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Der deutsche und europäische Schiffbau konnte sich vom globalen Negativ-Trend absetzen. Sorgen bereiten den heimischen Werften allerdings weiter Kampfpreise aus Fernost

Die weltweiten Auftragseingänge stiegen nach aktuellen Zahlen des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) gegenüber dem 30-Jahres-Tief des[ds_preview] Vorjahres deutlich, bleiben aber auch 2017 mit rund 20Mio. Compensated Gross Tons (CGT) immer noch auf einem niedrigen Level. Die abgelieferte Tonnage bewegt sich hingegen weiter auf einem konstanten Niveau und belief sich in 2017 auf weltweit knapp 35Mio. CGT. Die Ablieferungen übersteigen damit die Auftragseingänge deutlich um 75%, sodass der globale Auftragsbestand seinen Schrumpfkurs seit 2008 weiter fortsetzt und nur noch gut 40% des damaligen Spitzenwerts umfasst. Zum Ende das Jahres 2017 beläuft sich das globale Auftragsbuch auf rund 83Mio.CGT, der niedrigste Wert seit 15 Jahren.

Entgegen dem globalen Trend und im Gegensatz zur asiatischen Konkurrenz wächst das europäische Auftragsbuch als einziges kontinuierlich seit 2013 und erreicht Ende 2017 einen Wert von gut 11Mio. CGT. Zu diesem Wachstum tragen in erster Linie die vermehrten Bestellungen von Kreuzfahrtschiffen und Spezialschiffen bei. Die asiatischen Schiffbauindustrien geraten durch die schwache Nachfrage an Frachtschiffen massiv unter Druck. Im Bereich der Volumenmärkte ist der Anstieg der Auftragseingänge 2017 im Vergleich zum niedrigen Basiswert 2016 vor allem aufgrund der Erholung bei Rohöltankern und Massengutschiffen zu erklären. Die Auftragsvergabe im Containerschiff- und Offshore-Bereich blieb weiterhin schwach.

Überkapazitäten in Produktion

Die schrumpfenden Auftragsbestände verhindern vielerorts eine volle Auslastung und stellen Werften und Zulieferer vor existenzielle Probleme. Nach Angaben von Clarksons Research hat sich die Anzahl aktiver Werften weltweit seit Anfang 2009 bis Juli 2017 um 62% reduziert. Es sei zu erwarten, dass auch in den kommenden Monaten weitere Werften schließen müssten, so der VSM.

Das europäische Auftragsbuch erreichte Ende 2017 rund 62,1 Mrd. $. Im Laufe des Jahres 2017 entfielen auf europäische Neuaufträge 22Mrd. $. Mit der gesunden Nachfrage in den Spezialmärkten und der gleichzeitigen Schwäche der Volumenmärkte ergibt sich für Europa damit ein Weltmarktanteil von 35% der Auftragseingänge. Während auch europäische Werften unter der geringen Nachfrage in einigen Segmenten (z.B. Offshore) leiden, profitieren andere vom Boom im Kreuzfahrtsektor. 2017 traten 26 neue Kreuzfahrtschiffe ihren Dienst an. Fluss-, Hochsee- und Spezialkreuzfahrtschiffe sind gefragt. Auch die teils extremen Einsatzgebiete von den Tropen bis in die Polarregionen stellen hohe Anforderungen. Hinzu kommt der Einsatz innovativer Technologien.

Konsolidierung und Neueinsteiger verändern die Situation im Kreuzfahrtschiffbau. 2017 haben Italien und Frankreich eine Vereinbarung über die Übernahme der französischen STX-Werften durch Fincantieri getroffen. Gleichzeitig konnten einige kleinere europäische Werften in das Segment der Expeditionskreuzfahrtschiffe einsteigen. Außerhalb Europas war China erfolgreich bei der Akquise von Fähraufträgen europäischer Stammkunden. Auch den Einstieg in den Kreuzfahrtschiffbau betreibt China ehrgeizig und investiert in den Aufbau einer heimischen Zulieferindustrie.

Gegenüber dem Allzeithoch aus 2017 ist der Auftragsbestand der deutschen Werften 2017 zwar gesunken, verharre aber mit 17,7 Mrd. € »weiterhin auf einem hohen Niveau«. Dass dieser Erfolg langfristig gehalten werde, sei jedoch alles andere als sicher, so der VSM. Der weltweit geringe Bedarf sowie unfaire Wettbewerbsbedingungen forderten deutsche Werften wie auch die Zulieferindustrie, heißt es.

Für die Deutsche Marine sind derzeit wichtige Beschaffungsvorhaben im absehbaren Zulauf und der Planung. Die vier Fregatten der Klasse F125 durchlaufen aktuell Praxistests. Noch 2017 wurde der Auftrag für die Beschaffung eines zweiten Loses Korvetten der Klasse K130 mit fünf Einheiten erteilt. Das europaweite Ausschreibungsverfahren für vier Mehrzweckkampfschiffe MKS180 läuft derzeit. Zwei neue U-Boote (U212 CD) werden der Deutschen Marine aus der vereinbarten Kooperation mit Norwegen zulaufen. Bewegung ist auch in weitere Beschaffungsvorhaben gekommen. Dies betrifft neue Marinetanker sowie Kampfboote für amphibische Operationen. Anfang des kommenden Jahrzehnts ist Ersatz für die drei in die Jahre gekommenen Flottendienstboote und ab 2025 die Einführung einer neuen Minenjagdkomponente geplant.

Globale Risiken nehmen zu

Wachsender Protektionismus, Technologie-Diebstahl und Kampfpreise wie aktuell im Fährsegment stellten sehr konkrete Bedrohungen dar, so der VSM. Der maritime Wirtschaftsstandort Deutschland sei daher gut beraten, Kräfte zu bündeln und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. »Die Verabschiedung der Maritimen Agenda 2025 im letzten Jahr war ein wichtiger Schritt. Aber allen Beteiligten muss bewusst sein, dass eine Fortschreibung des Status Quo allein für die Zukunft nicht mehr ausreichen wird«, mahnte-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken. Auch die Zusammenarbeit in Europa könnte ein verstärktes Engagement gut vertragen.

China ziehe mit Preisen »unterhalb der Materialkosten« immer mehr Aufträge in Nischenmärkten an sich, beklagt der Verband. In Korea finanzierten die staatseigenen Banken, nach Restrukturierungen heute oft Haupteigentümer bei den Werften, selbst Verlustprojekte.

Noch immer seien die weltweiten Werftkapazitäten viel zu hoch und lägen weiter fast 75% über dem aktuellen Bestellvolumen. Dennoch wolle der koreanische Staat die Bestellung von 200 Schiffen finanzieren. Japan dagegen verweigere den Subventionswettlauf und prüfe inzwischen eine WTO-Klage gegen Korea. »Die Bandagen im globalen Wettbewerb werden immer härter«, sagt Lüken. Effektive globale Handelsregeln wären für alle Marktteilnehmer hilfreich, denn Überkapazitäten und ein überzogener Preiswettbewerb würden sich in der gesamten Wertschöpfungskette niederschlagen.