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Mindestens 12.000 Metaller an der Küste wollen zusätzliche freie Tage. Die Arbeitgeber wie Werften fürchten, dass dadurch Lücken entstehen, die personell und finanziell nicht mehr gestopft werden können.

Die Beschäftigten der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie haben laut [ds_preview]Gewerkschaft IG Metall Küste ein großes Interesse daran, statt dem tariflichen Zusatzgeld, das es im nächsten Jahr erstmals gibt, acht zusätzliche freie Tage in Anspruch zu nehmen. Nach einer ersten Befragung in den Betrieben wollen mindestens 12.000 Beschäftigte in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordwestniedersachsen und Schleswig-Holstein diese im Tarifabschluss vom Februar 2018 vereinbarte Wahlmöglichkeit nutzen.

»Arbeit darf nicht über allem stehen. Sie muss auch mit dem Leben vereinbar sein. Dafür bietet die Metall- und Elektroindustrie mit dem neuen Tarifvertrag eine gute Regelung, die bei den Beschäftigten ankommt. Das zeigen die ersten Zahlen aus den Betrieben«, sagt Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Von den Unternehmen fordert der Gewerkschafter, den Anträgen der Beschäftigten zu zustimmen. »Mit einer vorausschauenden Personalpolitik lassen sich die ausfallenden Arbeitszeiten ausgleichen. Nach dem Tarifvertrag haben die Arbeitgeber bis Ende des Jahres Zeit, um gemeinsam mit den Betriebsräten Lösungen für eine praktikable Umsetzung zu finden.«

»›Zeit statt Geld‹ kann zu Produktionsengpässen führen«

Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Nordmetall, hält dagegen: »In Betrieben mit Schichtarbeit wünschen sich aktuell viele Beschäftigte zusätzliche freie Tage statt mehr Entgelt, deswegen drohen dort nun Produktionsengpässe. Unsere in den Tarifverhandlungen geäußerten Warnungen haben sich leider bestätigt.«

Die meisten Anträge auf Umwandlung des tariflichen Zusatzgeldes in acht freie Tage kommen mit 7.700 von Schichtarbeitern, bei denen die Belastungen laut Gewerkschaft durch häufig starre Schichtsysteme besonders hoch sind. Weitere 3.100 Antragssteller wollen die neue Regelung nutzen, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben. 900 Beschäftigte wollen die freien Tage zur Pflege von Angehörigen nutzen.

Neben der Wandlung von Geld in Zeit für bestimmte Gruppen sieht der Tarifvertrag auch einen Anspruch für alle Beschäftigten vor, ihre wöchentliche Arbeitszeit befristet auf bis zu 28 Stunden reduzieren zu können. Von dieser »kurzen Vollzeit« wollen im IG Metall Bezirk Küste im nächsten Jahr rund 700 Beschäftigte Gebrauch machen. »Bei der verkürzten Vollzeit gibt es zwar keinen Ausgleich bei der Bezahlung, aber die Beschäftigten profitieren von dem im Tarifvertrag geregelten Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle«, so IG Metall-Bezirksleiter Geiken.

Industrie warnt vor Verlagerung ins Ausland

Zwar sehe der Tarifvertrag vor, dass Schichtarbeiter, Eltern und Pflegende die für 2019 vereinbarte Tariferhöhung nur dann in freie Tage umwandeln dürfen, wenn diese Fehlzeiten betriebsintern ausgeglichen werden und andere Mitarbeiter für ihre Kollegen einspringen. Doch informiere die IG Metall ihre Mitglieder oft nur unzureichend über diesen Ablehnungsgrund, so dass in den Belegschaften unnötigerweise viel Unmut und Unfrieden entstehe, so Nordmetall. »Das alles steigert nicht gerade die Akzeptanz für einen ohnehin komplizierten Flächentarifvertrag«, sagt Fickinger.

Zudem setze die akute Fachkräftekrise, zusammen mit der gesetzlichen Brückenteilzeit, dem Modell »Zeit statt Geld« enge Grenzen. »Wer immer mehr teure Auszeiten organisiert, ohne zu sagen, wie diese Lücken personell und finanziell gestopft werden sollen, schädigt den Standort Deutschland nachhaltig. Dann wird die Arbeit dorthin abwandern, wo sie gemacht werden kann«, warnt Fickinger. »38 Urlaubstage für bestimmte Personengruppen, 35 Wochenstunden für alle und im Schnitt 60.000 Euro Jahreseinkommen sind für viele Firmen kaum noch verkraftbar. Daher wächst der Druck, Produktion und Entwicklung ins Ausland zu verlagern.«