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Die Notwendigkeit, die Lebenszykluskosten von Windturbinen zu senken und zugleich Windenergie mit anderen intelligenten Energielösungen zu kombinieren, wird zu einem zentralen Thema der Industrie.

Die Zukunft der Produktion, Integration und Speicherung von Windstrom sowie Projekt[ds_preview]e zur Sektoren-Kopplung verlangen der Windindustrie großen Einsatz bei Forschung und Entwicklung ab, von neuen Konzeptstudien bis hin zu intelligenten Turbinen, Rotorblättern und Steuerungssystemen. Zu »Smart Energy« gehört auch die Digitalisierung sämtlicher Prozesse der Wertschöpfungskette und der Anlagenwartung mit Hilfe von Big Data. Systemaktualisierungen in der Mitte des Lebenszyklus und Maßnahmen zur Verlängerung der Lebenszeit rücken gleichfalls immer mehr in den Vordergrund. In der Praxis beinhaltet Digitalisierung beispielsweise die kontinuierliche Überwachung der tatsächlichen Lasten, die auf wichtige Komponenten einwirken. Anhand solcher Daten kann deren restliche Lebensdauer ermittelt und die Laufzeit werden.

»Smart Energy« ist eines der zentralen Themen der Weltleitmesse WindEnergy Hamburg, die Ende September zusammen mit der globalen Konferenz von WindEurope den Global Wind Summit bildet. 1400 Aussteller aus 40 Ländern stellen in neun Hallen der Hamburg Messe ihre Innovationen vor.

Intelligenz durch Sensorik

Der Einsatz moderner Sensorik bei Windturbinen nimmt zu, Sensoren erfassen Schwingungen, Temperaturschwankungen, Generator-Luftspaltwerte (die Aufschluss über die Rundheit des Rotors geben), die Verdrängung von Komponenten unter Last und vieles mehr. In die Hauptbestandteile von Windturbinen – Türme, Getriebe, Generatoren und Rotorblätter – integrierte Sensoren überwachen den Anlagenzustand und liefern wichtige Betriebswerte, mit deren Hilfe die Betreiber die Energieproduktion intelligent steuern können. Die intelligente Nutzung von Sensordaten kann zur Steigerung der Anlagenleistung und -zuverlässigkeit und damit zur Senkung der Stromgestehungskosten beitragen.

Windenergy WEHH Smart Energy
Foto: Hamburg Messe und Congress/ H. Zielke

Das auf Anlagenüberwachungstechnik spezialisierte Unternehmen Bachmann Monitoring wird auf der Messe einen sogenannten »Blade Unbalance Calculator« (BUC) vorstellen, ein Ergänzungsmodul für sein Zustandsüberwachungssystem (Condition Monitoring System, CMS). Anhand weniger statischer Parameter und der Messwerte eines in der Mitte der Gondel installierten Sensors überwacht das Modul die Rotorblätter auf Unwucht. Es unterscheidet zwischen aerodynamischen und mechanischen Effekten und ermöglicht so sofortige gezielte Abhilfemaßnahmen. Produktleiter David Futter von Bachmann Monitoring erläutert: »Einem von der Wind Industry Deutschland (WID) 2015 herausgegebenen Whitepaper zufolge haben bis zu 50 % der Windturbinen Rotor-Unwuchtprobleme. Das kann schwerwiegende Folgen haben: höhere Ermüdungslasten, die auf den Turm, das Turbinenhaus und die Bestandteile des Antriebsstrangs einwirken. Durch eine regelmäßige Auswertung der Rotorblatt-Unwucht können Anlagenbetreiber notfalls rechtzeitig eingreifen und so die Lebensdauer erheblich verlängern.«

Ein weiterer wichtiger Einsatzort für Sensoren ist der Rotorblattansatz bei großen Onshore- und Offshore-Turbinen. Hier ermöglichen sie die Erfassung der tatsächlichen Lasteinwirkung bei jeder Drehung des Rotors in Echtzeit. Bei solchen Anlagen der neuesten Generation mit individueller Rohrblattverstellung (Individual Pitch Control, IPC) findet eine wesentlich häufigere Blattwinkelkorrektur statt, was jedoch die Abnutzung der Rohrblattlager verstärken könnte. Manche Turbinenhersteller verwenden daher inzwischen anstelle der bisherigen Vierpunkt-Kugellager dreireihige Wälzlager, wie sie von Lagerspezialisten wie IMO und Rothe Erde – beide Aussteller der WindEnergy Hamburg – angeboten werden. Der dänische Aussteller Mita-Technik wird Besucher über seine neuesten IPC-Technologielösungen zu Überwachung und Regelung der Bewegung von Rotorblättern und der auf diese einwirkenden Lasten informieren.

Big Data optimiert Anlagenbetrieb

Die führenden europäischen Getriebehersteller ZF Windpower und Winergy präsentieren ihre Innovationen im Bereich der intelligenten Getriebetechnik. Know-how aus Maschinenbau und Leistungselektronik wird dabei mit digitalen Technologien, Hochleistungscomputern und internetgestützten Kommunikationsportalen kombiniert. Anhand zusätzlicher Daten von Wetterstationen oder den Elektrizitätsmärkten lassen sich die besten Zeiten für Wartungs- und Reparaturarbeiten oder den Austausch von Komponenten ermitteln. Daten aus den eigenen Turbineninstallationen können auch für eine markenübergreifende Anlagenwartung zur Verfügung gestellt werden.

