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In Lübeck spielen intermodale Transporte eine große Rolle. Das Projekt »RoRo-Hafen 4.0« soll die Attraktivität weiter steigern. Auch bei der Rettung der angeschlagenen Hafengesellschaft sieht man sich auf einem guten Weg. Von Michael Meyer

Mit Mitteln aus dem Förderprogramm für Innovative Hafentechnologien (IHATEC) unterstützt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) eine Durchführbarkeitsstudie[ds_preview] für eine integrierte Buchungs- und Dispositionsplattform. Ziel des Konzepts ist es, den Informationsfluss entlang ganzer Transportketten zu steuern und allen Beteiligten zur Verfügung zu stellen. Man wolle »über den normalen Vernetzungsgedanken hinaus« gehen. Die verladende Industrie soll die Daten so nutzen und verknüpfen können, dass die Logistikketten von der Produktion bis zur Ankunft der Ware beim Endabnehmer nahtlos dargestellt werden können, heißt es seitens der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG).

Im Gespräch mit der HANSA konkretisiert Geschäftsführer Sebastian Jürgens: »Im Wesentlichen wollen wir administrative, dispositive und produktive Abläufe mit Hilfe der Digitalisierung optimieren. Wenn ein Lkw-Fahrer nicht mehr mit Papier herumhantieren muss und alles elektronisch für jeden Prozessbeteiligten vorliegt, ist dies ein großer Mehrwert für alle.«

Das Projekt stellt laut Jürgens den Anfang einer Gesamtstrategie dar. Auf die Veröffentlichung habe es ein positives Feedback gegeben. Einige der Kunden seien sehr an einem Voranschreiten der Digitalisierung der logistischen Abläufe im Lübecker Hafen interessiert und würden auch die spätere Umsetzung konstruktiv begleiten wollen. »Ein sehr positives Echo haben wir kürzlich anlässlich des Deutsch-Finnischen Hafentages bekommen, bei dem wir uns mit finnischen IT-Unternehmen mit logistischem Hintergrund und Häfen über unsere Projekte ausgetauscht haben«, so Jürgens.

Zu den Vorbildern für das Projekt zählt der Geschäftsführer etwa die großen Container-Terminals »denn da wird bereits sehr viel ohne Papier und automatisiert gearbeitet.« Die Konzepte sind jedoch nicht so ohne weiteres auf den Hafen Lübeck zu übertragen. »In Lübeck bzw. im Ostseeraum prägt nach wie vor die RoRo-Einheit (vor allem Lkw und Trailer) das Bild.« Bei den RoRo- und Universalhäfen strebe man bei innovativen Hafenthemen aber eindeutig eine Vorreiterrolle an.

Auch wenn die Folgen zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer absehbar sind, hofft Jürgens dennoch auf eine Optimierung der Abläufe und damit einhergehend auch auf eine Erhöhung der Attraktivität des Standortes. Er würde sich zudem freuen, wenn auch ausländische Partnerhäfen und Unternehmen sich an der Umsetzung beteiligen. Der Fokus liegt aber zunächst auf nationaler Ebene. »Eine spätere Umsetzung kann jedoch nicht ohne die Prozesspartner erfolgen. Die LHG stellt ja nur einen Teil der Transportkette dar. Um einen nennenswerten Mehrwert für den Gesamtprozess und die Prozessbeteiligten zu generieren, müssen möglichst viele mitmachen«, so Jürgens weiter.

Das RoRo-Geschäft ist eng mit intermodalen Transportketten verknüpft. Am Lübecker Baltic Rail Gate wurden 2016 rund 75.000 Lade-Einheiten umgeschlagen, Trailer hatten einen Anteil von 65%, Container von 34%. Das Management rechnet für dieses Jahr mit einem deutlich zweistelligen Wachstum. »Da sich die Trailer-Verkehre in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach weiter stark entwickeln werden und gleichzeitig durch den drohenden Fahrermangel die Nachfrage nach Intermodallösungen steigen wird, ist ein Ausbau des Terminals nur eine Frage der Zeit«, so Jürgens.

