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Zu viele Schiffe, zu wenig Bohrinseln – die Erholung im OSV-Sektor ist noch »ein ferner Traum«, sagen Analysten, auch wenn der Ölpreis langsam zulegt. Einigen Offshore-Reedereien könnte in der nächsten Zeit die Pleite drohen

Die Warnleuchten blinken weiterhin hell für die Bediener von Offshore Versorgungsschiffen (OSV). Zwar hat sich der Ölpreis auf 70 bis[ds_preview] 75 $ pro Barrel erholt, aber der OSV-Sektor befindet sich weiterhin in ernsten Schwierigkeiten. Die weltweite Auslastung ist laut einer Studie des Beratungsunternehmens Alix Partners schwach – mit den am schlechtesten entwickelten Regionen Nordamerika, Asien-Pazifik und Westafrika. Die Charterraten liegen weiterhin auf oder nahe dem Niveau der Betriebskosten. Gründe sind ein Überangebot an Schiffen aufgrund von Überbestellungen während des Booms und spekulativer Bauaktivitäten auf Werften in ganz Asien, unterstützt durch Bankkredite.

Zudem hat sich die Nachfrage aufgrund der Förderung von Schieferöl im Jahr 2014 strukturell verschoben. Die finanziellen Folgen für die Betreiber sind verheerend, da die EBITDA-Margen schrumpfen und die Verschuldungsquoten auf ein nicht nachhaltiges Niveau steigen. »OSV-Betreiber, die hoffen, den Sturm zu überstehen, indem sie einen weiteren Anstieg der Ölpreise erwarten, um den Sektor wieder gesund zu machen, werden wahrscheinlich lange warten müssen, und es besteht keine Gewissheit, dass ihre vorhandenen finanziellen Ressourcen sie im Abschwung stützen werden«, so die Analysten.

In einer Altman Z-Score-Analyse von OSV-Unternehmen sei festgestellt worden, dass 34 von 38 Unternehmen in den zwölf Monaten bis zum 31. März 2018 Werte von weniger als 1,8 erreicht hätten. Dies bedeute eine hohe Wahrscheinlichkeit, »dass diese Unternehmen innerhalb der nächsten zwölf Monate bankrott gehen werden, es sei denn, sie unternehmen wesentliche Schritte, um ihre finanzielle Situation zu verbessern.«

Zu viele Schiffe, zu wenig Rigs

Die Anzahl der aktiven Offshore-Anlagen liegt derzeit 33% unter dem Niveau von 2014, nachdem sie von 706 im Jahr 2014 auf 474 im Juli 2018 gesunken war, während die OSV-Tagesraten derzeit 40% unter dem Niveau von 2014 liegen. Im gleichen Zeitraum ist die gesamte OSV-Flotte von 3.389 auf 3.583 Schiffe gewachsen. Das Verhältnis von OSVs zu Rigs liegt auf einem weniger gesunden Niveau von 7,6 x, gegenüber 4,8 x im Jahr 2014. Das Überangebot an Schiffen ist laut Alix Partners die größte Belastung für den Sektor.

»Hoffnungen auf eine nachhaltige Ölpreiserholung, die die Zahl der Bohrinseln erhöhen und damit die Überkapazitäten der Schiffe absorbieren wird, scheinen zumindest kurz- bis mittelfristig nicht besonders begründet«, heißt es. Das Aufkommen von Fracking als praktikabler Extraktionstechnik habe die Kostenbasis der Ölindustrie dramatisch verändert. Offshore verlor in den letzten Jahren aufgrund höherer Anfangsinvestitionen und längerer Amortisationszeiten seinen Status als Preisbezugspunkt an Schieferöl.

