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Vor nicht allzu langer Zeit galt sie als großer Hoffnungsträger, aber wie ist der aktuelle Stand in Sachen Meerestechnik und Tiefseebergbau? Die HANSA sprach mit dem Branchenvertreter Michael Jarowinsky

Als wir vor drei Jahren zum Thema Tiefseebergbau miteinander sprachen (HANSA 1/2015), sagten Sie: »Das Ganze nimmt jetzt[ds_preview] gerade richtig an Fahrt auf.« Was ist seither geschehen?

Jarowinsky: Es gibt inzwischen eine deutlich intensivere Beschäftigung mit den Tests, die durchgeführt werden müssen, bevor ein kommerzieller Abbau mariner mineralischer Rohstoffe erfolgen kann. Für die so genannten Pilot Mining Tests, die die Internationale Meeresbodenbehörde für die Lizenzgebiete in internationalen Gewässern fordert, ist noch eine ganze Menge zu tun. Nicht zuletzt muss die Behörde selbst endlich finale Regelungen zur Durchführung dieser Tests sowie für den späteren Abbau der Rohstoffe erlassen, denn die gibt es bis heute noch nicht. Bei den vorab erforderlichen Komponententests sind wir dagegen schon ein ganzes Stück weiter. Zum Beispiel haben heimische Unternehmen vorgeschlagen, im deutschen Lizenzgebiet für Massivsulfide im Indischen Ozean eine Schlitzwandfräse am Meeresboden zu testen. Da laufen gerade Gespräche mit Investoren. Es gibt auch Diskussionen mit Norwegen und Frankreich, ein solches Projekt eventuell in Partnerschaft durchzuführen – entweder im Indischen Ozean oder vor der norwegischen Küste, wo es ebenfalls Massivsulfide gibt.

Deutschland hat Lizenzen zur Erkundung von Massivsulfiden im Indischen Ozean und von Manganknollen im Nordpazifik. Wann ist realistischerweise mit einem Abbau der Rohstoffe zu rechnen?

Jarowinsky: Bei den Manganknollen haben wir zwei offene Punkte. Erstens gibt es in Deutschland derzeit keinen Knollenkollektor, das heißt Stand jetzt wären wir auf Partner aus dem Ausland angewiesen. Belgien und Polen sind da schon deutlich weiter, weltweit am weitesten ist Südkorea. Die zweite Frage ist die der Aufbereitung und Verhüttung: Es muss ein Plan entwickelt werden, wie sich die Knollen an Land aufbereiten lassen. Bei den Massivsulfiden ist das einfacher. Diesen Rohstoff gibt es auch an Land, da ist die Technik vorhanden. Die hat zwar noch niemand in Wassertiefen von 2.000 oder 3.000m eingesetzt, aber es ist möglich. Einen Termin zum Abbau-Start kann ich aber in beiden Fällen nicht prognostizieren. Fest steht, dass der deutsche Staat als Inhaber der Lizenzen das entsprechend vorantreiben muss. Da sind die Diskussionen durchaus anspruchsvoll und intensiv. Zugleich muss sich aber auch die heimische Industrie einbringen und beteiligen. Wir brauchen mehr Unternehmen, die für sich den sicheren mittel- und langfristigen Bezug dieser Hightech-Metalle, die ja in vielen Bereichen benötigt werden, einsetzen und die in diesen Zukunftsmarkt investieren. Unter anderem wird die Automobilindustrie angesichts des zu erwartenden Booms beim Bau von Elektroautos einen erheblichen Bedarf an den Batteriemetallen Kobalt, Mangan, Nickel und Seltene Erden entwickeln – und die sind alle in den beiden deutschen Lizenzgebieten am Meeresboden verfügbar.

Was sind derzeit im Bereich Meerestechnik die wichtigsten Themen?

Jarowinsky: Besonders im Fokus stehen momentan die Unterwassertechnik und die Eis- und Polartechnik. Beides sind Querschnittstechnologien, die in unterschiedlichen Anwendungsmärkten unterschiedliche Anforderungen erfüllen müssen. Zum Beispiel kommen bei der Offshore-Windenergie Unterwasserfahrzeuge zum Einsatz, die vor dem Bau eines Windparks den Meeresboden erkunden und später die Fundamente und die Verlegung der Seekabel kontrollieren. Ähnliche Fahrzeuge werden auch in der Offshore-Öl- und Gasindustrie und im Tiefseebergbau gebraucht – aber dort für ganz andere Wassertiefen. Im Bereich Eis- und Polartechnik gibt es viele spannende Märkte, die Chancen für die Zukunft bieten. Unter anderem reden wir da auch von Öl und Gas: So könnte Flüssigerdgas aus der Arktis künftig eine viel größere Rolle als Energiequelle spielen. Darüber hinaus ist Deutschland mit dem Alfred-Wegener-Institut in der Polarforschung international sehr stark vertreten. Auch der Markt für eisgängige Expeditions-Kreuzfahrten wächst weiter. Hinzu kommen eisgängige Forschungsschiffe. Letztlich werden für alle diese Märkte Spezialschiffe und innovative Technologien benötigt, für die deutsche Unternehmen über ein international anerkanntes Know-how verfügen.


Interview: Anne-Katrin Wehrmann