werden könnten. Dass der Kuchen groß genug für alle sei und die Hafenaktivitäten allerorten beflügelt werden könnten. In der Realität sehen sich die Offshore-Akteure mittlerweile einem ebenso harten Wettbewerb um Investitionsentscheidungen und Kostensenkungen ausgesetzt wie jede andere Branche auch. Nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Bremerhaven konkurriert nicht mehr nur mit Cuxhaven oder Emden, sondern auch mit Standorten in Dänemark, Spanien, Frankreich oder Großbritannien.

So manche Blütenträume sind in den vergangenen Jahren bereits zerplatzt. Unter den aktuellen politischen Vorgaben und unter dem Druck, immer leistungsfähigere Anlagen bei gleichzeitig deutlicher Kostensenkung zu entwickeln, müssen die mittelständischen Pioniere von einst zunehmend finanzkräftigen Konzernen Platz machen, die sicher nicht national oder gar regional denken, sondern rein betriebswirtschaftlich. Deutschland hat sich einst weltweit als Vorreiter der Offshore-Stromerzeugung gesehen. Jetzt muss es aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren. (kf)

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