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Jahrelang hatten verschiedene Länder rund um den Globus angekündigt, die Offshore-Windenergie als neue Energiequelle nutzen zu wollen. Jetzt scheint tatsächlich Bewegung in die Sache zu kommen, wie Ende September auf der WindEnergy Hamburg und der parallel laufenden WindEurope-Konferenz deutlich wurde. Von Anne-Katrin Wehrmann

Rund 1.500 Aussteller aus 40 Ländern, rund 35.000 Fachbesucher aus 100 Ländern – das waren Ende September die nackten Zahlen der[ds_preview] diesjährigen WindEnergy Hamburg. Dabei nahm das internationale Interesse an der Weltleitmesse für Onshore- und Offshore-Windenergie zu: Nach Angaben der Veranstalter stieg der Anteil von Ausstellern aus dem Ausland von 44% vor zwei Jahren auf diesmal 50% an. Parallel veranstalte der Europäische Windenergieverband auf dem Gelände der Hamburg Messe seine globale WindEurope-Konferenz, die passenderweise unter dem Motto »Breaking New Ground« stand.

Im wahrsten Sinne des Wortes neue Wege geht die Offshore-Windenergie, zumindest geografisch betrachtet: Nachdem Europa mit den beiden Marktführern Großbritannien und Deutschland jahrelang bei der im Meer installierten Windkapazität unangefochten vorne lag, bis China vor zwei Jahren aufschloss und Dänemark vom dritten Platz der Rangliste verdrängte, ist das Thema Offshore-Wind aktuell auch in verschiedenen anderen Ländern der Welt ganz oben auf der Agenda. Dass hierzulande bei der ersten Offshore-Auktion im April 2017 gleich drei Windparks komplett ohne Subventionen einen Zuschlag erhalten hatten, war auf internationaler Bühne mit großem Interesse registriert worden. Vor dem Hintergrund gesunkener Kosten ist nun offenbar für mehrere Nationen der Zeitpunkt gekommen, ihre zum Teil seit Längerem in der Schublade liegenden Pläne in die Tat umzusetzen.

Asien auf dem Vormarsch

Besonders aufmerksam verfolgt die Branche momentan die Entwicklung in Taiwan. Die taiwanesische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 aus der Atomenergie auszusteigen und in diesem Zeitraum Offshore-Windkraftanlagen mit einer Leistung von insgesamt 5.500 Megawatt (MW) zu errichten. Erste Zuschläge für konkrete Projekte wurden in diesem Jahr bereits vergeben: Dabei kamen auch in Deutschland aktive Akteure wie der Bremer Windpark-Entwickler und -Betreiber WPD sowie der dänische Offshore-Wind-Marktführer Ørsted zum Zug. Turbinenproduzent Siemens Gamesa hatte bereits Ende 2017 angekündigt, sich in Taiwan engagieren zu wollen, und dann im August dieses Jahres mehrere Absichtserklärungen mit regionalen Zulieferern zur Entwicklung einer Lieferkette unterzeichnet. „Taiwan sieht sich als Vorreiter im asiatischen Raum und bemüht sich aktiv darum, Unternehmen aus der Branche ins Land zu holen“, berichtete im Rahmen der WindEurope-Konferenz Damien Zachlod, Vertriebsleiter für die Asien-Pazifik-Region beim Anlagenhersteller MHI Vestas. »Man will eine eigene Industrie aufbauen, die sowohl den eigenen Markt als auch erwartete kommende Märkte in der Nachbarschaft bedienen soll.«

Nicht weit entfernt macht nach längeren Ankündigungen mittlerweile auch Japan Anstalten, in großem Stil auf Wind vom Meer zu setzen. Bisher hatte es dort nur eine Handvoll kleine Testprojekte gegeben: In diesem Jahr hat die Regierung nun die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, den Ausbau der Offshore-Windenergie zügiger voranzutreiben und für investierende Unternehmen ökonomisch interessant zu gestalten. Aktuell seien Windparks mit einer Gesamtleistung von 12.000MW in der Entwicklung, erläuterte Yoshinori Ueda vom japanischen Windenergie-Verband JWPA in Hamburg – darunter auch einige Projekte mit schwimmenden Fundamenten. Die Netzanbindung sei derzeit allerdings noch ein großes Problem, das aber mit einer Reform des Elektrizitätssystems 2020 gelöst werden solle. „Was uns fehlt, ist eine eigene Offshore-Industrie“, machte Ueda deutlich. »Wir müssen lernen, wie man Offshore-Windkraftanlagen günstig und schnell installiert. Dafür sind wir auf die Unterstützung von europäischen Unternehmen angewiesen: Nur sie haben die entsprechende Erfahrung und das Know-how.«

