Print Friendly, PDF & Email

Schiffstransporte durch die arktische Nordostpassage sind in den letzten Jahren immer mal wieder angegangen worden. Unser kleines Fallbeispiel mit der »Baltic Winter« zeigt, dass dies mittlerweile auch ohne Eisbrecher ablaufen kann. Von Michael Meyer

Rund 22 Tage hat der 2011 in China gebaute Schwergutfrachter auf der »Northern Sea Route« verbracht. Statt von China die[ds_preview] übliche Route südwärts via Singapur, Suezkanal und Mittelmeer nach Europa zu nehmen, »nutzten wir im Oktober das offene Zeitfenster und wagten uns oben herum«, heißt es seitens der deutschen Reederei Heino Winter, für die der 19.100-Tonner fährt. An Bord war eine Ladung Windkraftanlagen, die in Taicang für Bremerhaven aufgenommen worden war. Die Reederei hat der HANSA einige Einblicke in die Reise und ihre Umstände gewährt. Insgesamt wurden 8.400sm zurückgelegt, so konnten sieben Tage oder 2.500sm eingespart werden. Das machte sich in der finanziellen Bilanz deutlich bemerkbar. So sparte man Bunker ein, die ansonsten anfällige Passage-Kosten im Suezkanal, Ausgaben für bewaffnete Sicherheitskräfte und eine Kriegsversicherung für die Fahrt in Piraterie-Gebieten. Letztlich wurde aufgrund der Einsparungen ein »außerordentlich gutes Reiseergebnis erzielt«, so die Reederei. Die von Skeptikern befürchteten, durch die mitunter etwas schwerfällige russische Bürokratie anfallenden Wartezeiten gab es bei der Passage offenbar nicht. Zu leichten, 1,5-tägigen Verzögerungen kam es lediglich beim Bunkern im russischen Hafen Vostochny. Außerdem musste zwischenzeitlich ein relativ schwerer Sturm mit 9–10 bft vor der Halbinsel Kamtschatka abgewartet werden. Kapitän Roman Ilnytskyy aus der Ukraine meldete ansonsten optimale Bedingungen und ließ die »Baltic Winter« mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15kn durch die Arktis steuern. Ganz so einsam wie auf hoher See war die Crew dabei nicht immer, wurde das Schiff doch von Zeit zu Zeit von Polarfüchsen und Eisbären beobachtet. In der Ferne sah man Eisberge. In den nördlichsten Breitengraden war das Eis selten dicker als 50cm und somit für die Eisklasse »1A für schwierige Eisverhältnisse« – ausgelegt für eine Eisdecke von bis zu 0,8m – kein Problem. Daher wurde auch kein Eisbrecher benötigt. Trotzdem wurden Vorbereitungen getroffen, um im Bedarfsfall Eisbrecher anzufordern. Die Eissituation wurde an Bord und im Büro im Vorweg und während der Reise genauestens beobachtet. Die Temperaturen fielen nicht unter -8 °C, es herrschten durchschnittlich frische Winde. Kapitän Ilnytskyy ist erfahren in der Eisfahrt, war diese Route jedoch noch nicht gefahren. Zur Unterstützung wurde deshalb ein Lotse in Vostochny an Bord genommen. Auch wenn so eine Fahrt dem Schiff sicher einiges abverlangt, zieht man bei Heino Winter ein sehr positives Fazit auch in technischer Hinsicht: Es fielen keine zusätzlichen Wartungs- und Reparaturarbeiten an. Stolz sind die Verantwortlichen in Hamburg-Finkenwerder auf ihren Kapitän. Der Ukrainer gehöre zu den ganz wenigen überhaupt, die den Eurasischen Kontinent an einem Stück umrundet hätten. Ilnytskyy war bereits seit Juni an Bord. Er fuhr von Argentinien, über Brasilien und den Atlantik nach Las Palmas, Emden, Rotterdam, Spanien, durch den Suezkanal nach Indonesien, Shanghai und Vostochny, durch die Nordostpassage bis nach Bremerhaven und Rotterdam.


Michael Meyer