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Immer größere Containerschiffe, Elbvertiefung verschoben, Konkurrenz aus Rotterdam – um die

Hub-Position Hamburgs zu erhalten, könnte eine Kooperation mit dem JadeWeserPort helfen. Eine neues Terminalkonzept für Feeder- und Großschiffe verspricht dabei großes Sparpotenzial

Noch laufen die großen Linienreedereien den Hamburger Hafen an, zu wichtig ist seine Verteilerfunktion, zu gut die Hinterlandanbindung. Die neuerliche[ds_preview] Verschiebung der Entscheidung über eine Fahrrinnenanpassung der Elbe schürt jedoch Bedenken, denn der Konkurrenzdruck aus Rotterdam ist groß. Ein Verlust der Schiffe ab 18.000TEU an Rotterdam und Wilhelmshaven ist zu befürchten. Eine Chance für Hamburg, auch ohne Elbevertiefung keine Ladung zu verlieren, wäre die Hafenkooperation mit Wilhelmshaven. So könnten Schiffe bis 14.000TEU Hamburg weiter direkt anlaufen. Ladung von 18.000ern oder größeren Einheiten könnte über den tideunabhängigen Tiefwasserhafen Wilhelmshaven per Feeder in die Elbe kommen.

Um die Economies of Scale der übergroßen Frachter bei Optimierung der Schiffssystemkosten nutzen zu können, bietet sich die Einrichtung eines »Integrated Terminal Ship System« (ITSS) an. Mit diesem können die Terminalproduktivität gesteigert und die Transshipmentkosten gesenkt werden. Das ITSS würde den direkten, beidseitigen und gleichzeitigen Umschlag zwischen Großcontainer- und Zubringerschiffen ermöglichen.

Etwa 80Mio. € müssten für die Umsetzung eines solchen Terminals veranschlagt werden, das aus einer bis zu 400m langen und ca. 20m breiten Fingerpier besteht, die parallel im Abstand von 65m zu einem normalen Containerschiffliegeplatz verläuft (enstprechend günstiger wäre eine Lösung mit Pontons). Dazu kommen fünf ITSS-Brücken mit je zwei Kranspielen für den beidseitigen Umschlag zur Kai- und Wasserseite. Die Krane überspannen dabei den Kaibereich, das Großschiff, die Fingerpier und die Feederschiffe längsseits der Fingerpier. Sechs Lokomotiven, vergleichbar mit denen an den Schleusen des Panama-Kanals, docken das Großschiff ein. Anschließend machen die Loks auf der Außenseite der Fingerpier an den Feederschiffen fest, um diese längsseits nach vorgesehenem Stau zu verholen (statt des theoretischen, aber praktisch nicht machbaren Verfahrens der Brücken).

Die Vorteile liegen auf der Hand. Durch die Nutzung des ITSS ergibt sich rechnerisch eine Verdreifachung der Terminalproduktivität und Pierplatznutzung. Denn die Liegezeiten der Großschiffe würden verkürzt und deren Schiffssystemkosten verringert. Gleichzeitig würden Zubringerschiffe ohne zusätzliche Liegeplätze abgefertigt. Bei der möglichen Hamburger Terminalerweiterung in Steinwerder könnte mit diesem Konzept eine Flächenersparnis von 65ha (Gesamtfläche 125ha) erreicht werden, bei gleichzeitiger Kapazitätssteigerung auf 5,2Mio. TEU. Dazu gäbe es Einsparpotenzial bei Investitionen für die Infra- und Suprastruktur von ca. 550Mio. €. Weitere Vorteile wären um bis zu 80% geringere Umschlagkosten für Transitladung und um 40% reduzierte Schadstoffemissionen.

Mehr Terminalproduktivität

Bei einer buchungstechnisch steuerbaren Aufteilung von Kai- und Transshipment-Ladung je zur Hälfte ergibt sich den Berechnungen zufolge eine Verdreifachung der Terminalproduktivität oder eine entsprechende Liegeplatznutzung aus dem Vergleich der gegenwärtigen Operation zum ITSS-Verfahren.

Aus dem Vergleich der derzeitigen Liegeze mit der für die Nutzung dess ITSS angenommenen Verweildauer ist die Verdreifachung der Terminalproduktivität oder der Liegeplatznutzung ersichtlich bzw. zeigt sich eine Verringerung der Investitionen um zwei Drittel. Das ITSS führt zu einer Halbierung der Liegezeit des Großschiffes und der entsprechenden Schiffssystemkosten.

Geringere Umschlagkosten

Die gegenwärtigen Umschlagaktivitäten von Transitladung umfassen:

Löschen vom Großschiff (Brücke

Transport zum Stapelplatz/Stack) (Pier)

Absetzen und Lagerung (Stack)

Aufsetzen (Stack)

Transport zum Feederschiff (Pier)

Verladen auf das Feederschiff (Brücke)

(Ladevorgang in umgekehrter Folge)

Diese würden im direkten Umschlag durch nur eine Aktivität in der direkten Bewegung des Containers vom Großschiff auf das Feeder-Schiff (und umgekehrt) ersetzt. Entsprechend ändert sich dann die Kostenstruktur für den Umschlag von Transshipment-Ladung. Die gegenwärtige Gesamtrate von (angenommen) 180€ (100%) halbiert sich durch nur einen direkten Umschlag auf 90€ und verringert sich um 60% im Verzicht auf das nicht mehr erforderliche Shore Handling (horizontale Bewegungen mit Auf- und Absetzen auf der Landseite) auf 36€. Bei angenommenen Investitionen für das ITSS und Sicherstellung ausreichender Deckungsbeiträge bei drastisch verringerten Umschlagkosten erhöht sich die Rate wiederum auf 54€, was immer noch lediglich 30% der derzeitigen Gesamtrate entspricht.

