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Schifffahrtskrise, eine schrumpfende deutsche Flotte, Digitalisierung – die letzten Jahre waren reichlich turbulent für Schiffsmakler und Schiffsagenten. Auch wenn weiter große Herausforderungen bestehen, sind diese Fachleute heute wieder stärker gefragt

 

Die letzten Jahre waren reichlich turbulent für die maritime Branche – auch für die Schiffsmakler und Schiffsagenten. Eine niedrige Erlössituation und[ds_preview] der steigende Kostendruck führten zu zahlreichen Unternehmenszusammenschlüssen und zu Insolvenzen. Auch die Mitgliedsverbände des Zentralverbands Deutscher Schiffsmakler (ZVDS) bekamen dieses deutlich zu spüren und hatten Rückgänge bei den Mitgliederzahlen von bis zu 25% zu verkraften, wovon insbesondere die Vereinigungen in Bremen und Hamburg betroffen waren. Daher haben die Mitglieder der Bremer und Hamburger Vereinigungen beschlossen, ihre Arbeit in einem Verband zu bündeln und zukünftig gemeinsam unter dem Namen »Verband Hamburger und Bremer Schiffsmakler« aufzutreten. Ergänzt wird die Präsenz von den Schiffsmaklern und den Schiffsagenten in Bremen und Bremerhaven durch die Schiffsmakler-Vereinigung für Küsten- und Seeschiffsbefrachter, mit der eng vor Ort kooperiert wird.

Angesichts dieser Entwicklung steht die Branche der Schiffsmakler sicherlich vor einem Paradigmenwechsel. So hält der Abgang deutscher Schiffe vom Standort weiter an. Und fast täglich wird mindestens ein weiteres Schiff zum Verkauf angeboten. Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Schiffsmaklerbüros, denn jedes Schiff, das den Standort verlässt, ist potentiell eines weniger, für das eine Charterparty benötigt wird. Dennoch hat sich insbesondere Hamburg als ein Zentrum für den Zeitchartermarkt für Containerschiffe behaupten können. Die Hamburger Schiffsmakler kontrollieren etwa 45% der gesamten auf dem freien Markt verfügbaren Containerschiff-Chartertonnage. Trotzdem ist der härtere Wettbewerb mit anderen Standorten deutlich zu spüren, wenngleich auch in Zukunft vieles für den Hamburger Standort spricht, nicht zuletzt das Know-how der Mitarbeiterschaft.

Zusätzlichen Anpassungsdruck verspüren besonders die Schiffsagenten durch zunehmende Digitalisierung. War früher für die Bestellung eines Agenten oder die Buchung von Ladung – sowohl Container als auch Schwergut – der persönliche Kontakt des Linien- oder Klarierungsagenten notwendig, so wird dieser im Prozess immer mehr austauschbar. Bekannt sind die Web-Plattformen, über die derzeit versucht wird, Ladungsbuchungen wie Urlaubsreisen für jedermann zugänglich anzubieten. Auch wenn die bisherigen digitalen Angebote zum Teil noch an Kinderkrankheiten leiden, ist die grundsätzliche Entwicklung als solche wohl nicht mehr aufzuhalten. Einmal mehr werden sich Schiffsmakler und Schiffsagenten an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen müssen, die der technische Fortschritt vorgibt. Dieses wird mit vielen Herausforderungen verbunden sein.

Allerdings darf nicht vergessen werden: Schifffahrt ist keine commodity, nicht einmal die Containerschifffahrt. Das mussten so manche bitter erfahren, die meinten, maritimen Sachverstand und Fachkenntnisse durch digitale Geschäftsprozesse ersetzen zu können. Besonders schmerzhaft wurde dieser Erkenntnisprozess immer dann, wenn es Probleme gab – und in der Schifffahrt gibt es bekanntermaßen regelmäßig viele – oder wenn die digitalen Strukturen aufgrund eines Softwarefehlers oder einer Cyberattacke einmal nicht zur Verfügung standen. Dann waren Mitarbeiter mit Fachwissen gefragt. Denn ein Kunde will gerade im Problemfall nicht mit einer Person ohne maritimes Fachwissen via Telefonhotline kommunizieren, sondern jemanden vor Ort wissen, der seine Probleme mit dem Schiff oder Ladung schnell und effizient löst. Und hier liegt auch weiterhin die Chance der Schiffsmakler und der Schiffsagenten. Es verwundert daher nicht, dass die Gesamtmitarbeiterzahl der in den im ZVDS organisierten Unternehmen nicht signifikant gesunken ist. Vielmehr suchen gerade alle Unternehmen wieder verstärkt Mitarbeiter, insbesondere die, die nach dem Aufbau digitaler Prozesse wieder stärker auf die Qualitätssicherung durch Fachpersonal setzen möchten und die zum Teil zuvor ausgelagerte Funktionen nach Deutschland zurückholen.

Es war immer eine besondere Stärke der deutschen Standorte, durch die Ausbildung von Schifffahrtskaufleuten einen ausreichenden Pool an qualifizierten Mitarbeitern vorhalten zu können, den diese Ausbildung bildet auch weiterhin das gemeinsame Fundament aller in der Branche tätigen Makler und Agenten. Hier war in den letzten Jahren ein Rückgang zu beobachten, die Ursachen waren vielschichtig. Zum einen ist die Anzahl der Schulabsolventen gesunken und zum anderen ist das Ansehen einer dualen Ausbildung gesunken und immer mehr junge Menschen starten gleich ein Studium. Zudem stellte so manches Unternehmen im Zuge der Krise seine Ausbildungsleistungen ein, was sich nun durch die Knappheit an dringend benötigten Schifffahrtskaufleuten rächt. So manches Unternehmen hat sich dazu entschieden, wieder selber auszubilden. Nun müssen wieder mehr jungen Menschen für eine Karriere in der maritimen Branche begeistert werden, auch um das Knowhow langfristig am Standort zu sichern.

Neben der Ausbildung war der Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten insbesondere für Neubauten ein besonderer Vorteil des deutschen Standortes. Diese Möglichkeiten haben sich nach 2008 deutlich reduziert. Gleichzeitig steigen aber aufgrund strengerer IMO-Vorgaben und des Alters der Flotte der Modernisierungs- und Neubeschaffungsbedarf. Wenn keine privaten Lösungen aufgrund des Rückzuges der Banken mehr möglich sind, könnten Bundesregierung und Industrie gemeinsam nach alternativen Lösungswegen suchen, um industriepolitischen Ansätzen Südkoreas und Chinas, die beide Schiffbau und Schifffahrt als strategisch notwendig für die Entwicklung ihrer Volkswirtschaft verstehen, etwas entgegensetzen zu können. Gelingt dies nicht, wird der deutsche Anteil an der Welthandelsflotte und bei den nachgelagerten Dienstleistungen weiter sinken. Denn allen Krisen zum Trotz wächst die globale Flotte.
Alexander Geisler