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In der Ostsee wird das erste »echte« Testfeld für autonome Schifffahrt eröffnet. Das Interesse in der maritimen Industrie ist groß – allerdings weniger von Reedereien als von Zulieferern und Projektentwicklern.

Einzelne Konzepte und Technologien für die künftig möglicherweise autonome Schifffahrt gibt es reichlich. Eindrucksvolle Animationen kursieren in der Branche. Doch[ds_preview] gemein haben diese Projekte, dass sie zum allergrößten Teil noch auf den Servern der Entwickler liegen und einer Realisierung harren.

In Finnland will man sich damit nicht zufrieden gegeben. Am Südwestzipfel des Landes sollen spätestens ab 2018 erste Testläufe mit Projekten der autonomen Schifffahrt durchgeführt werden. Bis zu sechs Wochen lang kann dann unter realen Bedingungen geprüft werden, ob und wie praxistauglich die Konzepte sind. Die Regierung in Helsinki unterstützt das Vorhaben explizit. »Die Förderung von Automation ist eine der Schlüsselstrategien der Regierung«, sagte Transport- und Kommunikationsministerin Anne Berner anlässlich der Eröffnung.

Das gesamte Areal wird mit einem Datennetz überzogen, um die Verbindung zwischen der Zentrale an Land und dem eingesetzten Schiff oder dem eingesetzten System zu ermöglichen. »Es wird verschiedene Knotenpunkte geben, wir werden modernste Satellitentechnologie einsetzen«, sagt Päivi Haikkola, einer der Verantwortlichen für das Projekt der HANSA. Betreiber des »Jaakonmeri«-Testfelds ist die finnische Organisation DIMECC, beziehungsweise die Initiative »One Sea«, ein Netzwerk aus über 2.000 Forschern und Entwicklern, mehr als 400 Organisationen, getragen von 69 Akteuren aus der Industrie. Dazu zählen unter anderem renommierte Unternehmen wie ABB, Cargotec, Rolls-Royce, Wärtsilä, die Werft Meyer Turku oder auch Ericsson und Tieto. Nach DIMECC-Angaben ist es das weltweit erste Testfeld dieser Art. Es hat an den längsten und breitesten Stellen eine Fläche von 17,85 und 7,10 km und befindet sich vor Eurajoki. Man sei bereits in Gesprächen über erste Tests, heißt es seitens des DIMECC. Sie könnten Anfang 2018 anlaufen. Bei Bedarf seien auch 2017 schon Probeläufe möglich.

Das Feedback beschreibt Haikkola als »überwältigend positiv«: »Diverse Akteure haben ihr Interesse bekundet, zu diesem Zeitpunkt sind es vor allem Zulieferer. Etwas unerwartet bekamen wir auch Anfragen aus anderen Branchen wie der Software- und der Entwicklungsindus­trie sowie von Marine-Organisationen.«

Auf eine konkrete Zahl an erwarteten Tests will sich der Finne nicht festlegen, insgesamt ist er aber sehr optimistisch. In den kommenden Jahren dürften die Slots demnach »relativ gut« ausgebucht sein.

Die geographische Lage wird von den Betreibern als großer Vorteil bewertet, es gehe schließlich um die Ostsee, in der auch Eisgang vorkomme. »Was hier funktioniert, funktioniert überall«, so Haikkola weiter.

Aber dennoch: Es ist durchaus vorstellbar, das nicht alle wichtigen Faktoren und Bedingungen getestet werden können, etwa starke Stürme, wie sie in anderen Regionen auf den Weltmeeren vorkommen. Darauf angesprochen, bleibt Haikkola jedoch gelassen: »Die Bedingungen im Testfeld sind ausreichend anspruchsvoll.« Darüber hinaus liege das Areal nahe der von der Regierung eingerichteten »intelligenten Fahrrinne« bei Rauma. Darin bekommen Schifffahrtstreibende ausgiebige Informationen als Navigationshilfe über die Beschaffenheit des Meeresbodens, den Wasserstand und den Einfluss des Wetters. Zudem ist während der Tests jeglicher regulärer Schiffsverkehr verboten, so dass ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet werden könne. Die Behörden sichern das Gebiet laut dem Manager ab. Es soll »umfangreiche« Notfallmaßnahmen für den Fall von Havarien geben.

Reeder noch nicht an Bord

Alles in allem ein nicht eben geringer Aufwand, den DIMECC und die Partner betreiben. Im Vergleich dazu wären ausgeklügelte Tests in den mittlerweile sehr gut ausgestatteten Versuchsanstalten mit ihren Tank- und Tunnelsystemen weitaus einfacher zu realisieren. Haikkola und seine Kollegen wollen den Einrichtungen ihre große Bedeutung auch gar nicht absprechen: »Sie werden auch in Zukunft für die Erprobung von autonomen Systemen benötigt werden.« Einen entscheidenden Nachteil haben sie seiner Meinung nach aber: »Sie können keine echten Schiffe testen.« Da die DIMECC-Verantwortlichen die Reißbrett-Ebene »endlich« verlassen wollen, ist dies für sie eine immense Einschränkung auf dem Weg zum autonomen Schiff ab dem Jahr 2025.

Doch trotz der sorgfältig ausgewählten Rahmenbedingungen gibt es noch immer ein paar Hürden zu nehmen. Mit einigen Akteuren der maritimen Märkte sind sicherlich noch ethisch-grundsätzliche Fragen über autonome Systeme auf den Weltmeeren zu klären. Zweitens muss Haikkola zugeben, dass das Interesse an dem »Jaakonmeri«-Feld groß, aber recht einseitig ist. Reedereien seien bislang nicht unter den Interessenten. Das mag an finanziellen Zwängen oder an grundsätzlichen Bedenken liegen, in jedem Fall fehlt damit in der Entwicklung einer der wichtigsten Pfeiler. Nicht zuletzt mangelt es noch an der politischen Regulierung für die autonome Schifffahrt. Weil sich dies erfahrungsgemäß vor allem – aber nicht nur – auf der internationalen Ebene über viele Jahre hinziehen kann (Stichwort »Ballastwasser«), ist diese Hürde relativ hoch. 2025 wollen Haikkola und Co. das autonome Zeitalter beginnen lassen. Ob die Politik damit Schritt halten kann, darf bezweifelt werden. Auch den Finnen ist dieses Problem bewusst. Als wirkliches Hindernis lassen sie es aber nicht gelten: »Wir gehen ohnehin davon aus, dass die ersten echten Projekte in lokalen Einsatzgebieten mit lokalen Regulierungen umgesetzt werden. Da sind politische Anpassungen schneller möglich«, sagt Haikkola und ergänzt, dass man zudem bereits mit globalen Regulierungsbehörden kooperiere.

Wie auch immer die Hürden genommen werden (können). Aufhalten wollen sich Haikkola und seine Mitstreiter davon jedenfalls nicht.


Michael Meyer