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Am britischen Marktplatz streichen die ersten Seeversicherer die Segel, berichtet Michael Hollmann

Nach schweren Millionenverlusten in der Seekasko- und Transportsparte im vergangenen Jahr schrumpfen bei der Versicherungsbörse Lloyd’s of London die Kapazitäten[ds_preview] für das Geschäftsfeld nun zusammen. In den vergangenen Wochen zogen die ersten Syndikate, die sich auf Schiffs- und Warenversicherungen spezialisieren, die Reißleine.

Den Anfang machte Ende Juni der US-Versicherer Amtrust, der sich bislang mit zwei Syndikaten (1206 und 1861) in der See- und Energieversicherung engagierte. Im Rahmen einer strategischen Neuausrichtung werde die Versicherung von Warentransport-, Seekasko- und Transporthaftpflichtrisiken per sofort eingestellt, bestätigte der Konzern.

Das Syndikat 1206, bei dem die größten Seekaskorisiken gebündelt waren, schrieb britischen Medienberichten zufolge im vergangenen Jahr einen Verlust von 64,7 Mio. , was einer kombinierten Schaden-Kosten-Quote von über 143% entspricht. Das Syndikat 1861 – führend bei Transporthaftpflichtrisiken – lieferte einen Verlust von 29,2 Mio. ab (kombinierte Schaden-Kosten-Quote: 116,7%).

Noch schwerer als das Minus in der Transportversicherung wogen dabei jeweils die Verluste in der übrigen Feuer- und Sachversicherung infolge der schweren Wirbelsturmschäden in Nordamerika. Der Rückzieher von Amtrust kostet unter anderem den Vorsitzenden des Joint Hull Committee (JHC) bei Lloyd’s, Peter Townsend, den Job. Der Brite, der auf eine lange Karriere in der Seeversicherung zurückblicken kann mit führenden Positionen bei den Brokern Marsh und Aon sowie bei der Swiss Re, leitete seit Ende 2015 das Marine Underwriting bei Amtrust 1206.

Die vereinnahmten Bruttoprämien der Amtrust-Syndikate für Marine, Aviation und Transport beliefen sich 2017 zusammengenommen auf über 90 Mio. .

Ein weiterer Player im Lloyd’s-Markt, der künftig wegfällt, ist das Advent Syndikat 780, das ebenfalls seit Jahren in den roten Zahlen steckt. 2017 betrug das Minus 46 Mio. $ bei einer Schaden-Kosten-Quote von 126%. Teile des Portefeuilles sollen mit dem von Brit Insurance zusammengelegt, der Rest abgewickelt werden. Das teilte der gemeinsame Mutterkonzern beider Versicherer, Fairfax Financial Holdings, mit.

Ein dritter Versicherer, der sein Engagement im Seebereich bei Lloyd’s Berichten zufolge zurückgefahren haben soll, ist die zur japanischen Mitsui Sumitomo-Gruppe gehörende Traditionsfirma MS Amlin.

Lloyd’s of London selbst hat Marktinsidern zufolge etliche Syndikate unter Druck gesetzt, ihre verlustbringenden Aktivitäten zurückzufahren. 20 von ihnen sollen kürzlich einen Brandbrief erhalten haben, in dem ihnen mit Schließung gedroht wird, sollten sie ihre finanzielle Schieflage nicht in den Griff bekommen. Die Seeversicherung (»Marine«: Ware, Seekasko, Transporthaftpflicht) als drittgrößte Sparte der Versicherungsbörse gehört dabei zu den größten Problemsegmenten.

Seit 2015 zeigt die Profitabilität steil nach unten. Im vergangenen Jahr vervielfachte sich der Verlust in dem Segment auf umgerechnet über 534 Mio. €. Die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote verschlechterte sich auf über 122%. Eine Marktbereinigung erschien deshalb unvermeidlich.

Nur wenn die Überkapazitäten in der weltweiten Transportversicherung abgebaut werden, hat die Branche wieder Aussicht auf Gewinne. Dazu trägt wohl indirekt auch eine Konsolidierung in der Versicherungsbranche außerhalb des Lloyd’s-Marktes bei. So hat der französische Versicherungskonzern Axa für über 15 Mrd. $ den Wettbewerber XL Catlin übernommen und schafft damit einen neuen Weltmarktführer für die Versicherung von Schifffahrts- und Spezialrisiken unter der Marke XL Insurance.
Michael Hollmann