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Marine Service hat gemeinsam mit Caterpillar einen LNG-Prüfstand entwickelt, der in Kiel kurz vor der Inbetriebnahme steht. Im HANSA-Interview sprechen Jochen Schmidt-Lüßmann und Jan-Christian Müller-Rieck über Herausforderungen und Ziele der Testreihen

Was waren die Beweggründe, einen LNG-Prüfstand zu entwickeln?

Jochen Schmidt-Lüßmann: Es werden immer mehr[ds_preview] Aufträge für Gasantriebstechnologien platziert. Jedoch gibt es weiterhin nur wenig Erfahrung mit dieser Technik. Marine Service beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Gas als Ladung. Seit etwa zehn Jahren wird für uns das Thema LNG als Antrieb immer wichtiger. Deshalb haben wir unser Tätigkeitsfeld erweitert, indem wir uns von einem reinen Ingenieurbüro dahin entwickelt haben, dass wir heute auch Antriebsanlagen konzipieren und Werften mit kompletten Paketen beliefern. Wir bedienen zwar weiterhin auch den LNG-Tankermarkt, aber nicht mehr in dem Umfang wie wir das früher gemacht haben. Unser Fokus liegt zunehmend auf den Gasantrieben.

Jan-Christian Müller-Rieck: Vor drei Jahren haben wir unsere Ideen und Konzepte der Meyer Werft vorgestellt und daraufhin in einem Konsortium mit Caterpillar Aufträge für die Komplettausrüstung von vier Kreuzfahrtschiffen mit Gasantrieb erhalten. Zwei Einheiten sind für Aida Cruises bestimmt, die übrigen beiden für Costa Cruises. Der Auftrag beinhaltet die gesamte Stromerzeugung inklusive der Generatoren sowie die Gasaufbereitung. Die Anlagen wurden in enger Abstimmung mit der Meyer Werft entwickelt. Auch andere große Kreuzfahrtreedereien wie Disney Cruises, Royal Caribbean Cruise Line und weitere haben sich mittlerweile für Gasantriebe entschieden. Auch deshalb gehen wir davon aus, dass diese Technik in der Kreuzfahrtindustrie der Standard werden wird.

2016 haben Sie den Prüfstand erstmals vorgestellt. In Kürze sollen erste Tests erfolgen. Warum hat die Inbetriebnahme so lange gedauert?

Müller-Rieck: Da die Anlage an Land steht, müssen wir uns nach den Sicherheitsvorgaben des TÜVs richten, nicht etwa nach denen der Klassifikationsgesellschaften. Schon bei der Abgrenzung gab es Unklarheiten, denn es musste geklärt werden, ob es sich um eine Lager­einrichtung, oder um eine Tankstelle handelt. Das hat wiederum Auswirkungen auf die einzuhaltenden Regularien. All das hat sich sehr lange hingezogen.

Schmidt-Lüßmann: Zudem sind wird schon im Vorfeld bei der Entwicklung des Prüfstands auf Probleme gestoßen. Hier galt es, nähere Untersuchungen durchzuführen und eigene Versuche zu machen. Noch immer gibt es beispielsweise Diskussionen bei den Dimensionierungen der Druckaufbauverdampfer im Tank. Durch die Versuchsanlage können wir nun unter unterschiedlichen Bedingungen verschiedene LNG-Kompositionen testen.

Was bedeutet das konkret?

Schmidt-Lüßmann: LNG ist kein einheitlicher Stoff, die Zusammensetzung ist von den Herkunftsländern abhängig. Die Hauptkomponente ist zwar Methan, aber der prozentuale Anteil der weiteren Komponenten wie Ethan oder Stickstoff kann durchaus variieren. Das hat zur Folge, dass sich die Kompositionen unterschiedlich verhalten. Das betrifft nicht nur die Lagerung und Aufbereitung, sondern auch die motorische Verbrennung. Motoren, die mit Hochdruckeinspritzung arbeiten, haben damit weniger Schwierigkeiten, aber Maschinen, die das Gas nach dem Otto-Prinzip verbrennen, z.B. mittelschnelllaufende Dual-Fuel-Motoren, aber auch reine Gasmotoren, verdichten ein Luft-Gas-Gemisch. Wenn dieses viel Propan oder Butan enthält, neigen die Motoren zum Klopfen.

Müller-Rieck: Die bestimmende Größe beim LNG ist die Methanzahl. Den meisten Motorenherstellern ist eine Methanzahl von 80 am liebsten. Fällt sie unter ca. 70, muss die Leistung reduziert werden. Auch solche Untersuchungen wollen wir mit dem Prüfstand durchführen, um herauszufinden, welche Faktoren sich in welcher Weise auswirken.

Wie ist der LNG-Prüfstand aufgebaut?