Zeitgemäße Umschlagleistung

Bei einer mehr als zwanzigfach gesteigerten Kapazität der Containerschiffe über die letzten fünf Dekaden – von 740TEU im ersten Containerdienst im Nordatlantik auf mittlerweile über 20.000TEU – hat sich im gleichen Zeitraum die Umschlagleistung gerade einmal verdoppelt. Waren es vor 50 Jahren 60 Kranbewegungen pro Schiffsstunde (bei drei Containerbrücken à 20 Moves pro Kranstunde), sind es heute 150 Moves pro Schiffsstunde (25–30/Kranstunde x 5–6 Containerbrücken). Angesichts der heutigen Schiffsgrößen werden die Economies of Scale durch verlängerte Hafenzeiten und entsprechende Schiffssystemkosten gemindert.

Da die Umschlagleistung stark von der Anzahl gleichzeitig eingesetzter Containerbrücken abhängt, wurde für das ITSS die beidseitige und gleichzeitige Beladung mit mehreren Kranen vorgesehen (s. Vergleich in der Tabelle). Die so zu erzielende Verdoppelung der Umschlagleistung und Halbierung der Hafenliegezeiten rechtfertigen rechnerisch die erforderlichen Investitionen. Diese lägen bei verdreifachter Liegeplatznutzung weit unter denen für weitere Pierplätze mit dem zusätzlichen beträchtlichen Flächenbedarf, Ausgleichsflächen, Umweltbelastung etc.

Terminals und Linien sparen

Nach der jüngsten Konsolidierung auf dem Containerlinienmarkt gab es bereits erste Ankündigungen der neuen Allianzen, mit ihren Diensten auch den JadeWeserPort anzulaufen. In allen drei Konsortien fahren übergroße Containerschiffe von 16.000 bis 20.000TEU. Hier böte sich für weitere Dienste das Hafenkonzept mit Anläufen der Großschiffe (Bemessungsschiff 18.000TEU) in Wilhelmshaven als Hub Port für die Weiterverladung von Transshipment-Ladung nach Hamburg und in die Ostsee nach dem ITSS-Verfahren an. Das Konzept zeigt im Vergleich zu den Direktanläufen der Schiffe von Hamburg mit Transshipment-Ladung von dort in die Ostsee folgende Unterschiede und operative Kosten:

Schiffssystemkosten zwischen 18.000-TEU- und 14.000-TEU-Schiffen im Fahrtgebiete Ostasien nach den Economies of Scale

unterschiedliche Ladungsmengen nach Kapazitäten

Versegeln auf der Seedistanz in der Differenz von 2 x 115sm zwischen Wilhelmshaven und Hamburg

Warten auf Hochwasser und auf das zeitlich bestimmte Erreichen von Positionen für das Passieren von Großschiffen

Hafenliegezeiten nach Umschlagleistung

Umschlagkosten für Kailadung und Transitladung

Feeder-Kosten

Für die Containerlinien ergibt sich rechnerisch eine Kostenverringerung um 2Mio. € pro Rundreise, bei zwei wöchentlichen Abfahrten summiert sich der Betrag auf 208Mio. € p.a., die durch kürzere Liegezeiten, geringere Systemkosten und weitere Faktoren mit dem ITSS eingespart werden können.

Angesichts der Ergebnisse und der weiteren Verzögerung der Elbvertiefung um bis zu zwei Jahre erscheint eine Kooperation zwischen den Häfen und Schifffahrtslinien sinnvoll. Durch die Steigerung der Produktivität und Verringerung der Transshipment-Kosten durch das ITSS ließen sich für Wilhelmshaven und die Carrier beträchtliche Wettbewerbsvorteile erreichen.

Um das System kurzfristig umzusetzen oder zunächst zu testen, könnte anstatt einer festen Fingerpier eine Lösung aus Pontons und Kranen dienen.

Auf Seiten der Schifffahrtslinien bedürfte es Joint Feeder Arrangements zwischen den Linien einzelner Allianzen, einer vertraglichen Regelung für einen »Dedicated Feeder Service« mit Fahrplan- und Throughput-Garantien sowie einer Anpassung des Operatings.

Die Nutzung des beschriebenen ITSS würde im Bezug auf die Elbvertiefung mehr Flexibilität bieten und wäre zudem eine zwischenzeitliche Lösung für die Auslastung von Wilhelmshaven. Zudem würden nautische Risiken und wirtschaftliche Nachteile beim Anlauf der größten Einheiten in Hamburg vermieden. Das wichtigste Argument für eine deutsche Hafenkooperation und das ITSS dürfte aus Hamburger Sicht die Vermeidung von Ladungsverlusten an Rotterdam sein. Sonst könnten die Niederländer letztlich ein Monopol für die Abfertigung übergroßer Containerschiffe erhalten.

Autor: Johannes March

Kapitän – grad. Wirtschaftsingenieur für Seeverkehr

johannes-march@web.de


Johannes March