Polen und USA legen los

Unterdessen gehen auch in Europa neue Akteure an den Start. So präsentierte sich Polen im Rahmen der Konferenz als künftige »führende Offshore-Wind-Nation im baltischen Raum«, wie Janusz Gajowiecki vom polnischen Windenergie-Verband PWEA verkündete.

Zwar hatte die regierende PiS-Partei zuletzt mit ihren Plänen für Aufmerksamkeit gesorgt, die Kohle-Förderung noch weiter ausbauen zu wollen. Doch vor dem Hintergrund internationaler Klimaziele und eines steigenden Energiebedarfs ist man nun auch in Warschau auf der Suche nach neuen Formen der Energiegewinnung. Neben heimischen Energieversorgern kündigte zuletzt unter anderem der norwegische Energiekonzern Equinor (früher Statoil) an, in die polnische Offshore-Windenergie einsteigen zu wollen. Wie die rechtlichen Rahmenbedingungen konkret aussehen sollen, erarbeitet derzeit ein eigens eingesetzter parlamentarischer Ausschuss. Entsprechende Gesetze sollen dann ab dem kommenden Jahr in Kraft treten. Schon jetzt zeichnet sich allerdings ab, dass die polnische Regierung einen großen Teil der Wertschöpfung im Land behalten möchte. »Local content« sei in Polen ein großes Thema, machte Zbigniew Gryglas, Vorsitzender des Parlamentsausschusses, deutlich. »Unsere Industrie bietet dafür schon jetzt gute Voraussetzungen«, so Gryglas. »Wir gehen davon aus, dass lokale Zulieferer am Ende einen Anteil von 80 bis 90% haben werden.«

Offen für die Unterstützung europäischer Unternehmen zeigte sich dagegen Liz Burdock vom Business-Netzwerk für Offshore-Windenergie in den USA. »Wir haben große Lücken in der Lieferkette«, betonte Burdock. »Uns fehlen zum Beispiel Spezialschiffe, Anlagenhersteller und auch das nötige Personal, darum brauchen wir wie Japan Hilfe aus Europa.« Nachdem in den USA 2016 nach langen Diskussionen ein erster kleiner – und der bisher einzige – Offshore-Windpark mit fünf Anlagen an den Start gegangen war, sind aktuell rund 30 Projekte mit einer möglichen Gesamtleistung von 24.000MW in Planung. Zuletzt hatten mehrere Bundesstaaten konkrete Ausbauziele verkündet und begonnen, entsprechende Schritte in die Wege zu leiten.

Neue Märkte

Andreas Wellbrock, Geschäftsführer der Windenergie-Agentur WAB, beobachtet die Entwicklung auf dem internationalen Markt schon seit Jahren und kommt aktuell zu einer positiven Einschätzung: »Ich glaube, dass das Thema Offshore-Windenergie jetzt auch außerhalb von Europa richtig an Fahrt aufnimmt – nicht zuletzt dank der Kostensenkungen, die unsere europäische Offshore-Industrie in den vergangenen Jahren erreicht hat.«

Schwimmfundamente würden zudem künftig die Möglichkeit bieten, auch solche Meeresgebiete für Offshore-Wind zu erschließen, die bisher aufgrund zu großer Wassertiefen nicht nutzbar gewesen seien.

Und auch wenn manche Länder derzeit explizit verkündeten, eine eigene Offshore-Industrie aufbauen zu wollen: »Für deutsche und europäische Produzenten, Ingenieurbüros und bestimmt auch für die maritime Wirtschaft werden sich neue Märkte ergeben. Es gibt einfach Bereiche, in denen es ohne das hier über die Jahre aufgebaute Know-how nicht funktionieren wird.«


Anne-Katrin Wehrmann