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Im norwegischen Nærøyfjord wird vorgemacht, wie Schiffe in Zukunft angetrieben werden könnten – ohne Krach, ohne Emissionen. Neue Gesetze in Norwegen zwingen die lokalen Schiffsbetreiber und bald auch internationale Kreuzfahrt­reedereien, neue Lösungen zu entwickeln. Von Felix Selzer

Für Aufsehen sorgte bereits 2016 das Hybridschiff »Vision of the Fjords«, doch war es nur ein Schritt auf dem Weg[ds_preview] zum eigentlichen Ziel des Betreibers The Fjords. Bereits bei der Ausschreibung war die Vorgabe der vollelektrische Betrieb gewesen. Die Werft Brødrene Aa überzeugte zwar mit dem futuristischen Design, konnte aber 2015 noch keine Lösung für einen rein elektrischen Antrieb bieten. Dennoch setzte man sich zusammen und vereinbarte, zunächst ein Schiff zu bauen, das zumindest im Nærøyfjord elektrisch fahren kann. Neue Ideen und verbesserte Batterietechnologie machten bei der Schwester »Future of the Fjords« nun den vollelektrischen Betrieb möglich. Das Schiff bietet bei 42m Länge und 15m Breite Platz für 400 Passagiere.

Für das Antriebs- und Energiesystem an Bord zeichnet Westcon Power & Automation verantwortlich. Damit verfügt die »Future« über ein integriertes System das Energiemanagement, Automation, Leistungsumwandlung sowie zwei Elektromotoren mit je 450 kW umfasst. Auch die Steuerung kommt von Westcon. Bei einer Batteriekapazität von 1.800 kWh kann die »Future of the Fjords« theoretisch zweieinhalb Stunden mit 16kn fahren. Die Fahrt zwischen Flåm und Gudvangen dauert rund 90 Minuten.

Die »Future« ist komplett aus Verbundwerkstoffen gefertigt, aus Kohlefaser und Kunstharz. Das macht das Schiff besonders leicht und ist maßgeblich für die Reichweite eines Batterieschiffs. Der Rumpf wurde in einem Stück gefertigt, erklärt Tor Øyvin Aa, CEO der Bauwerft Brødrene Aa. Dazu wurde zunächst eine Form aus Sperrholz gebaut, in der Kohlefasermatten und Harz laminiert werden konnten. Das ganze geschieht bei Brødrene Aa im Vakuuminfusionsverfahren. Dabei werden Kohlefasermatten, Verstärkungen und das flüssige Kunstharz unter Vakuum laminiert, was eine perfekte Struktur ohne Lufteinschlüsse ermöglicht. Die Aufbauten wurden schließlich aus flachen Komposit-Paneelen gefertigt, die noch entsprechend zugeschnitten werden mussten.

Zur Frage der Lebensdauer von Schiffen aus Verbundwerkstoffen erklärt Aa selbstbewusst: »Das Schiff kann auch in 100 Jahren noch fahren.« Wegen der Haltbarkeit der Strukturen sei auch der Wiederverkaufswert vergleichsweise hoch. Mit dem Recycling solcher Schiffe habe man indes noch keine Erfahrung. Per Kristian Grønlund, Kompositexperte von Leap Technology, erklärt, man könne derzeit Harz und Fasern nicht trennen, das Material müsse geschreddert und zur Energiegewinnung verbrannt werden. Insbesondere die Kohlefasern seien aber wertvoll, daher arbeite man in der Branche derzeit an thermoplastischen Harzen, um am Ende des Lebenszyklus Fasern zurückgewinnen zu können.

Brødrene Aa ist erfahren im Umgang mit Kohlefasern und Kunstharz als Werkstoffen für den Schiffbau. 2002 lief das erste Kohlefaserboot vom Stapel, derzeit ist das 60. Komposit-Schiff im Bau. Heute ist das wichtigste Produkt der Norweger eine 40m lange Schnellfähre in Kompositbauweise mit einer Spitzengeschwindigkeit von 35kn. Kunden gibt es in aller Welt, neben zwei Neubauten für Norwegen bei Brødrene Aa entstehen auch in China gerade zwei solche Schiffe in Lizenz. Bei der »Future of the Fjords«, wie auch bei der Vorgängerin »Vision«, arbeitete die Werft mit den Zulieferern Polynt (Harz), Seartex (Kohlefasern) und Diab (Kernmaterialien) zusammen, alles Partner seit den Komposit-Anfängen 2002.

Tor Øyvin Aas Neffe Torstein Aa zeichnet als Designer für die »Future« und die »Vision« verantwortlich. Er spricht von einem »neuen Goldstandard« für das Design von Sightseeing-Schiffen, mit vielen Aussichtsplätzen »in der ersten Reihe« und ohne Stufen zwischen den Decks. Dennoch habe es von der »Vision« zur »Future« noch Verbesserungspotenzial gegeben. So wurde beispielsweise der Anker nach achtern verlegt, um am Bug mehr Platz für die Fahrgäste zu schaffen.

