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Erstmals wird die Bundeswehr ein bereits übernommenes Kriegsschiff wieder an seine Bauwerft zurückgeben. Grund sind erhebliche Soft- und Hardware-Mängel an Bord der neuen Fregatte »Baden-Württemberg«.

Die Marine lehnte die Indienststellung ab, das zuständige Rüstungsamt fordert [ds_preview]die Hamburger Werft Blohm+Voss auf, die Mängel zu beseitigen. Damit gerät das Drei-Milliarden-Projekt »F125« erneut ins Stocken. Die Fregatte »Baden-Württemberg«, die sechs Jahre lang gebaut wurde, werde ab 19. Januar eine längere Liegezeit in Hamburg haben, bestätigte ein Sprecher des zuständigen Bundesamtes für Ausrüstung, Nutzung und Informationstechnik der Bundeswehr. Umfangreiche Funktionsnachweise auf See seien nicht erbracht worden.

Zurück unter »Werftflagge« – Verantwortung wechselt

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Foto: Behling

Die Probefahrten erfolgten in der Nordsee, vor Norwegen und vor Kiel. Die Arbeitsgemeinschaft (Arge) F125 habe jetzt die Möglichkeit, die Fehler zu beheben, so die Ansage von der Bundeswehr. Die Arge besteht aus Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS/Kiel), zu dem Blohm + Voss gehört, und Lürssen (Bremen). Sogar die rund 120 Soldaten starke militärische Fahrmannschaft wird von Bord gehen. Das Schiff werde »auf Werftflagge zurückgeflaggt«, so der Sprecher des Bundesamtes. Damit gehe die Verantwortung für das Schiff auf die Arge über.

Die Marine wollte die »Baden-Württemberg« ursprünglich sogar schon 2016 in Wilhelmshaven in Dienst stellen, später wurde die Abgabefrist auf Mai 2017 verschoben. »Wir benötigen die Fregatten der Klasse 125 dringend für die Erfüllung unserer Aufgaben. Dabei sollen sie die Klasse 122 ersetzen«, sagte Vizeadmiral Andreas Krause. Der Inspekteur der Marine musste bereits sechs der betagten 122er-Schiffe ausmustern und hat jetzt einen Material-Engpass.

Pannenserie – Rückkehr unklar

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Foto: Behling

Beim Bau durch die beiden Werften der Arbeitsgemeinschaft F125 Lürssen (Bremen) und ThyssenKrupp Marine Systems (Kiel/Hamburg) traten Probleme auf. Bei der Montage wurde entdeckt, dass Flammschutzfarbe in den Tanks wieder abbröckelte, dann funktionierte die Elektrik nicht mehr, bei der Software musste immer nachgebessert werden. Das Bundesamt für Ausrüstung, Information und Nachrichtentechnik der Bundeswehr übernahm dann das Schiff, die Soldaten der Stammbesetzung erprobten die Fregatte auf Nord- und Ostsee. Doch die Serie von Problemen riss nicht ab. Für 2018 nahm die Marine das Schiff aus der Flottenplanung. Eine USA-Reise und verschiedene Manöver wurden gestrichen. Alle Versuche der Werften Blohm + Voss und Lürssen, die Probleme im Herbst zu beseitigen, scheiterten. Die Bundeswehr gibt das Schiff deshalb jetzt zurück. Im Fokus stehen Probleme mit der Hard- und Software des Führungs- sowie Waffeneinsatzsystems. Hinzu kommen Schwierigkeiten mit dem neuen Radarsystem. Bei der Funktionsnachweisen soll von dem neuen Radarsystem drei der vier Anlagen an Bord ausgefallen sein. Es betrifft aber auch schiffbauliche Mängel an Schotten und dem Rumpf, die beseitigt werden müssen.

Wann die Fregatte wieder aus der Werft zurück an die Bundeswehr übergeben werden kann und die Funktionsnachweise neu beginnen kann, steht noch nicht fest. Die Marine hat aber die Hoffnung, dass die »Baden-Württemberg« im Sommer einen neuen Anlauf nehmen kann.

Größte deutsche Kampfschiffe seit Weltkrieg

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Foto: Behling

Die geplanten vier Fregatten der Klasse 125 (Stückpreis rund 700 Millionen Euro) sind mit 149 m Länge und 7.000 t Verdrängung die größten deutschen Kampfschiffe seit dem Zweiten Weltkrieg. Durch hochmoderne Technik sollten die Schiffe bis zu zwei Jahre durchgehend im Einsatz bleiben und mit nur 120 Mann betrieben werden können, so die Anforderung. Die alten Fregatten hatten 200 Besatzungsmitglieder und konnten nur sechs Monate im Einsatz bleiben. Ein Arge-Sprecher sagte auf Anfrage, es handele sich »um ein neu konzipiertes, technisch anspruchsvolles Schiff mit höchst komplexen Neuentwicklungen – inklusive neuer Technologien«. Bei einem solchen Großprojekt seien »Verzögerungen nie gänzlich auszuschließen«. Man sei optimistisch, die Mängel im Laufe des nächsten Jahres beheben zu können.

3 Mrd. € Volumen

Bei der Aktivierung des Bauvertrags am 26. Juni 2007 zwischen Werftindustrie und Bundeswehr waren sich alle einig: Die »Baden-Württemberg« muss ein gutes Schiff werden. Nach den teilweise katastrophalen Verläufen der Bauprojekte Korvette K130 und Einsatzgruppenversorger »Bonn« sprach man bei der Marine sogar von »Schiffbau auf Bewährung». Das Quartett soll mit voller Ausrüstung einen Systempreis von rund 3 Mrd. €  haben. Beim Baubeginn am 9. Mai 2011 waren die Perspektiven noch gut. Bei der Taufe am 12. Dezember 2013 kriselte es bereits. (FB)