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Die Reparatur- und Umbauwerften müssen weiter mit den knappen Budgets von Reedern und Banken leben. Die Situation bessert sich, doch die Auswir­kungen der Krise bleiben spürbar, etwa beim schlechten Zustand vieler Schiffe, schreibt Felix Selzer

Hatte es vor einem Jahr nach unerfüllten Hoffnungen auf Nachrüstungen von Ballastwasseranlagen, Scrubbern und LNG-Antrieben noch sehr Trist ausgesehen[ds_preview] am Reparatur- und Umbaumarkt, bessert sich die Lage nun offenbar. »Erstaunlicherweise sind die Werften seit Ende 2017 bis heute sehr, sehr gut gebucht«, erklärt Christian Schneider, Geschäftsführer der Werftvertretung Zoepffel & Schneider im Gespräch mit der HANSA. Einige Werften hätten teilweise bis in den September Aufträge, bei anderen stehe nun ein großes Sommerloch, abhängig von geographischer Lage, Preisgefüge oder Ladungsströmen. Christof Gross, Geschäftsführer der Germania Shipyard Agency, berichtet: »Durch die wieder ansteigenden Investitionen in den Ankauf von Secondhand Tonnage von Kapitalinvestoren kamen zusätzliche Werftaufenthalte außerhalb der normalen Klasseläufe hinzu.« Bereits im zweiten Quartal sei hier aber wegen der Verunsicherung der Märkte durch den aufkommenden weltweiten Handelskonflikt und höhere Brennstoffpreise ein Rückgang zu verzeichnen gewesen.

Doch auch wenn die Docks gut gefüllt seien, könne man nicht sagen, dass die Reedereien freiwillig mehr Geld ausgäben oder höhere Budgets hätten. »Es wird nach wie vor nur das Nötigste gemacht, weil die finanzielle Lage nach all den Jahren der Krise noch sehr angespannt ist«, so Schneider. Er fügt hinzu: »Entgegen dem Verhalten deutscher Reedereien, haben viele ausländische Reedereien und Schiffsmanager 2015 weder Dockungen vorgezogen noch das IOPP-Zertifikat entkoppelt, um der Nachrüstung von Ballastwasserbehandlungsanlagen vorerst zu entgehen.« Stattdessen gingen diese ausländischen Kunden nun mit ihren Schiffen in die Werften und rüsteten auch Ballastwasseranlagen (BWMS) nach.

Die Werften bekommen für BWMS aber meist nur kleine Jobs, etwa für Rohre und Fundamente, was nur geringe Einnahmen bedeute, weiß Birk Fleischer, Geschäftsführer von CET. »Es werden viele arbeiten bereits auf See durch mitfahrende Techniker erledigt, sodass die Werften nur noch kleinere Arbeiten machen müssen«, berichtet auch Schneider. »Im deutschen Markt sehen wir bisher keine allzu großen Effekte. Aber natürlich beschäftigen sich alle mit dem unausweichlichen Thema und analysieren den Markt.« Bei den deutschen Kunden würden BWMS »nur im allerletzten Notfall eingebaut«, es gebe Charteragreements ohne Amerikafahrt, um den Einbau zu verzögern, fügt Fleischer hinzu. Viele seien derzeit in einer Art Warteposition, heißt es auch beim Broker Peter Gast Shipping (PGS). Laut Gross sind die meisten Reeder inzwischen mit Ausnahmegenehmigungen für BWMS gut ausgestattet, sodass ein erheblicher Teil der Schiffe vor dem Ende ihres Lebenszyklus nicht mehr mit solchen Systemen ausgestattet werden müsste.

Ähnlich sieht es beim Thema Scrubber zur Abgasentschwefelung aus. »Aufgrund der hohen Investmentsumme und mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten sind im deutschen Markt noch nicht wirklich viele Abgaswäscher nachgerüstet worden. Momentan weiß auch noch niemand, wie sich die Situation 2020 darstellen wird – welche Treibstoffe tatsächlich zu welchem Preis verfügbar sind und wir groß die Ersparnis wäre, wenn man einen Scrubber an Bord hätte«, beschreibt Schneider. Nicht vergessen dürfe man das zunehmende Durchschnittsalter der deutschen Flotte. Für viele Schiffe, die bereits insolvent oder zumindest finanziell stark geschwächt seien, würden die für BWMS und Scrubber nötigen Investitionen sicherlich den Weg zur Verschrottung bedeuten. Laut Gross machen aber Charterer verstärkt Druck, gerade große Schiffe mit Scrubbern auszurüsten. Weil es nur wenige erfahrene Hersteller gebe, könnten Kapazitäten und Lieferzeiten noch zum Problem werden.

