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Der Hafen Antwerpen setzt nicht nur auf den Containerverkehr, sondern auch auf die Petrochemie, in die Milliarden investiert werden. Der nahe gelegene North Sea Port hingegen konzentriert sich auf feste Massengüter. Von Thomas Wägener

Seit längerer Zeit war die Antwerpener Hafenbehörde auf der Suche nach Investoren, die sich im Delwaidedok auf dem ehemaligen Gelände[ds_preview] des MSC Home Terminals niederlassen. Die Fläche wurde frei, weil der Betreiber seinen Standort ins Deurganckdok verlagert hat, dem neuen Containerhafen am linken Ufer der Schelde.

Vor wenigen Wochen vermeldeten die Belgier, dass das zur japanischen Mitsui-Gruppe zählende Unternehmen MOL Chemical Tankers sich dort niederlässt. In einem Joint Venture mit der Hafengruppe Sea-Invest wolle man rund 300 bis 400Mio. € in den Bau eines neuen Tanklagers für Chemikalien investieren, hieß es. Das Gelände des Gemeinschaftsunternehmens mit Namen Sea-Mol hat eine Größe von rund 45ha, etwa 100 direkte Arbeitsplätze sollen geschaffen werden.

Insgesamt habe es sechs Bewerber gegeben. Mit den übrigen fünf Kandidaten würden noch Gespräche geführt, um den verbleibenden Teil des Geländes im Delwaidedok optimal zu nutzen. »Diese Investition ist eine weitere Bestätigung für die Fähigkeit unseres Hafens, Großinvestoren anzuziehen. Darüber hinaus wird es unsere Position als einer der größten Chemiecluster der Welt stärken«, so Hafenchef Jacques Vandermeiren. Dies seien sehr gute Nachrichten.

In Antwerpen sind zehn der weltgrößten Chemieproduzenten präsent, viele von ihnen haben eigene Produktionseinheiten. Die vier Raffinerien von Total, ExxonMobil, Gunvor Petroleum Antwerpen und ATPC (Bitumen), gewährleisten eine stabile lokale Verfügbarkeit der Rohstoffe, sagen die Belgier. Der Bau des größten Ethylen-Terminals Europas durch Ineos Oxide habe die Rolle Antwerpens als Drehscheibe für chemische Rohstoffe zusätzlich gestärkt.

Die wachsende Bedeutung des Flüssiggutsektors lässt sich auch anhand der Umschlagzahlen belegen, die in den ersten neun Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,7% auf knapp 57,7Mio.t gestiegen sind. Chemikalien (+10,1%) sowie Erdölderivate (+6%) haben daran den größten Anteil, während der Umschlag von Rohöl um 7,1% zurückging.

Insgesamt steuert der Hafen auf Rekordkurs, denn von Januar bis September gingen an der Schelde mehr als 177Mio.t Güter über die Kaikanten. Im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres entspricht dies einem Anstieg von 6%. Auch der Containerumschlag (+6,8%) setzte den positiven Trend fort, insgesamt wurden 8,33Mio. TEU bewegt.

Weniger als einen Monat nach der Verkündung des Baus des neuen Tanklagers von Sea-Mol wurde noch ein weiteres Projekt bekannt, welches das Cluster nachhaltig stärken soll: das österreichische Petrochemieunternehmen Borealis will an seinem bestehenden Standort im Stadtteil Kallo in eine neue Propan-Hydrieranlage (PDH) investieren. Sie wandelt Propan in Propylen um, wodurch sich Polypropylen herstellen lässt, ein Mehrzweck-Kunststoff, der unter anderem in der Automobilindustrie verwendet wird.

Durch die Investition in unbekannter Höhe werde die Produktionsstätte zu einer der größten PDH-Fabriken der Welt aufsteigen, so das Unternehmen. Die Anlage werde einen recycelbaren, chromfreien Katalysator verwenden, der den Energieverbrauch, die Abfallmengen und die CO2-Emissionen reduziere. Die flämische Regierung unterstützt den Bau mit 4Mio. €.

Insgesamt wollen die Chemieunternehmen rund 2Mrd. € investieren. Vandermeiren bezeichnete 2018 auch deswegen schon jetzt als Spitzenjahr.