Von geopolitischen Faktoren und US-Infrastrukturproblemen abgesehen werden kurz- bis langfristig reichliche Schieferölvorräte und die Auswirkungen des Energiewandels auf die Ölnachfrage wahrscheinlich neue Offshore-Förderung hemmen. »Angesichts dieser strukturellen Veränderungen in der Ölindustrie liegt der Marktkonsens für zukünftige Bohrinseln derzeit bei etwa 550. Bei einem OSV-zu-Rig-Verhältnis von 4,5 x bedeutet dies eine Überkapazität von rund 1.150 Schiffen unter Berücksichtigung des aktuellen Auftragsbestands und der Abwrackraten«, rechnen die Analysten vor.

Es gebe Hinweise darauf, dass Schiffe, die älter als 15 Jahre seien, Schwierigkeiten hätten, Arbeit zu finden, da neuere Einheiten effizienter und kostengünstiger seien und den gestiegenen Umweltauflagen besser entsprächen. Es wäre daher sinnvoll, die rund 900 Schiffe, die 15 Jahre oder älter sind, aufzugeben. Allein 500 von diesen seien sogar älter als 25 Jahre. Es gebe jedoch erhebliche Hindernisse für eine rasche Anpassung der OSV-Flotte auf ein nachhaltiges Niveau.

Großer Angebotsüberhang

Das größte Hindernis ist laut Alix Partners die starke Fragmentierung des OSV-Sektors. Die zehn größten Betreiber kontrollieren etwa 30% der gesamten Flotte, während die restlichen 70% oder etwa 2.500 Schiffe in den Händen von etwa 400 kleineren Betreibern liegen, deren Flotten in der Regel sechs oder weniger Schiffe umfassen. »Diese kleineren Betreiber haben wenig Anreiz, eine ihrer eigenen Flotten stillzulegen – es sei denn, das Schiff ist nicht mehr rentabel – und noch weniger Anreiz, kollektive Maßnahmen zum Nutzen des gesamten Sektors zu ergreifen«, meinen die Experten. Darüber hinaus bestehe bei den Betreibern eine allgemeine Voreingenommenheit gegenüber der vollständigen Stilllegung von Schiffen. Die meisten ziehen es vor, die redundanten Elemente ihrer Flotte – was viele Betreiber mit einem Drittel oder mehr ihrer Flotte getan haben – aufzulegen, vermutlich in der Hoffnung, dass sich die Nachfrage wieder erholen würde.

Das andere Hindernis ist das Abwracken, da diese Option für Offshore-Versorgungsschiffe wirtschaftlich nicht so attraktiv ist wie beispielsweise für Tanker oder Massengutfrachter. Die relativ kleine Stahlmenge von OSVs lässt selbst die größten von ihnen nur einen Schrottwert von weniger als 1 bis 2 Mio. $ erreichen. Die Transportkosten zur endgültigen Ausschussstelle sind ein weiterer limitierender Faktor. Der Verkauf und Transport mehrerer Schiffe zusammen, zum Beispiel mit einem halbtauchbaren Schwerlastschiff, kann die finanzielle Tragfähigkeit von OSVs bei der Verschrottung stärken, wie kürzlich bei Tidewater zu sehen war. Vom Skaleneffekt bei den Transportkosten profitieren jedoch nur die größten OSV-Betreiber – es sei denn, kleinere Eigentümer arbeiten hier zusammen.

Der derzeitige Aufliegeranteil der Flotte liegt bei etwa 26%, und die aktuelle Debatte in der Branche dreht sich darum, wie sich diese Zahl entwickeln könnte. »Es ist anzunehmen, dass ein Teil der Aufliegerflotte aufgrund von Faktoren wie Alter, Motorgröße, Dauer der Aufliegezeit, Klassenstatus und Nichteinhaltung der Umweltauflagen möglicherweise nicht wieder auf dem Markt auftaucht. Dennoch wirkt sich ihre Präsenz auf das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage aus«, so Alix Partners. Das Auflegen verbessere nur die Spotraten, aber nicht grundlegend die unter Druck stehenden Term-Charterraten. »In diesem Umfeld müssen Betreiber, insbesondere in Asien, Nordamerika und Westafrika, wo der Angebotsüberhang am größten ist, ihre Optionen genauer prüfen.«

Was ist der Ausweg?

