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Bei der zweiten deutschen Ausschreibung für Offshore-Windparks ist der Zuschlagswert

im Vergleich zur Premiere im Vorjahr gestiegen. Die Branche sieht das Ergebnis dennoch als Beleg für eine anhaltende Kostenreduktion – und fordert von der Politik erneut ein Anheben der Ausbauziele. Von Anne-Katrin Wehrmann

Drei von vier bezuschlagten Projekten waren vergangenes Jahr mit Geboten von 0,00 ct/kWh als Gewinner aus der Premierenauktion hervorgegangen[ds_preview], was letztlich zu einem durchschnittlichen Zuschlagswert von 0,44 ct/kWh geführt hatte. Die zweite Auflage brachte nun einen mittleren gewichteten Zuschlagswert von 4,66 ct/kWh hervor, wie die Bundesnetzagentur (BNetzA) mitteilte. Für die insgesamt 1.610 ausgeschriebenen Megawatt (MW), von denen laut Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) mindestens 500 MW auf die Ostsee zu entfallen hatten, vergab die BNetzA sechs Zuschläge – drei für Windparks in der Nordsee und drei für Ostsee-Projekte.

Marktführer Ørsted, vormals Dong Energy, sicherte sich nach drei erfolgreichen Geboten im Vorjahr diesmal zwei Zuschläge. Den 420-MW-Windpark »Borkum Riffgrund West 1« will der dänische Energiekonzern erneut komplett ohne Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bauen und betreiben.

»Zeit, in die Vollen zu gehen«

Für »Gode Wind 4« (131,75 MW) reichte er mit 9,83 ct/kWh das höchste Gebot ein, das noch einen Zuschlag erhielt. Die unterschiedliche Preisgestaltung spiegele wider, dass es sich bei den Geboten immer um Einzelfallentscheidungen handele, bei denen mehrere Parameter berücksichtigt werden müssten, teilte Ørsted dazu auf Nachfrage mit. Einer der entscheidenden Faktoren sei der Zeitpunkt der Netzanbindung: So plane man bei den Projekten im so genannten Cluster 1, die 2024 an Netz angeschlossen werden sollen, bereits mit einer Turbinengröße von 13 bis 15 MW.

Den dritten Zuschlag für die Nordsee erhielt Noch-RWE-Tochter Innogy für den 325-MW-Windpark »Kaskasi«, der ab 2022 den Betrieb aufnehmen soll. Über die Gebotshöhe wurde zunächst nichts bekannt. Zwei der drei Ostsee-Zuschläge sicherte sich der spanische Energieerzeuger Iberdrola, der bis 2022/2023 für 6,46 ct/kWh das 476-MW-Projekt »Baltic Eagle« bauen will und darüber hinaus im 10-MW-Projekt »Wikinger Süd« den Einsatz neuer Techniken ohne EEG-Förderung plant. Die noch verbleibenden Kapazitäten der aktuellen Ausschreibung (247,25 MW) gingen an KNK Wind für den Windpark »Arcadis Ost«. Kurz nach Auktionsende wurde bekannt, dass der belgische Windparkentwickler Parkwind die KNK übernommen hat und damit nun in den deutschen Offshore-Windmarkt eintritt.

In einer gemeinsamen Mitteilung erklärten die Offshore-Verbände anschließend, dass die Ausschreibung einen »anhaltenden Trend der Kostenreduktion« bestätigt habe. Die im Vergleich zur ersten Runde höheren Durchschnittsgebote erklärten sich vor allem durch die »Ostseequote«, die weniger Wettbewerbsdruck zur Folge gehabt habe, heißt es darin. Zudem seien die Standortbedingungen in der Ostsee komplexer und die Inbetriebnahme der dortigen Projekte sei schon für 2021/2022 geplant. Unter dem Strich hätten die Auktionen in diesem und im vorigen Jahr gezeigt, »dass bei der Nutzung der Windenergie auf See seit 2017 eine unerwartet starke Kostendegression vollzogen wurde«. Vor diesem Hintergrund fordern die Verbände die Bundesregierung erneut auf, die Ausbauziele im Bereich Offshore-Windenergie deutlich anzuheben: statt der bisher politisch gewollten 15.000 MW bis 2030 auf mindestens 20.000 MW.

