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Umweltschutz, Digitalisierung, unbemannte Schifffahrt, Allianzen – welche juristischen Fragen und Lösungsansätze diese bedingen, darüber hat die HANSA mit dem Geschäftsführenden Direktor des Institut für Seerecht und Seehandelsrecht an der Universität Hamburg, Professor Marian Paschke, gesprochen

Mit welchen Themen beschäftigt sich Ihr Institut?

Marian Paschke: Unsere Forschungsschwerpunkte liegen sowohl im Völkerrecht als auch im[ds_preview] Handelsrecht, konkret also das deutsche und internationales öffentliche Seerecht, das Hafenrecht, das Seehandelsrecht und das Transportrecht. Derzeit liegt unser Hauptaugenmerk vor allem auf dem maritimen Umweltschutz, der Digitalisierung und der unbemannten Schifffahrt.

Stellen sich bei der unbemannten Schifffahrt ähnliche Fragestellungen wie beim automatisierten Fahren von Lkw, mit denen sich 2017 der Deutsche Ethikrat intensiv beschäftigt hat?

Paschke: Die Technik ist auch in der Schifffahrt bereits sehr weit fortgeschritten und die Entwicklung wird auch von der IMO (international Maritime Organization) gepusht. Die ethische Frage, wie die Technik im Fall von Kollisionen mit Menschen und Schiffen programmiert werden muss, stellt sich auch hier, wenn auch mit geringerer Intensität als beim Landverkehr. Wir beschäftigen uns mit diesen Themen unter anderem in einer Arbeitsgruppe gemeinsam mit dem Deutschen Seerechtsverein und der Deutschen Gesellschaft für Nautik und Ortung (DGON). Unsere Aufgabe ist es, diese technischen Entwicklungen juristisch zu begleiten, damit sie umgesetzt werden können, sobald sie sich wirtschaftlich rechnen. Dazu zählen vor allem die Sicherheit, wofür die IMO bereits Vorschriften vorbereitet, und unser Institut am Scopingprozess teilgenommen hat. Hierbei muss die vorhandene Rechtsordnung an die neue Technik angepasst werden. Anders ist es bei der Haftung, die bislang ein persönliches Verschulden voraussetzt und wo mit dem vermehrten Einsatz der Computertechnologie der größte Änderungsbedarf besteht.

Welche Tendenzen zeichnen sich ab?

Paschke: Hier könnte es vergleichbar zum Straßenverkehr eine Gefährdungshaftung geben, die verschuldensunabhängig wirkt. Für den Schiffsverkehr muss allerdings eine internationale Regelung gefunden werden, wovon wir zurzeit noch weit entfernt sind. Weder die Hamburg-Regeln noch die Rotterdam-Regeln sind im Moment in der Praxis von Bedeutung. Das Thema muss daher neu angegangen und verhandelt werden, um nicht in ein Abenteuer unbemannte Schifffahrt einzusteigen. Der internationale wissenschaftliche Austausch ist schon gut entwickelt und beim Comité Maritime International (CMI) hat Deutschland einen gewissen Einfluss; die Zielrichtung der Verhandlungen bei der IMO ist noch nicht klar erkennbar.

Im Rahmen der Digitalisierung gibt es derzeit diverse Initiativen, Pilotprojekte und Joint Ventures, um mithilfe der Blockchain elektronische Frachtdokumente wie B/Ls abzubilden …

Paschke: Eine umfassende Elektronisierung des Export- und Konossementsgeschäfts macht eine Vernetzung verschiedener Regelungsbereiche wie Banken (etwa mit Akkreditiven), Versicherungsverträgen und Export- sowie Zollbehörden möglich. Um dies über die Blockchain zu verknüpfen, sind global wirksame einheitliche Regelungen erforderlich. Ich gehe daher davon aus, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis diese etabliert sind.

Zum Thema maritimer Umweltschutz: Während Schiffe in der Antarktis seit 2011 kein Schweröl mehr als Treibstoff verbrennen dürfen, können sie in der Arktis noch Schweröl mit sich führen, obwohl es dort aufgrund der fehlenden Infrastruktur und unzuverlässiger Satellitentechnik praktisch unmöglich ist, Kontaminationen zu entfernen. Sie fordern daher strengere Gesetze und Umweltvorschriften für die Arktis…

Paschke: Das Abschmelzen des arktischen Eises erfolgt viel schneller als bisher gedacht. Selbst der Nordpol wird voraussichtlich schon in den 40-er Jahren mehrere Wochen im Jahr eisfrei sein. Bereits ab den 30-er Jahren rechnet man statt mit ein paar Hundert Schiffen bisher mit Tausenden, da sich die Strecke nach Asien massiv verkürzt. Insbesondere Russland erhofft sich enorme Entwicklungsmöglichkeiten im Arktis-Schiffbau. Wer diese Vorteile genießt, sollte sich allerdings auch mit den Folgen beschäftigen. Neben den von Ihnen genannten Risiken kommt bei Umweltkatastrophen in der Arktis noch hinzu, dass die Regeneration dort viel langsamer verläuft und eine Verdunklung des Eises eine noch schnellere Abschmelzung bewirkt, was nicht durch die Schifffahrt unterstützt werden sollte.

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang den am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Polar Code der IMO und die von ihr ab Dezember dieses Jahres genehmigten Transporte auf Schiffsrouten in der Beringsee und Beringstraße?

Paschke: Der Polar Code ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Dass ein Schwerölverbot anders als in der Antarktis hier bisher nicht durchgesetzt werden konnte, liegt daran, dass die Interessen der Anrainerstaaten in der Arktis stärker sind. Der Schritt der IMO, klare Schifffahrtsstraßen vorzugeben, ist meines Erachtens ein kluger Schachzug. Denn auch wenn es dazu keine Verpflichtung gibt, werden sie dazu beitragen, dass hier eine entsprechende Infrastruktur auch für den Fall von Havarien oder Lecks aufgebaut wird.

Optimistisch stimmt mich in diesem Zusammenhang auch, dass der Arctic Council, der ursprünglich eine Closed Shop-Veranstaltung war, sich seit dem Klimaschutzabkommen von Paris stärker öffnet und bereits gemeinsam mit der Klimaschutzkonferenz der Vereinten Nationen getagt hat. Es ist eine gute Entwicklung, wenn kooperiert wird und dadurch ein Bewusstsein für die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit entsteht. Ich freue mich daher auch, dass sich die Bundesregierung darum bemüht, dass Deutschland einen Beobachterstatus im Arctic Council erhält.

Zum Schluss noch ein anderes Thema: Welche juristischen Fragen ergeben sich aus der Bildung der großen Allianzen?

Paschke: Für die Allianzen gilt derzeit eine kartellrechtliche Ausnahmebestimmung, die bis April 2020 befristet ist. Ich gehe allerdings davon aus, dass die EU-Kommission diese in Abstimmung mit dem Parlament verlängert, da die Allianzen ohne diese Ausnahme nicht rechtswirksam wären.


Interview: Claudia Behrend