Derzeit müssen die OSV-Betreiber Preise akzeptieren, die den Betriebskosten entsprechen oder diesen nahe kommen. »Es ist klar, dass die Gewinner dieses Szenarios sehr wettbewerbsfähig sein müssen, was von den Betreibern verlangt, dass sie mit ihren Kostensenkungsplänen in ihrem gesamten Betrieb ehrgeiziger sind«, heißt es. Benchmarking könne ein nützliches Instrument sein, um zu beurteilen, was am besten performt und um realistische Ziele zu setzen. Einige fortgeschrittenere Betreiber nutzen auch Daten und Technologien, um sowohl Betriebskosten als auch Vertriebs-, Verwaltungs- und allgemeine Kosten effizienter zu gestalten, z.B. durch die Automatisierung des Schiffsbetriebs und damit die Reduzierung des Personalbestands und der damit verbundenen Kosten.

»Die Konsolidierung ist ebenfalls eine Gelegenheit, stärkere Akteure zu schaffen, die sich durch ihre wirtschaftliche Stärke, Wettbewerbsfähigkeit, Asset-Qualität, Management und Governance auszeichnen«, so die Analysten. Die jüngste Fusion von Tidewater und Gulfmark sei ein gutes Beispiel für die Konsolidierung, die Kostensynergien in Form gezielter SG&A-Kostenreduzierungen fördere. Die finanzielle Notlage in dem Sektor und die Sättigung mit jungen Assets zu einem Bruchteil des Preises stellen den Experten zufolge auch ein Risiko-Ertrags-Spektrum dar, das zwischen hochattraktiv für die Gutfinanzierten und Optimisten und »billig aus einem bestimmten Grund« für diejenigen mit negativer Einstellung zur Branche liegen könnte, wie z.B. ein pessimistischer Ausblick auf den Öl-Hunger der Welt.

»Wenn einem das Geld ausgeht, geht einem die Zeit aus. Die Betreiber könnten einen Liquiditätsplan machen und sorgfältig die Risiken identifizieren, die sie daran hindern könnten, das Feuer am Brennen zu halten«, heißt es. Die Reeder müssten handeln und Liquiditätsengpässe vermeiden, was durch den Verkauf von Vermögenswerten, die Neubewertung von Investitionskosten oder die Umschuldung mit ihren Kreditgebern geschehen könne. Der Entscheidung, ob Schiffe aufgelegt, verschrottet, stillgelegt oder verkauft werden sollen, müsse eine sorgfältige Analyse vorausgehen, da jede Option ein anderes Cashflow-Profil habe.

Bilanzumstrukturierungen lassen sich laut Alix Partners nicht vermeiden, da Unternehmen allgemein gegen Vereinbarungen verstoßen hätten und wahrscheinlich nicht genügend liquide Mittel generieren könnten, um Betriebskosten sowie Zins- und Tilgungszahlungen zu decken. »Unternehmen müssen mit ihren Banken, Anleihegläubigern, Aktionären und neuen Investoren zusammenarbeiten. Für die Gläubiger ist das Thema Restrukturierung schmerzhaft. Tatsache ist jedoch, dass der Sektor mit einem Verschuldungsgrad von 23,9 x überlastet ist und der größte Teil dieser Schulden wahrscheinlich nicht zurückgezahlt wird«, so Alix Partners.

Die Krise solle man jedenfalls nicht ungenutzt lassen. Die schwierigen und schmerzhaften Maßnahmen, die jetzt erforderlich seien, um wettbewerbsfähiger zu werden und die Bilanzen zu restrukturieren, könnten zu stärkeren Unternehmen führen, die diese Krise nicht nur überstehen, sondern sogar florieren können, wenn sich die Branche erhole.


ED