Auch außerhalb der Windbranche werden die Stimmen lauter, dass ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich ist, wenn die neue Bundesregierung ihr selbst gestecktes Ziel nicht verfehlen will, den Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch bis 2030 auf 65% zu steigern. In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich CDU/CSU und SPD ursprünglich darauf geeinigt, bis 2020 Sonderausschreibungen für jeweils 4.000 MW Onshore-Windenergie und Photovoltaik (PV) sowie einen nicht näher definierten »Offshore-Windenergiebeitrag« durchzuführen. Im Rahmen der aktuellen Verhandlungen über eine Anpassung des EEG nahm die Union diese Sonderausschreibungen dann allerdings zunächst wieder von der Tagesordnung, wie SPD-Energiepolitiker Johann Saathoff jüngst in Berlin berichtete. »Bei diesem Thema ringen wir momentan auf allen Ebenen«, so Saathoff. »Dabei müssen wir jetzt schnell die Weichen stellen, wenn wir die 65 %-Hürde nicht reißen wollen.« Um dieses Ziel zu erreichen, müssten nach seinen Berechnungen je nach Ausbau Onshore und PV künftig bis zu 2.500 MW Offshore-Windenergie jährlich ans Netz gehen – das WindSeeG sieht derzeit einen Zubau von lediglich 500 bis 900 MW pro Jahr vor. »Die Offshore-Branche hat geliefert, die Kosten sind heute kein Argument mehr«, meint Saathoff. »Es ist jetzt Zeit, mit Offshore-Wind nicht mehr vorsichtig zu sein, sondern wieder in die Vollen zu gehen.«

Ganzheitlicher Ansatz gefordert

Ein Ende des politischen Schlingerkurses fordert auch Andreas Wellbrock. Geschäftsführer der Windenergie-Agentur WAB: »Wir haben eine epochale Energietransformation vor uns, und die muss jetzt endlich mal über mehrere Legislaturperioden ganzheitlich gedacht werden.« Der Offshore-Windenergie komme dabei eine tragende Rolle zu, da sie unter den Erneuerbaren inzwischen die günstigste und zugleich stetigste Energiequelle sei. Was es nun brauche, sei eine Verstetigung des Ausbaus auf deutlich erhöhtem Niveau. »Nur dann können die Unternehmen, die in den vergangenen Jahren viel in die Fertigung investiert haben, ihre Produktionskapazitäten auch ausnutzen. Wenn wir jetzt nicht aufpassen, ist der Zug bald abgefahren.« Dabei müsste es ein erster Schritt laut Wellbrock sein, die nach den ersten beiden Ausschreibungen noch freien Netzanbindungskapazitäten in Höhe von rund 800 MW kurzfristig auszuschreiben. »Aber das kann nur der Anfang sein«, so der WAB-Chef.

Die nächste reguläre Offshore-Wind-Ausschreibung ist erst zum 1. September 2021 geplant. Dann werden interessierte Windparkbetreiber erstmals im so genannten zentralen Modell auf Flächen bieten, die das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) bis dahin voruntersucht haben wird. Für die ersten beiden Auktionen galt ein Übergangssystem, an dem sich ausschließlich solche Projekte beteiligen konnten, die schon vor dem 1. August 2016 über eine Genehmigung verfügten oder erörtert worden waren. Laut einer vom BSH Ende 2016 veröffentlichten Liste fielen insgesamt 23 Projekte in diese Kategorie. Es bleibt abzuwarten, ob die unterlegenen Windparkentwickler nun juristische Schritte einleiten werden – oder ob sie bei den kommenden Ausschreibungen von ihrem im WindSeeG festgeschriebenen Recht Gebrauch machen, bei einer Überschneidung der jeweiligen Projektfläche Zuschläge von dann erfolgreichen Bietern zu übernehmen.


Anne-Katrin Wehrmann