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Dank Hybridtechnologie ist die Fährverbindung zwischen Dänemark und Deutschland sauberer und effizienter geworden. Hybrid ist jedoch nur ein Schritt auf dem Weg zum Ziel der emissionsfreien Verbindung.

Ein Jahr ist die »Berlin« mit Kapazitäten für 460 Pkw oder 96 Lkw sowie 1.300 Passagiere der Reederei Scandlines nun[ds_preview] zwischen Rostock und Gedser in Betrieb. Nach einer Neukonzeptionierung des Antriebs der Fähren »Berlin« und »Copenhagen« fährt Scandlines auf der Route nun mit Hybridtechnologie – mittlerweile mit Erfolg. »Die Kinderkrankeiten sind ausgeräumt aber die Erprobung und Weiterentwicklung der Technik gehen weiter«, sagt Kapitän Jörg Ellner.

Eine Stunde und 45 Minuten dauert eine Fahrt, nach 15 Minuten im Hafen geht es wieder auf See. In Rostock muss das Schiff zudem einmal komplett gedreht werden. Volle Kraft kann für rund 50 Minuten gefahren werden. Daraus ergibt sich ein diversifiziertes Lastprofil für die Motoren. Die Dieselgeneratoren auf einer konventionellen, dieselelektrisch betriebenen Fähre liegen hier zwischen 40 und 55% auf See und 8 bis 9% im Hafen. »Ein Dieselmotor unter 70% läuft aber nicht effizient«, sagt Ellner. Auf der »Berlin« liegt die Auslastung der Dieselmotoren konstant zwischen 85 und 90%, sowohl auf dem offenen Meer als auch im Hafen. Möglich macht das das Hybridsystem. Weil dieses auf »Berlin« und »Copenhagen« nicht von Anfang an eingeplant war, ist der Aufbau etwas speziell. Einer der drei Motoren, die über das Getriebe den mittleren Hauptpropeller antreiben, kann zusätzlich zur Stromerzeugung und damit für das Laden der Batterien genutzt werden. Zusätzlich versorgt ein normaler Diesel-Generator-Satz das Bordnetz und lädt bei Bedarf die Batterien mit, kontrolliert durch die Siemens-Steuerung.

Bei niedriger Last wird die überschüssige Energie der Hauptmaschinen in den Batterien gespeichert. Bei kurzzeitigen Lastspitzen, z.B. beim Manövrieren im Hafen, wird die gespeicherte Energie für die beiden Azipull-Antriebe von Rolls-Royce, jeweils angetrieben von einem 3.500 kW-Elektromotor, am Heck und für die Bugstrahler genutzt, erreicht aber auch alle anderen elektrischen Verbraucher. Im Hafen läuft nur noch ein Diesel und das Electrical Supply System (ESS). »Was die Maschine nicht leisten kann, wird von der Batterie zugebuttert«, erklärt Ellner.

Der Verstellpropeller wird auf See zugekoppelt, wenn das Schiff die Reisegeschwindigkeit von 21 bis 23kn erreichen muss. Die Elektromotoren der Azipull-Antriebe können auch nur über das Batteriesystem mit Energie versorgt werden. Im Falle eines Maschinenausfalls könnte das Schiff so für 30 Minuten rein elektrisch betrieben werden und manövrierfähig bleiben.

Zum Einsatz kommen Caterpillar-Diesel vom Typ MaK 9M32CCR mit 4.500 kW. Zwei treiben über ein Getriebe den zentralen Verstellpropeller mit 3,5m Durchmesser an. Am Getriebe hängt auch der Dritte 4.500 kW-Diesel mit Generator und speist bei Bedarf die Batterie. An Bord sind hier zwei sogenannte Arrays. Array 1 besteht aus sechs »Packs« bestehend aus jeweils 21 Batterien, Array 2 aus fünf solcher »Packs«, 231 Batterien insgesamt also. »Jedes Pack und jedes Array hat sein eigenes Steuerungssystem«, erklärt Chief Juri Keppler und rechnet vor: »Jedes Pack liefert eine Spannung von 48 V, das macht pro Pack 1.080 V. Alles in Reihe geschaltet erhalten wir eine Batteriespannung von 6.600 V und eine Leistung von 4,5 MWh.« Die Batterien kommen vom kanadischen Hersteller Corvus Energy, die Steuerungs- und Kontrolltechnik von Siemens. Das Unternehmen zeichnet für das gesamte Po­wermanagement verantwortlich, darunter fällt auch das Energiemanagement für die Hotellasten. Siemens übernahm außerdem das Kabel-Engineering an Bord.

