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Falsch oder nicht deklariertes Gefahrgut wird mit dem Trend zur Containerisierung und Mega-Schiffen ein wachsendes Risiko. In Hamburg sucht man solche Güter. Von Felix Selzer

Es ist das tägliche Brot von Lutz Dreyer von der Wasserschutzpolizei Hamburg, Zentralstelle Gefahrgutüberwachung: nicht deklarierte gefährliche Güter in Containern[ds_preview] aufspüren, um zumindest den Hamburger Hafen und den Weitertransport sicherer zu machen. Vorher hat die gefährliche Ladung schon tausende Seemeilen hinter sich, Zeit genug, um durch Stauung zu nah an einer Wärmequelle, chemische Reaktionen etc. einen Brand auszulösen. Allein in Hamburg kommen täglich rund zehn Container mit Brandschäden an, die meisten Ladungsbrände bleiben von den Besatzungen unentdeckt.

2017 fanden die Beamten 59 Container mit undeklarierten gefährlichen Gütern. Insgesamt wurden 4.235 Boxen kontrolliert. 2016 waren bei 4.260 Kontrollen 93 solcher Container verzeichnet worden, allein 33 davon stammten von der »CCNI Arauco«, auf der am 1. September 2016 bei Schweißarbeiten ein Feuer ausgebrochen war. 2016 seien das bei 9Mio.TEU, die umgeschlagen wurden, unter Berücksichtigung von Leercontainern sowie 20- und 40-Fuß-Einheiten, 0,06% nicht deklarierte gefährliche Güter gewesen. »Bei dieser Menge kommt man auf circa 3.000 Container, die einen Unfall auslösen könnten«, so Dreyer. Wie groß das Dunkelfeld ist, könne er kaum einschätzen.

Die Beweggründe, nicht oder falsch zu deklarieren, sind unterschiedlich. »Wir sehen immer das Gute im Menschen, daher gehen wir erst einmal von Unwissenheit aus, zudem ist der Nachweis eines Vorsatzes schwierig.« Manchmal kann aber auch Dreyer dem Versender die Unbedarftheit nicht mehr abnehmen: »Wenn ich einen Container habe, in dem die Ladung schon in UN-Gefahrgutverpackung befördert wird oder mit Gefahrzetteln gekennzeichnet ist, kann mir doch keiner erzählen, er wüsste nicht, was er versendet.«

Für Container und verpackte gefährliche Güter gilt der International Maritime Dangerous Goods (IMDG) Code – in allen SOLAS-Staaten gleichermaßen, in China und Indien wie in Deutschland. »Als Versender gehe ich zur Reederei und bekomme vor Abschluss des Frachtvertrags ein Papier mit Ankreuzoptionen. Da muss ich mir also schon einmal Gedanken machen ob das gefährliche Güter sind«, sagt Dreyer. »Viele machen sich die aber nicht, da heißt es: das ist ja z.B. nur Holzkohle. Da kommen wir zum Kenntnisstand. Es muss jemanden geben, der fragt, ob geprüft ist, ob das Gefahrgut ist. Man muss sich eben mit den Vorschriften seines Landes auseinandersetzen.« Manchmal sei es schlichtweg einfacher, gefährliche Ladung ohne Kennzeichnung zu versenden, denn in manchen Häfen oder im Suezkanal sind bestimmte Gefahrstoffe nicht zugelassen.

Kontrolle im Zielhafen zu spät

Ansetzen muss man nach Dreyers Meinung am besten schon beim Versender. Im Fall eines Verstoßes gegen den IMDG-Code kann die Polizei über das Verkehrsministerium die zuständige Behörde im Versenderland benachrichtigen. Das funktioniere in alle Richtungen: »Wir haben so eine Meldung z.B. auch schon aus Australien bekommen, für einen Container, der in Hamburg gepackt worden war. Wir haben Ermittlungen aufgenommen und es gab nach deutschem Recht eine Ordnungswidrigkeitenanzeige. So kriegt man das langsam im internationalen Gefüge zusammen.«

Wenn die Polizei im Hamburg etwas findet, wendet sie sich in der Regel an den Empfänger der Ware in Deutschland, denn der muss dafür sorgen, dass die Ladung als Gefahrgut vom Terminal transportiert wird. »Wir raten den Empfängern, auf die Versender einzuwirken, gefährliche Güter in Zukunft zu deklarieren. Manche verhalten sich dann regelkonform, andere gehen über einen anderen Hafen. Aber zumindest für Hamburg haben wir einen Effekt erzielt«, sagt Dreyer.

