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Trotz deutlichen Hinweisen auf ein sich anbahnendes Tonnage-Überangebot seit Juli 2017 haben die wichtigsten Linienreedereien kaum gegengesteuert. Die Folgen – rote Zahlen in den Halbjahres-Bilanzen und ein steigender Druck auf Trampreeder. Von Krischan Förster

Die Entwicklung hat bereits vor Jahresfrist begonnen. Statt rechtzeitig Dienste auszudünnen oder auszusetzen, zum Beispiel während der üblichen Winterflaute, wurde[ds_preview] das weltweite Lininennetz eher ausgebaut. Dazu kam, vor allem in diesem Jahr, mit weitere Ablieferungen von Großcontainerschiffen zusätzliche Kapazität ins wichtige Fahrtgebiet zwischen Europa und Fernost.

Der folgende Kaskadeneffekt und eine beträchtliche Anzahl von kleineren Neubauten sorgten aber auch für eine Zunahme des verfügbaren Laderaums auf den Routen zwischen Asien und Südamerika, in den Mittleren Osten oder ins Rote Meer.

Der Tonnage-Überhang hat naturgemäß den Druck auf die Frachtraten erhöht, dazu kam ein erheblicher Anstieg der Bunkerpreise, der diese Kostenposition bei den Reedereien im Jahresvergleich um 25%–30% erhöht hat. Angesichts des Wettbewerbs der Tonnage-Anbieter konnten die Mehrkosten nicht oder nur teilweise an die Kunden weitergereicht werden. Die Folge: Alle Carrier, die bislang ihre Ergebnisse für das 2. Quartal vorgelegt haben, haben mit Ausnahme von Wan Hai Verluste verbucht.

Hapag und Maersk im Minus

Die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd hat trotz beträchtlichen Steigerungen beim Umsatz (+20%, 5,4 Mrd. €) und Transportvolumen (+39%, 5,85 Mio. TEU) nach der Übernahme von UASC Verluste in Höhe von -101 Mio. € im 1. Halbjahr aufgefahren. Der Betrag ist fast doppelt so hoch wie im Vorjahr. Das operative Ergebnis (EBIT) blieb dagegen mit 88,7 Mio. € nahezu gleich. Hapag-Lloyd hatte bereits im Juni eine Gewinnwarnung veröffentlicht und damit die Ziele nach unten revidiert.

Hapag-Lloyd nannte zwei wesentliche Gründe: Während auf der Kostenseite Charterraten und Treibstoffpreise deutlich gestiegen seien, hätten sich die Frachtraten langsamer als erwartet erholt. Durchschnittlich seien 1.020 $/TEU erzielt worden gegenüber 1.065 $/TEU vor Jahresfrist. Hingegen seien die Bunkerpreise von durchschnittlich 312 $/t im 1. Halbjahr des Vorjahres um 23% auf 385 $/t gestiegen.

Etwas andere Zahlen, aber gleiche Tendenz: Auch Branchenführer Maersk konnte das Geschäft ausbauen, ohne damit Gewinne einfahren zu können. Nach den ersten sechs Monaten des Jahres wird ein Konzern-Verlust von -305 Mio. $ gegenüber -114 Mio. $ im Vorjahreszeitraum ausgewiesen.

Der Umsatz im Segment »Ocean«, in dem alle Aktivitäten von Maersk Line, Safmarine, MCC, Seago Line und Sealand sowie der Terminalbetreiber APM Terminals zusammengefasst sind, stieg von April bis Juni um 25% von 5,5 Mrd. $ auf knapp 7 Mrd. $, vor allem bedingt durch die Übernahme von Hamburg Süd.

Maersk allein erreichte nur auf ein Plus von 0,6%. Das Transportvolumen nahm um 26% zu, ohne Hamburg Süd lag der Anstieg bei 4,3%. Der Vorsteuergewinn (EBITDA) sank von 876 Mio. $ auf 674 Mio. $. Die CAPEX-Kosten gingen von -752 Mio. $ auf -549 Mio. $ zurück. Dem stehen 140 Mio. $ an Synergieeffekten nach der Übernahme von Hamburg Süd gegenüber.

Angesichts der gestiegenen Bunkerkosten (+28%), Einbußen bei den Frachtraten (-1,2%) und den Unsicherheiten im Zusammenhang mit Handelsbarrieren war die EBITDA-Erwartung auf 3,5 bis 4,2 Mrd. $ nach unten korrigiert worden. Da bessere Frachtraten erwartet würden, sei bis Ende des Jahres mit einer Verbesserung zu rechnen.

Startprobleme mit ONE

Zuletzt hatten auch andere Linienreedereien wie K Line, NYK und MOL Verluste gemeldet. Die drei japanischen Carrier waren nach eigenen Angaben zusätzlich von unerwartet hohen Anfangskosten und -problemen beim Start ihres Containerbündnisses ONE betroffen.

K Line vermeldet für die ersten drei Monate des neuen Geschäftsjahres (April–Juni) einen Verlust von -19,3 Mrd. ¥ (-174,3 Mio. $). Mitsui OSK Lines (MOL) schnitt im Vergleich besser ab. Hier lag der Verlust bei -1,68 Mrd. ¥ (-15,2 Mio. $) gegenüber einem Gewinn von 5,2 Mrd. ¥ vor Jahresfrist. Beim dritten Partner NYK lag der operative Verlust bei -10,9 Mrd. ¥ gegenüber +3,5 Mrd. ¥ im Vorjahreszeitraum. Die Schiffe des im April gestarteten Linienbündnisses hätten weit weniger Ladung transportiert als erwartet worden war, heißt es.

