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Die anhaltende Schwäche der türkischen Wirtschaft und die damit verbundene Abwertung der Lira machen die Importe des Landes teuer. Dazu kommt der Streit mit US-Präsident Donald Trump. Was folgt daraus für die Schifffahrt?

Seit Beginn des zweiten Quartals hat die Lira gegenüber de[ds_preview]m US-Dollar um mehr als 50 % an Wert verloren, darüber hinaus steht das Land vor einem Handelskonflickt mit den USA. Laut einer Markteinschätzung des Branchendienstes Drewry Maritime Research sind die Auswirkungen auf den Seehandel nach Sektoren sehr verschieden.

Im Bereich Dry Bulk ist die Türkei auf den Märkten für Stahlerzeugnisse, Petrolkoks, Zement, Klinker, Getreide, Eisenerz und Schrott tätig. Auf Stahlerzeugnisse hat die US-Regierung kürzlich den Einfuhrzoll auf türkische Importe auf 50% verdoppelt. »Wir glauben jedoch, dass ein Schaden durch Zölle nur kurzfristig entstehen wird, denn trotz den höheren Einfuhrzöllen auf türkische Stahlerzeugnisse werden die hohen Stahlpreise in den USA und die Abwertung in Lira dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der türkischen Exporte zu erhalten und damit den deutlichen Rückgang dieses Handels zu begrenzen«, erklärt Rahul Sharan, Drewrys Lead Research Analyst, Dry Bulk.

Obwohl die USA eines der Hauptziele für türkische Stahlexporte sind (11% der gesamten türkischen Stahlexporte von 14,6 Mio. t im Jahr 2017), dürfte die Türkei laut Sharan alternative Abnehmer in Europa, dem Nahen Osten und Afrika finden. Darüber hinaus sei es unwahrscheinlich, dass eine leichte Veränderung im Handelsmuster des Landes zu einer deutlichen Veränderung der Tonnen-Meilen-Nachfrage führen werde.

Die Stahlproduktion der Türkei hängt von der Einfuhr von Eisenerz und Schrott ab. 2017 importierte das Land davon zusammen 31,6 Mio. t. Obwohl die Kosten der Stahlproduktion mit der Abwertung der Lira steigen werden, dürften die Auswirkungen auf die Eisenerzimporte den Analysten zufolge gering sein, da die Schwäche der Währung auch den Export von Stahlerzeugnissen auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig machen wird.

Kohleimporte

Ebenso wenig werde die jüngste Einführung eines Vergeltungszolls durch die Türkei auf US-Kohle den globalen Kohlehandel beeinträchtigen, da die Türkei nur 6% ihrer gesamten Kohleeinfuhren aus den USA importiere, so Drewry. Darüber hinaus könne die Türkei die US-Kohle leicht durch Kohle aus Kanada und Australien ersetzen, ohne die Nachfrage nach Tonnenmeilen zu beeinträchtigen.

Eine abwertende Lira wird laut Sharan jedoch die Importe von Kraftwerkskohle in die Türkei verteuern. Die Türkei deckt etwa ein Drittel ihres Strombedarfs aus Kohle, und mehr als 90% der heimischen Kohlevorräte sind heizwertarm (<3.000 kcal/kg). Sie ist daher von den Importen hochkalorischer Kohle abhängig, was sich unabhängig von den Einfuhrpreisen kurzfristig nicht ändern dürfte. Sollte die Lira also über einen längeren Zeitraum schwach bleiben, wird sie sich schließlich negativ auf die Energie- und Kohlenachfrage auswirken.

Neben den genannten Waren ist die Türkei auch im Handel mit Getreide und Petrolkoks tätig. Türkische Mühlen exportieren beispielsweise Weizenmehl in Länder wie Irak, Syrien und Angola. Petcoke wird auch in der Zementindustrie verwendet, da die Türkei nach Thailand und China sogar der drittgrößte Exporteur von Zement und Klinkern ist. In diesem Zusammenhang wird die Abwertung der Lira dazu beitragen, ihre Ausfuhren von Endprodukten wettbewerbsfähig zu halten.

LNG, LPG, Regasifizierung

Auf der Seite der flüssigen Güter blickt Drewry hauptsächlich auf LPG und LNG. Kurzfristig dürfte demnach auch der türkische Flüssiggashandel nicht von der anhaltenden Wirtschaftskrise im Land betroffen sein, da Flüssiggas im Autogassektor des Landes von großer Bedeutung ist. Wenn die Wirtschaftskrise jedoch über einen längeren Zeitraum andauert, wird sie letztendlich die Autogasnachfrage des Landes dämpfen. »Auf die Türkei entfallen 3-4% des weltweiten LPG-Handels, so dass die Gesamtauswirkungen einer Verlangsamung der LPG-Einfuhren auf den Welthandel gering ausfallen werden«, heißt es.

Da Flüssiggas in der aktuellen Liste der US-Exportzölle nicht enthalten ist, dürfte der anhaltende Handelskrieg den LPG-Handel zwischen den beiden Ländern nicht beeinträchtigen. Die Türkei importierte 2017 13% ihrer gesamten LPG-Einfuhren aus den USA. »Auch wenn die jüngsten Feindseligkeiten zwischen der Türkei und den USA auf LPG übergreifen, wird die Türkei wahrscheinlich alternative Lieferanten im Nahen Osten finden. Kurz gesagt, wir gehen nicht davon aus, dass der Handelsstreit wesentliche Auswirkungen auf den globalen LPG-Handel und die Tonnennachfrage haben wird, wenn man bedenkt, dass der derzeitige LPG-Handel zwischen den USA und der Türkei gering ist«, so Sharan.

Weil die Türkei über keine inländischen Reserven verfügt, ist das Land auch von LNG-Importen abhängig. Drewry erwartet, dass die Nachfrage im Rahmen des türkischen Plans für saubere Energien weiter steigt. Die USA machen jedoch nur einen sehr geringen Anteil der türkischen Importe aus, und alternative Lieferanten wie Algerien, Nigeria und Katar wären in der Lage, die US-LNG-Exporte in die Türkei zu ersetzen, falls sie Teil des Handelskrieges würden.

Die anhaltende Währungskrise und die Spannungen mit den USA werden laut Drewry auch keine Auswirkungen auf die Pläne der Türkei zum Ausbau der Regasifizierungskapazität haben. Beim Bau der trans-anatolischen Erdgaspipeline (TANAP), die ab Anfang 2019 Gas von Aserbaidschan u.a. in die Türkei transportieren wird, gebe es keine Verzögerung. Die Türkei will den Angaben zufolge ihre Regasifizierungskapazität von 14 Mio. tpa weiter ausbauen, um eine bessere Diversifizierung bei den Importquellen zu erreichen. Zwei neue sollen bis 2020 in Betrieb gehen.