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Überblick, Fingerspitzengefühl, Schwindelfreiheit, dreidimensionales Sehvermögen – All das ist nötig, um Van Carrier durch enge Blocklager zu steuern und Container zu bewegen. Wie das geht, lernen angehende Fahrer in der HHLA-Fachschule. Von Claudia Behrend

Wer bei Nils Sternberg Fahren lernen möchte, hat etwas Größeres vor. Schließlich bringt der Ausbilder an der HHLA-Fachschule seinen[ds_preview] Schülern bei, die bis zu 13m hohen Portalhubwagen (Van Carrier, VC) sicher auf dem Container Terminal Burchardkai (CTB) im Waltershofer Hafen in Hamburg zu steuern. Jährlich absolvieren die Schulung etwa 25 bis 30 HHLA-Mitarbeiter, die in aller Regel ihre Ausbildung als Fachkraft für Hafenlogistik bereits abgeschlossen haben.

Auf der 1,4km2 großen Fläche – fast so groß wie 200 Fußballfelder und nur ein wenig kleiner als das Fürstentum Monaco – muss jeder VC-Fahrer die genauen Standorte aller wichtigen Orte am Terminal wie der 30 Containerbrücken, der Blocklager, der Portal- sowie der Bahncontainerkräne und Lagerhallen verinnerlichen, um künftig sofort zu wissen, wo er seine rund 20 Boxen pro Stunde und bis zu 140 pro Schicht hinfahren oder abholen soll.

»Deshalb mache ich am ersten Tag mit jedem Fahrschüler zunächst mit dem Pkw eine ausführliche Tour über das gesamte Terminal«, berichtet Sternberg. »Dabei zeige ich zum Beispiel die besonderen Stellplätze, wie das Yard, auf dem sich die Blocklager befinden, und auch die Wasserseite.« Das dauert meist etwa einen Tag, so Sternberg, der als einer von sieben VC-Ausbildern bereits seit 28 Jahren bei der HHLA tätig ist.

Unersetzlich: Datenfunksystem

Nächster wichtiger Bestandteil der Ausbildung ist die Einführung in das Datenfunksystem. »Jeder der bis zu 23.000 Container am CTB sowie die VCs werden durch das Integrierte Terminal-Steuerungssystem (ITS) und über GPS zentimetergenau geortet und überwacht«, weiß Sternberg. Darüber hinaus sammelt es beispielsweise alle relevanten Daten von der Schiffsliegezeit bis zu den Stauplänen, weiß genau, wo und wann eine Box hin muss und ebenso, wie viel Zeit erforderlich ist, um sie mit dem VC dort hinzubringen. Für die Schüler sind die komplexen und ineinandergreifenden Terminalabläufe zumindest grundsätzlich kein Neuland, da sie zumeist während ihrer Lehrlingszeit schon einige Stationen durchlaufen haben. So wie Michelle Schleede, die nach Abschluss ihrer Ausbildung zunächst ein Jahr unter anderem als Brückenaufsicht gearbeitet hat. Dafür fand sie es dann doch ziemlich aufregend, nach einer ausführlichen theoretischen Einweisung das erste Mal gemeinsam mit ihrem Ausbilder in das Führerhaus in knapp 13m Höhe zu klettern.

Eingeschränkte Sicht

»In der ersten Woche waren wir immer zu zweit oben und sind erst einmal nur auf dem Terminal herumgefahren.« Dabei geht es zunächst darum, ein Gefühl für den VC mit seinen zwei angetriebenen Achsen, dem Fahrerhaus auf der rechten Seite, dem ebenfalls ausschließlich mit rechts zu steuerndem Lenkrad und den mit links zu bedienendem Joystick für den Spreader zu bekommen. »Anfangs wusste ich zum Beispiel nicht, wann ich das Lenkrad einschlagen musste«, erzählt Schleede, »aber dann habe ich mich schnell daran gewöhnt.«

Weiter ging es mit einem Übungscontainer, den sie absetzen und aufnehmen musste. An den ersten Tagen sind das zumeist eineinhalb Stunden Praxis im Anschluss an eine Theorieeinheit.

Dann wird es schnell anspruchsvoller: »Es ist ganz schön eng, wenn man das erste Mal durch die Containerreihen im Blocklager fährt«, erinnert sich Schleede. Der Grund: »Man kann von oben nur die rechten und nicht die linken Räder des Van Carriers sehen.« Eine ganze Schicht ist sie dann mit ihrem Ausbilder nur die schmalen Gänge gefahren. »Anfangs musste ich mich dafür sehr stark konzentrieren und war abends ziemlich müde.«

»Am aufregendsten war es, in der zweiten Woche das erste Mal nur mit Funkkontakt drei Stunden allein zu fahren, sagt Schleede. »Ich hatte erwartet, dass ich unsicherer wäre, aber dadurch, dass ich im Einzelfunk jederzeit meinen Ausbilder fragen konnte, hat es dann schnell recht gut geklappt.«

Zu den anspruchsvollsten Aufgaben gehört für sie die Be- und Entladung der Lkws. »Da muss man gerade bei den 40-Fuß-Containern schon sehr genau gucken, ob der Tunnel vom Container richtig auf das Lkw-Chassis geschoben wurde, kann aber zugleich viel weniger sehen als bei den 20-Fuß-Containern.«

Langweilig ist es Schleede auch nachdem sie nach 25 Schichten im Juni als zehnte Frau bei der HHLA ihr Patent erhalten hat, nicht. Immer wieder müssen auch Lösungen für kleine Probleme gefunden werden: »Kürzlich hatten wir einen leicht verbogenen Container, den wir deshalb nur mit in die Corner Castings eingehängten Ketten anheben konnten. Und der kann schnell ziemlich schaukeln«, berichtet sie. Und während ihre Kollegen nach dem morgendlichen Briefing anhand der VC-Nummer sofort wissen, welcher Fahrzeugtyp ihnen beim Briefing zugewiesen wurde, muss Schleede sich dann erst einmal den VC angucken. »Die Gerätetypen sind schon recht unterschiedlich, auch wenn ich auf allen geschult wurde«, sagt sie.

Noch steht sie für die nächsten drei Monate als Neuling ohnehin unter Beobachtung und fährt nur in der ersten Schicht. »Erst wenn im Anschluss die Nachausbildung erfolgt ist und alle zufrieden sind, werden die Fahrer uneingeschränkt eingesetzt«, erläutert Sternberg das Ausbildungskonzept. Wer das Patent zum Fahren der Van Carrier erhält, bekommt neben einem verantwortungsvollem Job noch ein besonderes Highlight dazu: den Möwenlandeplatz bei Liegeplatz 8. Der Blicks elbabwärts und auf den Strand von Övelgönne ist insbesondere von hoch oben im Van Carrier eindrucksvoll.