Der chinesische Getriebehersteller NGC Group stellt in Hamburg seine intelligente Getriebetechnik vor. Liu Zhaohui, stellvertretender Direktor Aftermarket, erläutert: »In dieser integrierten intelligenten Lösung ist ein Zustandsüberwachungssystem mit einer speziellen NGC-App und Internet-gestütztem Big-Data-Management kombiniert. Der direkte Datenaustausch mit dem Kunden ermöglicht uns eine vorausschauende Beratung. Der Kunde profitiert dabei von unserem Know-how und und unseren umfassenden hauseigenen technischen Getriebedaten.«

Energiespeicherung im Fokus

Der Speichertechnik kommt bei der Energiewende eine besondere Rolle zu. Die »Storage Tour« bündelt auf der Weltleitmesse Ausstellerangebote zu EE-Speicherlösungen über alle Hallen hinweg. Die Konzepte unterschiedlicher Marktreife reichen von Lithium-Ionen-Akkumulatoren über HydraRedox-Flüssigkeitsbatterien bis hin zu Druckluft- sowie Power-to-Gas- und Power-to-Liquid-Lösungen, die den erzeugten Strom zur Gewinnung eines synthetischen Kraftstoffs nutzen.

Ein Smart-Energy-Hybridsystem wie das von WindEnergy Hamburg-Aussteller Vestas kombiniert beispielsweise Wind- und Solar-Strom und koppelt dies mit Energiespeichersystemen. Eine andere Option ist, dies auf Ladevorrichtungen für Elektrofahrzeuge zu erweitern. Eine von Siemens Gamesa entwickelte alternative Lösung verwandelt den elektrischen Strom in Hitze, die in einem mit Steinen gefüllten isolierten Behälter gespeichert wird. Wenn der Strombedarf steigt, wird diese Hitze durch eine Dampfturbine wieder in Strom umgewandelt.

Enercon verfügt über eine neue bidirektionale Energiespeicherlösung »E-Storage 2300«, die die Einspeisung von Strom in Batteriesysteme und die anschließende Stromabgabe deutlich beschleunigt. Einsatzmöglichkeiten für eine solche Lösung bieten die Regelreserve und die Stabilisierung der Windstrom-Netzeinspeisung. Wichtige Komponenten für die Stromspeichertechnik kommen aus der Konverter-Leistungselektronik von Enercon, speziell von der zu Jahresanfang eingeführten Ladestation E-Charger 600 für Elektrofahrzeuge, die das Unternehmen als »neuen Baustein eines Ökosystems rund um Turbinen-Kernprodukte« bezeichnet.

Das Cluster Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH) hat es sich zum Ziel gesetzt, die Nutzung erneuerbarer Energien auf Bereiche außerhalb des Stromversorgungssektors auszudehnen, beispielsweise den Mobilitätsbereich sowie auf Industriezweige, die sehr viel thermische Energie benötigen, wie die Aluminiumhütte Trimet. Leitgedanke dieser Kopplung von Industriezweigen ist laut EEHH-Direktor Jan Rispens, dass Energie zwischen diesen drei Bereichen gleichmäßig verteilt werden sollte. »Das Norddeutsche Energiewende-Projekt NEW 4.0 ist nicht nur für den Windenergiesektor, sondern auch für große regionale Stromkunden wichtig. Das Projekt hat Vorbildcharakter für zukünftige Entwicklungen im Strommarkt«, so Rispens. Eine Herausforderung aus Sicht der Energiekonzerne, Übertragungsnetzbetreiber und anderer Stromnetz-Dienstleister ist die Aufrechterhaltung der Netzstabilität im Zuge der Integration eines immer größeren Anteils erneuerbarer Energien, insbesondere Windstrom, Fotovoltaik und Strom aus Biomasse- und Geothermie-Kraftwerken.

Globales Branchentreffen

Die Themen Smart Energy und Digitalisierung nehmen auch auf der WindEurope Konferenz breiten Raum ein. Dort gibt es an den ersten beiden Tagen Experten-Beiträge zum Beispiel über »Strom zum Heizen und zur Klimatisierung in Gebäuden«, »Der Einsatz digitaler Technologien zur Turbinen-Überwachung« oder »Der Einfluss von Digitalisierung auf Kostenreduzierung und Businessmodelle«.

Der Global Wind Summit findet vom 25. bis 28. September 2018 in Hamburg statt: Auf der WindEnergy Hamburg präsentieren rund 1.400 Aussteller aus aller Welt ihre Produktneuheiten und Projekte. Die Messe für die Onshore- und Offshore-Windbranche bildet den globalen Markt mit der gesamten Wertschöpfungskette ab. Parallel veranstaltet WindEurope in den Hallen der Hamburg Messe die globale On- und Offshore Konferenz. Zum Global Wind Summit versammelt sich die Welt der Windenergie alle zwei Jahre in Hamburg. Das Who‘s Who der deutschen Windbranche trifft sich vom 10.-13. September 2019 auf der HUSUM Wind, Partner und wichtigste deutsche Windmesse im Folgejahr.