»Nach der jüngsten Ankündigung von Sea-Mol bestätigt die Entscheidung von Borealis, aufs Neue, dass wir als größtes Chemiecluster Europas eine starke Anziehungskraft auf internationale Investoren ausüben«, so Vandermeiren.

Hafenschöffe Marc van Peel ergänzt: »Seit Jahrzehnten spielt unser Hafen dank seiner Innovationskraft und seines lokalen Know-hows eine führende Rolle in der Petrochemie. Mit dieser Neuinvestition wird diese langjährige Bedeutung noch einmal bestätigt.«

Ein weiteres Indiz für die Bedeutung des Antwerpener Chemiesektors ist der Bau von vier großen Binnentankern für den Transport von Butan, einem Rohstoff für die petrochemische Industrie. Ineos und Imperial Logistics haben die Schiffe in Auftrag gegeben, um die Ineos-Raffinerie in Köln damit zu versorgen. Das Gas wird in Europas größtem Butantank gelagert, der derzeit am Oiltanking Antwerp Gas Terminal (OTAGT) entsteht.

Die ersten beiden 110m langen und 17,50m breiten Einheiten werden auf der Veka-Werft im niederländischen Lemmer gebaut. Sie haben je sechs Tanks und verfügen über ein Gesamtvolumen von nahezu 6.000m³. Somit können sie 3.250t Butan transportieren. Der erste Tanker wurde jüngst auf Kiel gelegt. Es folgen zwei kleinere Einheiten mit identischer Länge, aber nur 15m Breite, die Teamco in Heusden, ebenfalls in den Niederlanden, fertigt. Alle vier Neubauten sollen zwischen dem Herbst kommenden Jahres und dem Frühjahr 2020 abgeliefert werden.

North Sea Port auf Rekordkurs

Auch der an der Schelde gelegene Hafen North Sea Port schreibt nach seiner Fusion weiter positive Zahlen. In den ersten neun Monaten gingen insgesamt 53Mio.t Güter über die Kaikanten, 8% mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Damit steuert der Hafen nach eigenen Angaben auf einen neuen Rekord hin, für das Jahresende werden rund 70Mio.t angepeilt.

Den Hauptteil der Ladung machen trockene Massengüter aus, deren Umschlag um 5% auf 24,3Mio.t gestiegen ist. Der starke Baustoffmarkt verzeichnete ein Wachstum bei Sand, Kies und anderen Baustoffen. Der Umschlag von Getreide blieb nach Auskunft von North Sea Port auf einem stabilen Niveau, ebenso wie der Umschlag von Kohle (hauptsächlich in der verarbeitenden Industrie). In diesem Bereich habe man sich in einem rückläufigen Markt behauptet.

Der Umschlag von flüssigem Massengut ist um über 13% auf 15,8Mio.t gestiegen. Hier habe es ein starkes Wachstum im Chemie-/Petrochemiebereich (einschließlich Gas) und beim Umschlag von Biodiesel gegeben.

Ein Anstieg von 6%, vor allem bei Papier und Karton, Bananen, Stahlblechen, Stahlkonstruktionen und Baustoffen, hat zu einer Stückgutmenge von 9Mio.t geführt. Der Containerumschlag ist aufgrund der Gewinnung neuer Dienstleistungen und des Wachstums der Anzahl der Kühlcontainer um 60% auf 1,2Mio.t geklettert, während der RoRo-Handel mit 2,7Mio.t stabil blieb.

Trotz der geographischen Nähe zu Antwerpen steht North Sea Port kaum mit Belgiens größtem Seehafen in Konkurrenz, da das Warenspektrum zu unterschiedlich ist. In einigen Bereichen kooperiere man sogar, heißt es. Einen Wettbewerb gibt es vor allem mit dem französischen Dünkirchen, da auch hier der Umschlag trockener Massengüter hoch im Kurs steht.

North Sea Port ist Ende 2017 aus den Häfen Gent und Zeeland Seaports hervorgegangen und umfasst die niederländischen Standorte Vlissingen, Terneuzen und Borssele sowie Gent in Belgien.


Thomas Wägener