Was Nachrüstungen auf den LNG-Betrieb angehe, passiere abgesehen von wenigen Projekten nicht viel am Markt, berichten die Experten übereinstimmend. Die Entscheidung für LNG statt Scrubber sei insbesondere für Neubauten ein heißes Thema.

Schiffe in schlechterem Zustand

Was den Werften zu schaffen macht, ist die Nutzung der Extended Dry Docking Schemes (EDD) der Klassifikationsgesellschaften. Reedereien sollten so ursprünglich mehr Flexibilität bei der Werftwahl haben, weil die Dockung nur noch alle 7,5 statt alle fünf Jahre verlangt wird.

»Die ersten Schiffe mit EDD kommen jetzt in schlechtem Zustand in die Docks, die Reeder haben aber trotzdem kein Geld oder Banken stellen nichts zur Verfügung um die längere Fahrzeit auszugleichen. Das Resultat: schlechtere Schiffe mit mickrigen Budgets«, sagt Birk Fleischer. Erst kürzlich hatte die britische Reparaturwerftengruppe Newport Shipping wegen der immer noch prekären Lage vieler Kunden ein Finanzierungsprogramm ins Leben gerufen. Reedereien sollen so über einen Zeitraum von zwölf Monaten die Zahlung von bis zu 60% der Dockungskosten verteilen können.

Ähnliches berichtet Schneider. Man könne sehen, dass viele Schiffe über die Jahre kaum bis gar keine Wartung erfahren hätten und die Klassifikationsgesellschaften aufgrund des schlechten Zustands nun viele Arbeiten verlangten. »Da muss man dann versuchen, eine Lösung zu finden, weil die Reparaturen ja am Ende auch bezahlt werden müssen. Das Geld für unerwartete Extra-Arbeiten ist oft nicht da.« Die Werften seien nicht glücklich, wenn der arbeitsumfang explodiere oder man sich Sorgen über die Bezahlung machen müsse.

Weil viele Werften während der Krise ihre Manpower reduziert haben, bringen zusätzliche Arbeiten unter Umständen die gesamte Werftplanung durcheinander, sodass es zu Verzögerungen bei den Folgeschiffen kommt.

Interessant wird es dann im kommenden Jahr. Viele Schiffe sind schon zu Beginn der Krise auf das 7,5-Jahre-Intervall gewechselt, deshalb kommen sie gerade ab 2019 wieder in das unvermeidliche Dockfenster. »Die ­Große Frage, die sich uns und den Werften stellt, ist, ob diese Dockungen überhaupt noch durchgeführt werden und falls ja, von wem. Wir erwarten, dass die Banken versuchen werden, weitere Investments zu vermeiden und die Schiffe kurz vor der Dockung veräußern«, sagt Schneider. Das würde bedeuten, dass die deutsche Flotte weiterhin schrumpfe, aber für die Werften sei das eher irrelevant, weil die Schiffe vermutlich nicht verschrottet, sondern ganz regulär gedockt würden – nur unter der Regie des neuen Eigners.

Renommierte halten sich

Laut den Experten von Peter Gast Shipping (PGS) bevorzugen Reedereien und Banken weiterhin Regionen mit günstigerem Preisgefüge wie China, die Türkei oder das Schwarze Meer. Teurere Regionen wie die USA oder die Karibik würden wenn möglich vermieden. Durch die zuletzt höheren Bunkerpreise werde eine Deviation aus diesen Regionen allerdings momentan wieder unattraktiver.

»Während in China die Auslastung der Reparaturwerften im ersten Halbjahr 2018 etwa 10% unter dem Niveau von 2017 liegt, sind andere Werften meist aufgrund ihres Standortes bereits bis in den September ausgelastet«, sagt Christof Gross von Germania. Aufgrund der vielen anstehenden Regularien könnten gegen Ende 2018 und für 2019 gerade für große Schiffe die Dockplätze knapp werden.

Die gute Buchungssituation in Europa mit Aufwärtstrend führt Birk Fleischer unter anderem auf die guten Raten im Feeder-Geschäft zurück. Gedockt würden vor allem Feeder-Schiffe und ganz große Frachter, im mittleren Segment gebe es aber wenig Geld.

So beobachtete man auch bei Zoepffel & Schneider eine gute Auslastung der Werften, egal ob in Europa, in Asien oder in der Karibik. Der Konkurrenzdruck ist hoch, die meisten können sich aber offenbar halten. »Wir können nicht sehen, dass die Konsolidierungen bislang zum großen Abbau von Reparaturkapazitäten geführt haben. Es gibt sicherlich viele Neubauwerften, die geschlossen wurden oder sich kurzfristig in der Reparatur versuchen. Aber von den renommierten, traditionellen Reparaturwerften, die lange am Markt sind, ist bislang noch keine zugemacht worden«, sagt Christian Schneider.