Für einen geringeren Verbrauch ist auch der Rumpf der Fähre optimiert worden. Weil die maximale Wassertiefe im Revier nur 24m beträgt, kommt bei einem Tiefgang von 5,30m der Schallow Water Effect besonders zum Tragen.

Vision: Null Emission

»Im Vergleich zum Vorgängerschiff sparen wir mit der ›Berlin‹ zwei Drittel an Kraftstoff ein«, sagt Ellner. Unter den Scandlines-Kapitänen sei gar ein kleiner Wettbewerb im Gange, wer sein Schiff am effizientesten fahren könne. Auch die Emissionen der »Berlin« sollen sich um 90% verringert haben. Neben der Hy­bridtechnik sind alle Motoren mit Closed-Loop-Scrubbern ausgestattet, die den Schwefel aus den Abgasen waschen. Anfang 2017 mussten die Schiffe noch einmal in die Werft. Die Common-Rail-Einspritztechnik machte Probleme, statt HFO musste Diesel gefahren werden. Wegen der Komplexität und Störungsanfälligkeit des Einspritzsystems im Schiffsbetrieb entschied man sich mit Caterpillar für den Ausbau der Technik. Nun läuft alles rund.

Noch weiter ließe sich der Kraftstoffverbrauch mit der neuesten Batterietechnologie senken, ist Ellner überzeugt. »Die Crux bei einem Batterie-Hybridsystem ist immer die Batterie, was Kosten, Energiedichte und Gewicht angeht«, sagt Ellner, der schon auf die zweite Leistungsgeneration der Batterien von Corvus schielt: »Wir wollen gern wassergekühlte Systeme mit höherer Energiedichte, um im Hafenverkehr komplett elektrisch und mit null Emissionen zu fahren.«

Die Batterie-Hybridtechnik auf den Fähren von Scandlines ist Zukunftstechnologie und doch nur eine Übergangslösung. Denn das Ziel heißt »Zero Emissions« im Fährbetrieb. Auf der Vogelfluglinie (18,5km), wo schon seit 2013 Hybridfähren fahren, hält man das bei der Reederei schon heute für möglich. Auf der längeren Route Rostock-Ged­ser (49km) sei eine Unterstützung etwa durch Wasserstoff und Brennstoffzellen denkbar, sagt eine Sprecherin. Man arbeite daran und rechne in etwa fünf Jahren mit neuen Schritten. Für eine Elektrifizierung der Strecke Puttgarden-Rødby braucht man Ladestationen an Land. Die Fährreederei verhandelt bereits mit Stromanbietern, um zu einer leichteren Umsetzung günstig überschüssigen Strom von Windkraftanlagen zu beziehen. »Wir brauchen auf jeden Fall die entsprechende Infrastruktur auf Fehmarn und Lolland, da sprechen wir von einer Investition zwischen 50 und 90Mio. €«, heißt es. Ein Faktor ist die feste Fehmarnbeltquerung, die eine Konkurrenz für Scandlines wäre. Angesichts der Verzögerungen und der Bauzeit bleibt man bei der Reederei aber gelassen. Zunächst soll das Aufladen der Batterien per Landstrom die Schiffe noch »grüner« machen.

Auch Siemens beschäftigt sich mit der Machbarkeit der vollelektrischen und emissionsfreien Fährverbindung zwischen Deutschland und Dänemark. Eine Rolle bei den Überlegungen spielt die kurze Liegezeit im Hafen. Anstatt die Batterien währenddessen aufzuladen, wäre auch ein Tausch gegen volle Batterien denkbar.

Weitere Projekte, bei denen Siemens seine Hybrid-Expertise einbringt oder einbringen will, sind verschiedene Neubauten für öffentliche Auftraggeber. Auch in einer großen Hybridfähre, die derzeit in Norwegen geplant wird, soll die Siemens-Technik zum Einsatz kommen. Dem Vernehmen nach gibt es bereits Überlegungen, das ursprünglich geplante System größer zu dimensionieren, damit das Schiff die letzten fünf bis sechs Seemeilen in die Häfen in Norwegen und Schweden vollelektrisch zurücklegen kann.

Während Siemens mit der Hybridtechnik in der Passagierschifffahrt zu den Vorreitern gehört, will man auch mit dem hauseigenen Pod-Antrieb » SISHIP eSIPOD« in dem Segment landen. Bisher beherrscht hier ABB mit seinen Pods das Geschäft. Unter anderem wird der Siemens-Antrieb auf dem Meyer-Werft-Neubau »Spirit of Discovery« für Saga Cruises (55.900BRZ) zum Einsatz kommen.


Felix Selzer