Um das Intermodal-Geschäft zu steigern, verfolgt der Hafen »mehrere Ansätze«. Die Tochtergesellschaft European Cargo Logistics (ECL) beispielsweise setzt nicht nur eigene Züge auf, sondern biete, so wie andere in Lübeck aktive KV-Operateure auch, durchgehende Lösungen an, um die Verlagerung von der Straße auf die Schiene zu forcieren. Eine weitere Tochtergesellschaft, die Skandic Service Gesellschaft, unterhält eine Trailer-Werkstatt, in der unter anderem ein Umrüstservice angeboten wird, durch den ein nicht-kranbarer Trailer schienentauglich gemacht wird. »Je mehr KV-fähige Auflieger ein Spediteur im Fuhrpark hat, umso interessanter wird der Schienenweg für ihn«, meint Jürgens. Nordic Rail Service, ebenfalls zur LHG-Gruppe zugehörig, verfügt nicht nur über eigene Lokomotiven, sondern auch über eine Waggon-Werkstatt. Kleinere Reparaturen können vor Ort vorgenommen werden, ohne dass der gesamte Rundlauf in Gefahr gerät.

»Dieses Gesamtpaket verleiht dem Schienenknotenpunkt Lübeck eine außergewöhnliche Attraktivität, und es liegt auf der Hand, dass wir darauf vorbereitet sein müssen, die daraus entstehenden Mengen auch auffangen zu können«, erläutert der Geschäftsführer. Dazu gibt es verschiedene Ausbauvarianten, um die Kapazität bei Baltic Rail Gate zu erhöhen: die Anlage zu erweitern oder eine komplett neue Anlage zu bauen.

Bereits jetzt werden die Verbindungen zum und vom Hafen Lübeck ausgebaut. Im Frühjahr startete eine Linie nach Novara, Kombiverkehr kündigte die Aufstockung der Frequenz zwischen Lübeck und Duisburg an. Aus Sicht des Hafenchefs gibt es zudem interessante Korridore nach Südwest- sowie Südosteuropa.

Sanierungsgespräche erfolgreich

Der Hafenchef geht nicht davon aus, dass die derzeitigen finanziellen Schwierigkeiten der LHG einen signifikanten Einfluss auf die Weiterentwicklung haben werden. »Wir befinden uns mitten in intensiven Verhandlungen und gehen nach gegenwärtigem Stand nicht davon aus, dass die Gespräche scheitern. Damit können wir die genannten Themen auch umsetzen«, meint Jürgens.

Erst vor wenigen Tagen hatten die Hafenarbeiter den Sanierungstarifvertrag akzeptiert, nachdem zuvor zwei Rettungspakete gescheitert waren. Der Konzern war in der Finanzkrise ins Minus geraten, und hat sich davon nicht erholen können. Zudem gingen drei Großkunden verloren. Während der Umschlag 2008 noch bei 28,5Mio.t lag, wurden im vergangenen Jahr noch 20,9Mio.t umgeschlagen.

Nun meldete die LHG einen »Befreiungsschlag«: Die Beschäftigten stimmten mehrheitlich den Vereinbarungen zur Restrukturierung zu. Damit greifen auch die Gesellschafterbeiträge der Hansestadt Lübeck. Nach jahrelangem Tarifstreit kehre nunmehr wieder Ruhe ein, hieß es. Der Sanierungstarifvertrag regelt vor allem fest geschriebene Lohnerhöhungen bis 2022 sowie den Verzicht auf Zulagen und Sonderzahlungen. Laut ver.di verzichten die Mitarbeiter auf Lohnzahlungen im Umfang von 17Mio.€. Im Gegenzug sind während der Laufzeit betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Darüber hinaus geht es vor allem um die Flexibilisierung der Arbeitsabläufe. Die Hansestadt Lübeck, 62,5%-iger Eigner der LHG, verzichtet im Gegenzug auf Fafenflächenpacht in gleicher Höhe.


Michael Meyer