Neue Lösung zur Aufladung

Geladen werden die Batterien der »Future« mit Strom aus Wasserkraft. Weil das lokale Netz in Flåm und Gudvangen eine schnelle Aufladung des Schiffs nicht im normalen Betrieb leisten kann, wurde als Lösung das sogenannte Powerdock entwickelt. In dem an der Pier liegenden Ponton werden Batterie-Packs den Tag über aus dem Netz aufgeladen. Die »Future« kann ihre Energiespeicher dann beim Anlegen innerhalb von 20 Minuten schnell auffüllen, ohne die Stromversorgung in den Orten zum Erliegen zu bringen. Neben den Batterien soll es im Dock auch Tanks für Schwarz- und Grauwasser geben, das hier gesammelt und für die Entsorgung abgeholt werden kann.

Noch ist das Schiff im Testbetrieb, aufgeladen wird in Flåm mit einer temporären Lösung, die Batterien sind in Kontainern an der Kaikante untergebracht. In Gudvangen soll in wenigen Wochen das erste Powerdock liegen, Flåm soll bis 2019 ebenfalls eines bekommen. Die mobile Stromversorgung, ebenfalls von Westcon, ist skalierbar und könnte laut Rolf A. Sandvik eines Tages auch für andere Anwender nutzbar sein.

Neue Wege wurden auch beim Propeller beschritten. Als Propellerzulieferer kam für die »Future« das Unternehmen Servogear an Bord. »Wir haben uns erst einmal nicht an dem Propeller unseres Vorgängers auf der ›Vision‹ orientiert, sondern überlegt, welchen Lösung wir für Schiff und Anforderungen entwickeln würden«, sagt Servogear-Geschäftsführer Torleif Stokke. 50% der Betriebskosten eines konventionellen Schiffs könnten heute die Treibstoffkosten ausmachen, genau das über den Propeller zu optimieren sieht er als seine Aufgabe. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Hochgeschwindigkeitsschiffe wie Crew Transfer Vessels für Windparks, Passagierfähren oder Küstenwachschiffe.

Mit dem Ecoflow Propulsor Electric haben die Norweger einen Verstellpropeller speziell für Elektroantriebe entwickelt. »Der E-Motor erreicht bei niedrigerer Drehzahl ein höheres Drehmoment als ein Diesel. So können wir einen größeren, langsamer drehenden und damit effizienteren Propeller einsetzen«, erklärt Stokke. Damit erhöht sich auch die Reichweite. Durch das Design des Unterwasserschiffs am Heck und die Form der Propellerblätter konnten die Geräuschentwicklung unter Wasser und Vibrationen im Schiff praktisch eliminiert werden. Die »Future« gleitet lautlos durchs Wasser, das Anfahren geschieht fast unbemerkt. Selbst die Beschleunigung aus dem Stand auf 20kn in einigen wenigen Sekunden verrät erst der Blick auf die vorbeiziehende Umgebung.

Klassifiziert hat die »Future« DNV GL als »DNV GL light craft«. Sverre Eriksen, Principal Engineer & Battery Expert bei der Klassifikationsgesellschaft und Entwickler der Class Rules für Elektroschiffe, sieht den Markt für diese Technologie boomen: »2011 hatten wir bei DNV GL zwei Anfragen für batteriebetriebene Schiffe, 2017 waren es 50 Projekte. Heute fahren 94 Schiffe mit Batterien.« Generell lasse sich sagen, dass sich die Investition in Batterietechnik zur Kraftstoffeinsparung auf jeden Fall innerhalb weniger Jahre rechne. Am Horizont sieht er bereits Wasserstoff als Energiespeicher und Brennstoffzellen als Antriebslösung der Zukunft.

The Fjords wurde Ende 2014 von Flåm AS und der Fährreederei Fjord 1 für den Betrieb von Sightseeing-Schiffen in den UNESCO-Weltnaturerbe-Fjorden gegründet. Neben dem möglichst umweltschonenden Schiffsbetrieb geht es den Norwegern dennoch um eine wirtschaftlich tragfähige Lösung. »Menschen, Planet und Profit sind das, was ein nachhaltiges Konzept ausmacht«, erklärt Rolf A. Sandvik, CEO von The Fjords. Rückenwind erhielt er Anfang März durch den Beschluss des norwegischen Parlaments, die Weltnaturerbe-Fjorde bis spätestens 2026, alle anderen Fjorde mit Schiffstourismus bis 2030 emissionsfrei zu machen. Damit ist die »Future of the Fjords« nicht nur eine schöne Zukunftsidee, sondern Vorreiter und Anschauungsobjekt für eine unausweichliche technische Umorientierung aufseiten der Fähr- und Kreuzfahrtreedereien.

Als Berater holten The Fjords die NGO Bellona an Bord, finanzielle Unterstützung gab es von Enova. Die Organisation managt den norwegischen Klima- und Energiefonds und übernahm laut Øyvind Leistad, Director Marketing and Development, die »Extrakosten, für den Schritt vom dieselbetriebenen zum vollelektrischen Schiff«. Insgesamt lagen die Kosten für den Neubau zwischen 13 und 14Mio. €.


Felix Selzer