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Investitionen in die Infrastruktur bringen großen Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft – für den Investor selbst zahlen sie sich nicht unbedingt aus. Das betrifft vor allem die Häfen, die mehr Mittel von der EU fordern. Von Felix Selzer

Unter dem Slogan »More EU budget for transport, the best investment plan for Europe« forderten zuletzt der europäische Seehafenverband ESPO[ds_preview] und 29 weitere Organisationen aus dem Bereich der Transport- und Logistikwirtschaft die EU auf, mehr in die Infrastruktur zu investieren. Konkret soll die Europäische Union die Connecting Europe Facility (CEF), das finanzielle Standbein der TEN-T-Richtlinie, stärken und in den Jahren 2021 bis 2028 mehr in den Transportsektor investieren.

»Es freut uns zu sehen, dass 30 Verbände, die alle Transportmodi und Warenverkehrsknoten repräsentieren, sowie Dienstleister und Ladungseigner sich unserer Forderung nach mehr finanzieller Unterstützung für die Fertigstellung des TEN-T-Netzwerks anschließen«, erklärt die ESPO-Generalsekretärin Isabelle Ryckbost. 750Mrd. € würden gebraucht, um zumindest das transeuropäische Kernnetz zu vervollständigen.

Die der neuen Kampagne zugrundeliegende Idee sei es, sicherzustellen, dass im Gesamtbudget der Anteil für die Häfen und die Verkehrsinfrastruktur zumindest beibehalten, wenn nicht gar erhöht werde, sagt Ryckbost im Gespräch mit der HANSA.

Die Häfen stehen vor der ständigen Herausforderung, in langlebige Hafeninfrastruktur investieren zu müssen. Selbst wenn diese Investitionen einen hohen Mehrwert generieren sowie substantielle ökonomische Gewinne, sind die Erträge für die Port Authorities jeweils niedrig. »Verkehrsprojekte mit hohem gesellschaftlichem Nutzen generieren nicht immer den gewünschten Return on Investment (ROI) für den Investor selbst, dafür aber für die umgebende Wirtschaft und die Gesellschaft. Wir glauben, dass die CEF-Unterstützung die beste Garantie für einen hohen EU-weiten Mehrwert und ein verantwortungsvolles Management von Fördermitteln ist«, so Ryckbost. Initiativen wie der »Juncker-Plan«, der European Fund for Strategic Investments (EFSI), die private Investitionen anziehen sollen, könnten in manchen Fällen funktionieren. Im Bereich Häfen brauche es wegen der beschriebenen ROI-Problematik aber auf jeden Fall eine Förderkomponente.

Die ESPO gibt nun eine Studie über die Prioritäten der Häfen in Auftrag, Investitionspläne und Prioritäten sollen abgefragt werden. »Unserer Meinung nach sprechen die Häfen zu oft von neuen Investitionen, um ihre Kapazitäten zu erhöhen. In einigen Regionen und Häfen gibt es tatsächlich eine Knappheit, in anderen ist die Kapazität vielleicht zu hoch. Dabei gibt es noch viele andere wichtige Investitionbedarfe«, so die ESPO-Sprecherin. Neben der Kapazität sei das z.B. das Thema »Greening«, die umweltfreundlichere Gestaltung von Infrastruktur, sowie die Reaktion auf neue Technologien und Bedürfnisse der Schifffahrt wie LNG oder Landstrom. Sicherheit sei ein weiteres Thema, die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels müssten berücksichtigt werden. Durch einen steigenden Meeresspiegel und extreme Wetterbedingungen könnten sich die Kosten für die Infrastruktur erhöhen. Zu den Herausforderungen der Digitalisierung müssten sich einige Häfen auf dem europäischen Festland auch auf die Zeit nach dem Brexit einrichten, etwa auf intensivere Warenkontrollen. »Das sind teils Investitionen von öffentlichem Interesse, etwa was die Nachhaltigkeit angeht, oder wie die Vorbereitung auf den Brexit, und nicht in erster Linie kommerzielle Investments«, so Ryckbost. Daher müsse man hier in der Budgetplanung vorsorgen.

Es gebe bereits eine »klare Unterstützung« durch das EU-Parlament, auch das Transport Council signalisiere Zustimmung, in Beschlussentwürfen fänden sich die Punkte der ESPO wieder. »Aber das sind natürlich nur die Verkehrsminister. Uns ist klar, dass wir auch über diesen Bereich hinaus in andere Ressorts gehen müssen.«

Währenddessen bekommen die Häfen auch Unterstützung aus anderen Wirtschaftssektoren. Zu den 30 Verbänden, die im September die Forderungen der ESPO mit unterschrieben haben, hat sich laut Ryckbost nun auch die Baubranche gesellt, weitere Wirtschaftsbereiche hätten Interesse signalisiert. Schließlich seien auch außerhalb der Logistikbranche viele Industrien auf sie und auf gute Verkehrswege angewiesen.

Fokus auf Straße und Schiene

Ein Missverhältnis sieht Ryckbost bei der Mittelverteilung auf die einzelnen Verkehrsträger. In den TEN-T-Richtlinien heißt es, dass die Kern-Häfen bis 2030 über adäquate Hinterlandanbindungen via Wasserstraße, Schiene und Straße verfügen sollen. Ein erster Evaluationsbericht der EU-Kommission habe gezeigt, dass es schienenseitig prinzipiell bereits gute Anbindungen gebe, ganz im Gegensatz zu Binnenwasserstraßen in den Ländern, die eigentlich über solche Möglichkeiten verfügen. Was Ryckbost über die letzten drei Jahre beobachtet hat, ist, dass rund die Hälfte der Mittel in die Schieneninfrastruktur flossen und etwa 30% in Straßen. »Das ist schon bemerkenswert. Natürlich erkennen wir an, dass Straßenverbindungen wichtig sind – ein Hafen ist schließlich nur so gut wie seine Hinterlandverbindung – aber die Basis für die Straßeninfrastrukturfinanzierung in den TEN-T-Richtlinien war eigentlich relativ klein. Dennoch geht ein großer Teil des Geldes dorthin«, sagt Ryckbost. Häfen und maritime Infrastruktur hätten dagegen nur 9% der Mittel abbekommen.

Aber ob gut angebunden oder nicht – Hafeninvestitionen seien eine ständige Herausforderung, auch für bereits gut entwickelte Häfen in Regionen, die traditionell viel in Infrastruktur investierten, wie die Niederlande, Belgien oder Deutschland, wo es auch öffentliche Unterstützung dafür gebe. Selbst hier gebe es immer Investitionsbedarf – nicht in mehr Kapazität, sondern um »state of the art« zu bleiben, effizienter und »grüner« zu werden, Prozesse zu digitalisieren usw. Die Probleme seien sicher in einigen Regionen grundlegender als in anderen, während die einen mit Staus kämpften, seien die anderen noch schlecht angebunden. »Gute Verkehrsverbindungen sind letztlich ein Wachstumstreiber für Europa«, so Ryckbost. Damit hiervon vor allem europäische Unternehmen profitieren, ist ein weiteres Thema auf der Agenda die strengen Regeln für Staatsbeihilfen bei schrumpfenden Budgets für die Infrastrukturentwicklung. Hier sieht Ryckbost Probleme bei der Chancengleichheit, wenn Staatsunternehmen von außerhalb der EU im Unionsgebiet investieren. Hier müsse geprüft werden, ob die Regeln der EU für solche Firmen und die Unternehmen in den Mitgliedstaaten gleichermaßen streng seien.


Felix Selzer