HMM bleibt angeschlagen

Nicht viel besser erging es der südkoreanischen Linienreederei HMM. Der Verlust nach dem 1. Halbjahr lag bei 371 Mio. $. Allein das 2. Quartal brachte ein Minus von 215 Mio. $. Und auch hier das gleiche Bild: Während das Transportvolumen allein im 2. Quartal um 17% auf 1,15 Mio. TEU gestiegen ist, drückten niedrigere Frachtraten den Umsatz um 8% auf 2,1 Mrd. $. Den Anstieg der Bunkerkosten beziffert HMM mit durchschnittlich 27%.

Nächste Neubauwelle rollt an

Der Branchendienst Alphaliner prognostiziert für dieses Jahr ein Flottenwachstum von 5,9% bei einem deutlich geringeren Nachfrageplus von lediglich 4,6%. Im ersten Halbjahr 2018 war die aktive Containerflotte sogar überproportional um 9,3% vergrößert worden. Zwischen Januar und Juni wurden zudem 95 Einheiten mit insgesamt 911.450 TEU geordert.

Vor allem asiatische Reedereien bauen ihre Flotten weiter aus. HMM hat für 2,5 Mrd. $ insgesamt 12 Containerschiffe à 23.000 TEU und 8 Frachter à 14.000 TEU bestellt, die ab 2020 abgeliefert werden.

Yang Ming, nach den ersten 6 Monaten mit einem Rückgang von -10% bei den Frachtraten und einem Verlust von -195,1 Mio. $ belastet, hat zehn Containerschiffen à 2.800 TEU bestellt, dazu zwei Optionen. Die Flotte werde im 4. Quartal mit fünf 14.000 TEU-Containerschiffen aufgerüstet, heißt es. In den Jahren 2020 und 2021 werden zehn 12.000 TEU-Schiffe abgeliefert.

Bei Yang Ming heißt das dann »Flottenoptimierung«, erklärtes und erhofftes Ziel sind eine Steigerung der Effizienz, signifikante Energieeinsparungen und niedrigere Stückkosten. Das scheint auch Wettbewerber zu überzeugen.

Unagefochtener Spitzenreiter in der Neubau-Statistik des Branchendienstes Alphaliner ist Evergreen, ebenfalls Taiwan. Im Orderbuch stehen sage und schreibe 74 Schiffe von 1.800 TEU bis 20.000 TEU. Das summiert sich zu einer Gesamtkapazität von 502.000 TEUund entspricht fast der Hälfte (43,8%) der heute fahrenden Flotte mit 1,11 Mio. TEU.

Zuletzt hat Evergreen Bedarf an insgesamt 38 kleineren Containerschiffen angemeldet und damit früher genannte Zahlen mal eben verdoppelt. Die taiwanesische Reederei will allerdings nicht selbst bauen lassen, sondern von Dritten chartern. Konkret geht es um 14 Einheiten mit je 2.500 TEU und 24 Frachter mit je 1.800 TEU (Bangkokmax). Den Investoren/Schiffseignern winken im Gegenzug langfristige Charterverträge, berichtet Alphaliner. Die Ablieferung der ersten Schiffe dürfte ab 2020 erfolgen.

Bereits Anfang des Jahres hatte Evergreen acht Großcontainerschiffe zu je 11.000 TEU bei Samsung Heavy Industries (SHI) in Korea bestellt. Weitere 12 Frachter gleicher Größe sollen von Imabari in Japan gebaut und von Shoei Kisen Kaisha eingechartert werden. Dazu kommen 11 VLCV mit je 20.000 TEU, die ebenfalls von Imabari gebaut werden.

Als zweite und kleinere Reederei in Taiwan hat auch Yang Ming das Auftragsbuch weiter gefüllt und zuletzt die Bestellung von 10 Neubauten mit je 2.800 TEU bei CSBC bestätigt. Sie gesellen sich zu 5 Einheiten mit 14.000 TEU und 10 Schiffen mit je 12.000 TEU im Orderbuch.

Schon Monate zuvor hatten Maersk, CMA CGM und MSC weitere Neubauten auf ihre Einkaufsliste genommen. Einzige Ausnahme unter den Top Carriern ist Hapag-Lloyd, nach der abgelieferten 10.000er-Serie ist das Orderbuch leer. Global wird dagegen weiter investiert. Laut Alphaliner umfasst das Orderbuch zum 1. Juli weltweit eine Kapazität von rund 2,8 Mio. TEU, die 12,9% der aktuellen Flotte (5.260 Schiffe, knapp 22 Mio. TEU) entspricht. Damit steigen der Druck auf die Trampreeder und die Zahl der Auflieger.

Auch die jüngsten Bemühungen, durch eine Anpassung der Liniendienste die Überkapazitäten einzudämmen, haben wenig gefruchtet. Außerdem drohen durch Zölle oder Sanktionen »geopolitische Unwägbarkeiten«, die die Containerschifffahrt zusätzlich treffen könnten.

Ende Juli umfasste die Aufliegerflotte laut Alphaliner 335.200 TEU bei 146 Einheiten, ein Anteil von 1,5% an der Gesamtflotte. Am härtesten waren kleinere Schiffsgrößen unter 5.100 TEU betroffen. Bis Jahresende gehen Analysten von einer Verdopplung der beschäftigungslosen Kapazität auf 750.000 TEU aus. Zum Vergleich: Im Februar waren es 65 Schiffe mit 191.441 TEU, ein Anteil an der Gesamtflotte von lediglich 0,9 %.
Krischan Förster