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Über ein Jahr analysierte ein Expertenteam den folgenschweren Untergang der »Sewol«, der eine nationale Katastrophe in Südkorea auslöste. Jetzt wurde bekannt: es gibt keine eindeutigen Ergebnisse.

Ein achtköpfiges staatliches Gremium hatte die Havarie aus dem Jahr 2014, bei der ü[ds_preview]ber 300 Menschen starben (lesen Sie hier einen ausführlichen Bericht der HANSA), untersucht. Eine genaue Ursache konnte jedoch noch immer nicht gefunden werden, heißt es im Abschlussbericht, schreibt die Nachrichtenagentur Yonhap. Hinter der schlimmsten maritimen Tragödie des Landes würden noch immer viele Fragezeichen stehen. Das Gremium kam zu dem Schluss, dass entweder Probleme am Schiff oder äußerer Einflüsse die Havarie verursachten.

Zu den »eigenen« Problemen werden nach wie vor eine übermäßige Beladung und mangelhafte Wartung bzw. fehlerhafte Umbauten gezählt, die Stabilität und Auftrieb der 6.800-Tonnen-Fähre beeinträchtigt haben könnten. Als mögliche »externe Faktoren« werden eine Kollision mit einem U-Boot oder anderen unbekannten Objekte genannt.

Das Gremium reichte seinen Untersuchungsbericht bei Präsident Moon Jae-in ein und sprach sich dafür aus, das Wrack weiter zu erhalten. Es war in einem komplexen Prozess gehoben worden. Weitere Untersuchungen sollten folgen, meinen die Experten.

Was war bislang geschehen?

Die Fährkatastrophe hatte im April 2014 tiefe Wunden in die südkoreanische Gesellschaft gerissen. Politiker mussten ihre Ämter abgeben, Seeleute für Jahrzehnte ins Gefängnis. Nur 174 der 476 Menschen an Bord überlebten die Havarie der seinerzeit 20 Jahre alten RoPax-Fähre, die nahe der Insel Jindo im Gelben Meer kenterte. Weil unter den Passagieren über 320 Schüler waren und der Kapitän sowie Teile der Besatzung den Havaristen panisch verließen, anstatt Hilfe zu leisten, löste das Unglück enorme Empörung und große Diskussionen in der südkoreanischen Gesellschaft aus. Tage- und wochenlang wurde mit 169 Schiffen und Booten nach Toten und Überlebenden gesucht.

Die Behörden arbeiteten damals fieberhaft an einem Bergungskonzept. Zunächst sollten Hebesäcke das noch zum Teil aus dem Wasser ragende Wrack stabilisieren. Zusätzlich wurden drei Schwimmkrane zur Unglücksstelle beordert. Doch all das nützte nichts, der vollständige Untergang der »Sewol« auf rund 40m Tiefe konnte nicht verhindert werden.

Die Vorbereitungen für die Bergung begann 2015. Im Sommer 2016 machte man sich schließlich daran, 18 Hebearme am Wrack anzubringen. Zuvor wurden 954 m³ ölverschmutztes Wasser abgepumpt sowie Sicherheitsnetze an Fenstern und Türen angebracht. Weil die Krängung und die Wirkungen der Wasserbewegung auf das Schiff – in der für schwierige Bedingungen bekannten Region – nicht ausreichend berücksichtigt wurden, musste das Projekt immer wieder verschoben werden.

Daraufhin entwickelte man ein neues Konzept. Unter dem Wrack sollten Trossen und Kabel geführt und die »Sewol« dann von zwei Bargen gehoben werden. Erst nach erfolgreichen Tests wurde Mitte März 2017 grünes Licht für Aktion gegeben.

An 66 Trossen und 33 Hebearmen hängend, wurde die »Sewol« zwischen zwei Pontons auf 13m über die Wasseroberfläche gehoben. Dabei kamen tiefe Kratzer sowie zwei mehrere Meter lange Risse im Backbord-Vorschiff zum Vorschein. Sie stammten vom Bergungsversuch 2016, als die Strömung dafür sorgte, dass sich Stahltrossen in den Rumpf »sägten«. Mit den eigens gebohrten Löchern im Rumpf sollten Wasser und Schmutz entfernt werden können, um das Eigengewicht des Schiffes zu reduzieren.

Das Wrack wurden mit der Steuerbordseite nach oben zwischen den Bargen »Zhao Shang Zhong Gong 1« und »Zhao Shang Zhong Gong 2« befestigt und Ballastwasser abgepumpt. Mit Hilfe von fünf Schleppern wurde die »Sewol« zum bereitstehenden Halbtaucherschiff »White Marlin« der Boskalis-Tochter Dockwise bugsiert. Das dauerte allerdings länger als geplant, weil wiederum die Strömungsbedingungen kleinere Kursänderungen erforderlich machten. An Deck der »White Marlin« festgeschweißt kam die »Sewol« schließlich nach Mokpo, wo in einem Trockendock die genaue Ursache der Havarie geklärt und nach den übrigen Vermissten gesucht werden sollte.

Was genau geschah, ist noch immer nicht restlos aufgeklärt. Angeblich gab es zu viele schnelle Kursänderungen der unerfahrenen dritten Offizierin, wodurch Ladung verrutschte und das Schiff kenterte. Auch ein defektes Ruder wurde zunächst als möglicher Grund genannt. Zudem stellte ein Gericht einen unzulässigen Umbau zur Erhöhung der Ladefähigkeit fest. Die »Sewol« galt als regelmäßig überladen und mit zu wenig Ballastwasser ausgestattet. Den Behörden wurden deswegen Versäumnisse und mangelnde Kontrolle vorgeworfen. Premierminister Jung Hong-won war nach der Havarie zurückgetreten. Das Amtsenthebungsverfahren gegen Staatspräsidentin Park Geun Hye wurde unter anderem mit der langsamen Aufklärung in Verbindung gebracht.

Kurz nach der Havarie war bereits die Besatzung festgenommen worden. Der Reeder wollte sich zunächst ins Ausland absetzen, später wurde seine Leiche gefunden. Der Kapitän wurde zwar vom Mordvorwurf freigesprochen, erhielt jedoch letztlich eine Haftstrafe von 36 Jahren. Weitere Crew-Mitglieder wurden zu Strafen zwischen zwischen 15 und 30 Jahren verurteilt. Ihnen wurde unter anderem zur Last gelegt, dass sie Passagiere der »Sewol« im Zuge der Havarie aufgefordert hatten, in ihre Kabinen zu gehen. Die wenigen, die sich widersetzen, gehörten zu den Überlebenden.