Grundsätzlich könne es aber nicht nur Aufgabe der Behörden sein, undeklarierte gefährliche Güter zu finden. Jeder Reeder sei verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, um Risiken von seinen Schiffen abzuwenden. Dazu müsse gerade in Problemregionen das Personal entsprechend geschult sein und auf die Buchungen schauen. »Wenn einer betrügt wird es schwierig, aber bei bestimmten Ladungen wie Holzkohle erwarte ich, dass man sich ein Zertifikat zeigen lässt, aus dem hervorgeht, dass genau diese Ladung geprüft worden ist. Da darf nicht irgendein Zertifikat von 2010 akzeptiert werden, wonach irgendwann irgendwelche Holzkohle getestet wurde. Da sehe ich durchaus eine Verantwortung bei den Reedereien. Vielleicht muss man sich auch stichprobenartig Container näher ansehen«, regt er an. Hapag-Lloyd habe das Problem erkannt und prüfe die Daten mit seinem Programm Cargo Patrol. Würden das alle machen, wären zumindest die leicht aufspürbaren Güter schnell eliminiert.

Ein Problem für die Polizei stellt zudem der Datenschutz dar. »Zu Hapag-Lloyd kommt der Kunde, der alle Daten freiwillig abgibt. Die Reederei hat Hausrecht. Das ist alles freier Warenverkehr und die Polizei hat nicht das Recht, sich alle Daten anzuschauen«, sagt Dreyer. Eine Rechtsgrundlage gebe es für gefährliche Güter, aber nicht für nicht gefährliche. »Ich muss aber genau diese Daten durchsehen, um überhaupt die nicht deklarierten Güter zu finden.« Zusammen mit der Firma Dakosy läuft in Hamburg daher ein Pilotprojekt. Im Hafen tauschen alle möglichen Beteiligten über die »Import Message Platform« Ladungsdaten aus. Ein Teil der Nutzer habe einer Prüfung der Daten durch die Polizei bereits dankenswerter Weise zugestimmt, man werbe aber weiter um Unterstützung, berichtet Dreyer.

»Black Box« Slot Charter

Kritisch wird das, wenn tatsächlich etwas passiert, wie bei der »CCNI Arauco«. Bestimmte Datenaustausche zwischen Reedereien und Behörden gab es noch nicht. »Selbst mit einer Rechtsgrundlage, nach der wir jeden Container aufmachen durften, konnten wir nicht viel anfangen. Wenn man nicht weiß was drin ist und kein konkreter Verdacht vorliegt, fängt man nicht an, den Container auszuräumen. Da sind unter Umständen 3.000€ weg für nichts, ohne, dass etwas analysiert worden wäre«, erklärt Dreyer. Heute könne man immerhin, wie Hapag-Lloyd mit Cargo Patrol, über Suchbegriffe in den BLs schon eingrenzen, welche Container man sich anschauen sollte. Dazu kämen Erfahrungswerte mit bestimmten Gütern.

Ein weiteres Problem sieht Dreyer in der Praxis der Slot-Charter-Vereinbarungen: »Bei den klassischen Stückgutfrachtern wusste der Ladungsoffizier mehr oder weniger, was er an Kisten bekommen hat.« Dann hätten die Reedereien zunächst alles selbst abgewickelt, eigene Container mit eigener Ladung auf eigenen Schiffen transportiert. Heute gebe es größere Schiffe und einen bestimmten Anteil an Gefahrgut, der bekannt sei, weil die Daten ausgetauscht werden müssten. Bei allen anderen Boxen kenne nur wer den Frachtvertrag abgeschlossen habe zumindest die Warenbeschreibung.

»Wenn ich Slot-Charter-Verträge mit drei Reedereien habe, und jeder darf jeweils 1.000 Boxen auf das Schiff des anderen stellen, nützt es im Zweifel nichts, die eigene Ladung geprüft zu haben. Wenn ich einen Container ablehne, mein Partner den aber annimmt, kommt er am Ende doch auf mein Schiff. Da müssen sich die Reedereien Gedanken machen, das können wir nicht regeln«, sagt Dreyer. Cloud-Lösungen, über die Reedereien Daten austauschen, wären technisch kein Problem, scheitern aber oft daran, dass die Partner sich nicht ihre Kunden verraten wollen. Schließlich bleiben sie Konkurrenten. »Die Warenbeschreibung spielt in den Slot-Charter-Verträgen keine Rolle, das ist ein echter Knackpunkt«, meint er.

Vorerst müssen die Beamten also nach bisherigem Muster nach der gefährlichen Ladung suchen. Ein Trend hin zu mehr oder weniger Funden zeichnet sich noch nicht ab. »Im Moment ist es so: Je mehr man sucht, desto mehr findet man. Sobald wir die Unbedarften abgefischt haben und andere sich auch überlegen, dass sie nicht erwischt werden wollen, werden die Zahlen runter gehen«, sagt Dreyer. »Es gibt dann drei Möglichkeiten: Entweder sie machen es richtig, sie kommen nicht mehr über Hamburg oder sie sind so geschickt, dass wir es nicht mehr merken.«

Felix Seluzer