Print Friendly, PDF & Email

In maritimen Streitigkeiten tauchen immer wieder Probleme auf, die ohne weiteres vermeidbar wären. Ein Erfahrungsbericht aus Sicht der German Maritime Arbitration Association (GMAA) über rechtliche Stolperfallen bei Schiffbau- und Reparaturverträgen

»Contract Management«

Manche Vertragsmuster sind »juristisch perfekt«, wie der NEWBUILDCON der BIMCO, der z.B. in Klausel 24 detaillierte[ds_preview] Regelungen für »modifications and changes« enthält. In der Praxis werden die entsprechenden Formalien aber oft vernachlässigt. Das gilt insbesondere für die Endphasen von Projekten, wenn sich Zeitdruck mit Nachbesserungs- oder Änderungswünschen der Kunden kreuzt.

Empfehlung: Mindestens eine Person muss primär dafür zuständig sein, Formalien und Fristen zu erfassen und die Einhaltung zu kontrollieren.

Beweislast bei Kooperation

Bei Reparaturen an Bord arbeiten oft Dienstleister und Schiffsbesatzungen zusammen. Wenn etwas schiefgeht, zeigt typischerweise die eine Seite auf die andere. Hätte der Reeder die Arbeiten nur durch die externen Dienstleister ausführen lassen, wäre die Haftungsfrage schnell geklärt. War jedoch die Crew »möglicherweise« schadensursächlich beteiligt, kann dem Reeder der Beweis der Verursachung durch den Dienstleister schwerfallen.

Empfehlung: Klare vertragliche Regelung, z.B. dass Crew Erfüllungsgehilfe des externen Dienstleisters ist, (wie in Stevedore-Klauseln in Charterparties). Arbeiten präzise erfassen und gegenzeichnen lassen.

AGB-Falle

Die Paragraphen 305-310 BGB enthalten Bestimmungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Laut dem Bundesgerichtshof gelten sie auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr faktisch uneingeschränkt. Das führt regelmäßig zur Unwirksamkeit von Bestimmungen, die beide Parteien wirksam vereinbaren wollten. Die GMAA hat im Rahmen eines Experten Workshops die Frage erörtert, ob man die Paragrahen §§ 305 ff. vertraglich ausschließen kann. Staatliche Gerichte werden das ablehnen. Viele Vertreter der Schiedsgerichtsbarkeit halten es in Kombination mit einer Schiedsklausel dagegen für zulässig. Ein Schiedsgericht darf nämlich nach »Billigkeit« entscheiden, wenn die Parteien es ausdrücklich dazu ermächtigt haben. Ein Schiedsgericht, das somit ohne strikte Gesetzesbindung entscheiden darf, kann auch ermächtigt werden, Gesetze nur teilweise anzuwenden.

Beispiel: GMAA, German law, §§ 305-310 BGB excluded.

»Fit for purpose« schlägt Spezifikation

Der englische Supreme Court befasste sich jüngst mit Gewährleistungshaftung im Fall »MT Højgaard A/S (MTH) v E.ON Climate & Renewables UK Robin Rigg East Limited and another«. MTH hatte Fundamente für Windräder »fit for purpose« zu bauen und zu installieren. Wegen eines unbekannten Fehlers in der vom Kunden vorgegebenen Spezifikation waren die Fundamente fehlerhaft. Der Supreme Court verurteilte MTH dennoch zur Übernahme der Reparaturkosten. Die Verpflichtung MTHs, die Fundamente »fit for purpose« zu erstellen, sei eine übergeordnete Pflicht (»absolute warranty«). MTH könne sich daher nicht durch Hinweis auf fehlerhafte Spezifikationen entlasten.

Anmerkung: Im (Offshore-)Baubereich sind derartige »absolute warranties« üblich. Bei einem Schiffbauvertrag nach englischem Recht kann auch Kaufrecht Anwendung finden mit der Folge, dass eine »implied warranty« gelten kann, dass das Schiff den vertraglich vereinbarten Zweck erfüllt.

»Liability for consequential loss is excluded«

Wofür ist die Haftung ausgeschlossen? Haftungsausschlussklauseln dieser Art finden sich regelmäßig in englischen Verträgen. Aber welche Schäden sind gemeint? Im englischen Recht ist grundsätzlich nur der Schaden zu ersetzen, dessen Eintritt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von den Vertragsparteien vorhersehbar war. Schadensarten werden in zwei sog. »limbs« (Glieder) aufgeteilt. Das erste »limb« beschreibt unmittelbare Schäden, die im gewöhnlichen Verlauf der Dinge als natürliche Folge einer Vertragsverletzung entstehen. Vorhersehbarkeit des Schadenseintrittes wird dabei unterstellt (»direct losses«). Dem zweiten »limb« unterfallen Schäden, die keine natürliche Folge sind, sondern auf besonderen Umständen beruhen (»consequential losses«). Sie sind nur dann zu ersetzen, wenn diese besonderen Umstände auch der verantwortlichen Partei im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt und damit als mögliche Schadensfolge vorhersehbar waren. Entgangener Gewinn, der oft als ein »consequential loss« angesehen wird, kann also durchaus ein direkter Schaden sein.

Empfehlung: Auszuschließende Schadensgruppen konkret benennen.

Rechtswahl und Standardverträge

Worauf zu achten ist: Standardverträge wie beispielsweise von der Bimco stammen überwiegend aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis. Die Bedeutung der Terms deckt sich nicht immer mit dem Verständnis zum Beispiel eines deutschen Verwenders.

Anmerkung: Unterliegt ein englisches Vertragsformular deutschem Recht, ist Ausgangspunkt die Bedeutung der Begriffe nach englischen Recht unter Berücksichtigung des Parteiwillens. Es gibt zahlreiche Rechtsbegriffe, die sich in ihrer englischen Bedeutung durchgesetzt haben. Es gibt aber auch andere, bei denen das nicht der Fall ist. Zum Beispiel »negligence«, das im Englischen ein eigenständiger Deliktstatbestand ist, aber auch als Gegenstück zur deutschen »Fahrlässigkeit« gemeint sein kann. »Deadfreight« als Leerfracht ist nicht Fautfracht. Und unbestimmte Rechtsbegriffe, wie »reasonable« oder »to the best endeavour«, finden im deutschen Recht keine direkte Entsprechung.

Widersprüchliche AGB

»Last shot« oder Angleichung? Die Verwendung von AGB bei grenzüberschreitenden Verträgen kann Schwierigkeiten verursachen. Beispiel: Eine deutsche Reederei kauft von einem englischen Zulieferer. Die Reederei verwendet deutschrechtliche Einkaufsbedingungen, der Zulieferer englische Verkaufsbedingungen. Wessen AGB gelten? Nach deutscher Rechtsprechung gilt das Kongruenzprinzip. Es gilt nur das, was übereinstimmt. Nach englischem Recht gelten die AGB der Partei, die zuletzt ihre AGB der anderen Partei übermittelt, bevor der Vertrag durchgeführt wird (»last shot«-Doktrin).

Anmerkung: Um Widersprüche zu vermeiden, sollten zumindest das anwendbare Recht und der Gerichtsstand einheitlich vereinbart werden. Eine entsprechende individuelle vertragliche Regelung geht den AGB vor.
Esther Mallach, Arnecke Sibeth Dabelstein, Jan Wölper