Birk Fleischer zufolge werden Ausfälle von Reparaturwerften infolge von Pleiten zudem durch Neubauwerften aufgefangen, die ihre Kapazitäten im Repair-Markt anbieten. Eine Konsolidierung finde daher kaum statt. Wegen des hohen Kostendrucks sei es schwer, erhöhte Margen durchzusetzen, nur die renommiertesten Werften könnten das.

Preiskampf geht weiter

In der Türkei hatte es in den Jahren zuvor eine regelrechte Rabattschlacht gegeben, bis wieder Versuche unternommen wurden, die Margen nach oben zu bringen. Allerdings sei der Preiskampf noch immer in vollem Gange, so Fleischer. Es seien größere Docks in der Türkei und in China verfügbar, die bräuchten mehr Tonnage, um die Betriebskosten zu decken.

Die politische Situation in der Türkei sei nur für wenige Reeder relevant bei der Entscheidung für oder gegen eine Werft. Bulgarien sei zwar eine Alternative innerhalb der EU – das erleichtert beispielsweise Ersatzteillieferungen – biete aber wenig Kapazität.

Christian Schneider berichtet, dass es gerade in der Türkei kein stabiles Preisniveau gibt. »In den vergangenen Wochen waren die türkischen Werften komplett überfüllt, haben reihenweise Schiffe abgelehnt, verspätet zurückgeliefert und auch keine großen Rabatte gegeben. Momentan leeren die Werften sich wieder und der türkische Basar ist im wahrsten Sinne des Wortes eröffnet.«

Obwohl der Preiskampf zwischen den Werften nach wie vor sehr groß ist, beobachtet man bei Peter Gast Shipping, dass Kunden am deutschen Markt doch wieder vermehrt auf die Qualität und den Ruf der Werften achten, speziell bei anspruchsvolleren Projekten. Das führt man darauf zurück, dass sich im Container-Feeder-Segment und im Bulker-Bereich die Märkte bereits konsolidiert haben. »Die Performance der Schiffe muss durch die Reedereien gewährleistet sein. Dies führt dazu, dass hier verstärkt Werften mit guter Qualität und Termintreue ausgewählt werde«, so die PGS-Broker.

Ein Trend, den Birk Fleischer von CET beobachtet, ist die »Gläserne Dockung«. Hierbei würden alle Kosten, auch die kleinsten, erfasst und an Investoren transparent gemeldet – am besten jeden Tag. »Da Banken und Investoren aber wenig Fachwissen haben, ergeben sich schlussendlich sinnlose Aufwände, da die Entscheider mit den Daten wenig anfangen können«, sagt Fleischer. Der Vergleich von Dockungen nur auf Basis von Zahlen (wie lange, wie teuer) ohne technische und organisatorische Hintergründe sei schwierig. Vielmehr sollte ein sinnvoller Vergleich erzeugt werden. »Die von den Banken beauftragten Gutachter agieren im Markt nach ›Gutsherrenart‹ da an ihren Meinungen die Banken das Geld festmachen. Das erschwert die praktische Arbeit enorm«, so Fleischer. Die Banken sollten stattdessen in-house Wissen aufbauen.

Ausblick: vorsichtig positiv

»Soweit wir das von den Werften hören, lässt die Anfrage- und Buchungswelle derzeit nicht nach. Vom deutschen Markt sind dieses Jahr eher weniger Dockungen geplant, aber das war abzusehen, weil die meisten Schiffe 2015 gedockt oder auf EDD umgestellt haben«, so Schneider. Genau deshalb erwartet er aus dem deutschen Markt 2019 viele Dockungen und noch mehr 2020 – vorausgesetzt, die Banken tätigen diese Investments noch und stoßen die Schiffe nicht vor der Dockung ab. Der aktuelle Chartermarkt sorge für steigende Schiffswerte, die eine Veräußerung für die ohnehin angeschlagenen Banken interessant machen.

Bei PGS schaut man auch auf die Anzahl der Neubauten, die vor fünf, zehn und 15 Jahren an deutsche Reedereien abgeliefert wurden und die in den kommenden Jahren ins Dock müssen.

Birk Fleischer vermutet, dass das Niveau insgesamt niedrig bleiben wird. »Deutschland ist als Kunde der Werften weit nach hinten gefallen und verliert weiter – wenig Umsatz, schlechte Zahlungsmoral, hohe Rabatte – welche Werft will das schon, wenn man auch anderes bekommen kann«, fragt der CET-Chef. Reeder aus Griechenland, Singapur, Hong Kong oder Zypern seien jetzt mit deutlich mehr Reparaturvolumen und Geld im Markt und würden daher von Werften bevorzugt. Dennoch sieht er nicht nur Schatten: »Der Lichtstreif ist am Horizont, aber bis der Morgen kommt, holen die Wölfe noch einige Schafe.«


Felix Selzer