Müller-Rieck: Er besteht aus zwei Containern, die übereinander stehen. Oben ist der Lagertank, darunter der Aufbereitungscontainer. Ungefähr 33m3 passen in den Tank, das entspricht etwa 15t. Der Druck kann bei bis zu 9,2 bar liegen, die Haltezeit beträgt ungefähr 50 Tage. Um eine sichere Befüllung des Tankcontainers zu ermöglichen, wurden zudem Wäge­zellen darunter eingebaut. Die Messung dient beim Betanken als zusätzliche Sicherung gegen Überfüllen. An der Seite der Containers sind die Anschlüsse angeordnet. Hier gibt es Schnellkupplung für die Abblaseleitung der Sicherheitsventile, für die Gasphase sowie für das LNG. Ferner gibt es im Außenbereich eine Füllstandsanzeige sowie Pneumatische Ventile für die Schnellabschaltung. Der Aufbereitungsraum ist in zwei Räume unterteilt: den Kontrollraum, in dem sich die Sicherheitstechnik befindet, inklusive Schaltschrank, Brandmeldeanlagen, Lüftung, Zwischenkreislauf zum Aufheizen sowie die Pneumatiksteuerung; im zweiten Bereich haben wir die Pumpe, die komplett in das von Linde LNG gelieferte Gas eingetaucht ist, sowie die Verdampfereinheit, bestehend aus drei Verdampfern, sodass über das Gas-Master-Valve der Teststand versorgt werden kann.

Schmidt-Lüßmann: Wichtig war uns, den Prüfstand modular so aufzubauen, wie er auch an Bord installiert werden würde. Auch die Kontrollsoftware ist so aufgebaut, wie sie auf Schiffen zu finden ist, um Fehler simulieren zu können. Sowohl Besatzungen als auch Werftpersonal sollen am Prüfstand geschult werden, um für den Einsatz von LNG vorbereitet zu sein.

Was waren die wesentlichen Herausforderungen beim Aufbau des Prüfstands?

Müller-Rieck: Vor allem die Sicherheitsbestimmungen. Da wir bei Marine Service einen Fokus auf den maritimen Bereich haben, war die Installation einer Landanlage und das damit einhergehende Zusammenspiel mit den zuständigen Genehmigungsbehörden und Prüfstellen für uns eine völlig neue Erfahrung.

Worauf galt es noch zu achten?

Schmidt-Lüßmann: Ein häufig unterschätztes Thema ist die Isolierung der Rohrleitungen. Wir sind gerade dabei, mit verschiedenen Systemen zu experimentieren. Auch hier gilt es, Erfahrungen zu sammeln. Das trifft auch auf die Pumpen zu. Die meisten Hersteller testen sie nur in Flüssigstickstoff. Es gibt zwar verschiedene theoretische Umrechnungsformen, aber auch immer wieder Zweifel, ob das Verhalten bei LNG ähnlich ist. Auch das wollen wir untersuchen.

Müller-Rieck: Wenn die Rohrleitungen kalt werden, wird auch die Luft drum herum kalt und zieht sich zusammen. Das führt dazu, dass die Isolierung beginnt, Luft hereinzuziehen. Da diese Luft feucht ist, bildet sich am Rohr Eis aus, was wiederum die Isolierung kaputt drückt. Deshalb muss man sehr vorsichtig mit den sogenannten Dampfsperren umgehen. Ferner ist bei der Wahl der Isolierung darauf zu achten, dass die Ventile noch leicht zugänglich sein müssen.

Wie geht es nun weiter?

Müller-Rieck: In Kürze nehmen wir den Prüfstand in Betrieb. Die erste Füllung wird mit Stickstoff durchgeführt, um das System herunterzukühlen. Dann startet das Prüfprogramm mit dem Motor, einem MaK 6 DF34 von Caterpillar. Es wird die Pumpenkennlinie aufgenommen und das System mit Stickstoff durchgefahren. Dafür sind etwa zwei Wochen vorgesehen. Erst danach kann die Befüllung erfolgen, da der Tank vollständig leer sein muss. Ansonsten würde das LNG bei den Temperaturen des flüssigen Stickstoffs gefrieren.

Schmidt-Lüßmann: Ist das erfolgt, beginnt die eigentliche Testphase, bei der wir die Pumpendrehzahl variieren, Drücke und Verdampfertemperaturen ändern etc. Später wollen wir Lastwechselszenarien und Langzeittests durchführen.

Das erste Kreuzfahrtschiff mit Gasantrieb von der Meyer Werft soll noch in diesem Jahr abgeliefert werden. Stehen Sie durch die verzögerte Inbetriebnahme des Teststands jetzt unter Zeitdruck?

Schmidt-Lüßmann: Wir hätten den Teststand gerne schon ein halbes Jahr früher in Betrieb genommen. Nun wird die Zeit ein wenig knapp. Wir sind aber dennoch guter Dinge, dass die Teststrecken und Schulungen planungsgemäß durchgeführt werden können.


Interview: Thomas Wägener