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Eine Zukunft ohne Verbrennungsmotor ist nicht abzusehen. Die Erzeugung klimaneutraler Kraftstoffe mittels Power-to-X-Technologie steht daher im Fokus der neuen VDMA-Arbeits­gemeinschaft »Power-to-X for Applications«

Welche Power-to-X-Technologien sind aus Sicht des VDMA umsetzbar oder vielversprechend? In welche Richtungen gehen Forschung und[ds_preview] Entwicklung?

Axel Kettmann: Die Power-to-X-Technologie an sich ist ja nicht wirklich neu, bereits Mitte des 19. Jahrhunderts war es möglich, mittels Energieeinsatz Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten, der dann weiter zu künstlichem Gas oder auch Flüssigkraftstoffen verarbeitet werden kann. Dies war allerdings weder ökonomisch sinnvoll noch aus ökologischen Erwägungen geboten; neu ist also nur, dass wir heute a) erneuerbare Energie dafür verwenden wollen und b) eine Notwendigkeit zum Einsatz von mittels P2X erzeugten Kraft- oder Rohstoffen sehen, um das Ziel der Defossilisierung zu erreichen.

Heutige F&E-Projekte zielen insofern darauf ab, die vorhandenen Technologien zu optimieren bzw. Verfahren für neue, optimierte Kraftstoffe zu entwickeln. Welche Verfahren und welche Kraftstoffe am Ende das Rennen machen werden ist heute noch nicht absehbar – diese Diskussion ist ja auch bei den fossilen Energieträgern noch in vollem Gange, denken Sie nur an LNG.

Was sind die wichtigsten Herausforderungen und Hindernisse bei Forschung & Entwicklung sowie Umsetzung?

Peter Müller-Baum: Hindernisse bei F&E sehen wir nicht unbedingt – es werden gerade in Deutschland bereits an vielen Stellen Forschungsmittel zur Verfügung gestellt, und es scheint politische Absicht zu sein, dies fortzuführen bzw. zu erhöhen, was wir natürlich begrüßen. Die Schwierigkeit wird viel mehr darin liegen, die vorhandenen Technologien zur Marktreife zu bringen – dafür bedarf es langfristiger, stabiler Rahmenbedingungen; nur dann werden Investoren bereit sein, die Milliarden zu investieren, die notwendig sind, wenn in großem Maßstab künstliche Kraftstoffe produziert werden sollen.

Welche Rolle kann oder soll die Politik spielen? Auf der SMM hatten Sie einen CO2-Preis zum Ausgleich der Mehrkosten für P2X-Kraftstoffe ins Spiel gebracht.

Kettmann: Marktbasierte Instrumente wie ein CO2-Preis sind prinzipiell sicher die einfachste Möglichkeit, die notwendigen Impulse und klare, technologieneutrale Rahmenbedingungen zur Entwicklung beziehungsweise Produktion von P2X-Kraftstoffen zu setzen. Daher propagieren wir diese Idee grundsätzlich; zudem wäre dies nicht ein Ausgleich vermeintlicher Mehrkosten, sondern vielmehr die Internalisierung der CO2-Kosten in Produkte wie fossile Kraftstoffe. Leider ist es gleichzeitig wohl so, dass ein solches Instrument auf internationaler Ebene nur äußerst schwer einzuführen und umzusetzen wäre – für die Schifffahrt aber ist eine internationale Lösung zwingend erforderlich.

Müller-Baum: Es ist entscheidend, dass die Politik zügig die richtigen Rahmenbedingungen setzt, damit Investoren wissen, dass sie langfristig auf P2X und die damit hergestellten Produkte setzen können. Auf internationaler Ebene wäre eine CO2-Bepreisung vermutlich die beste, aber auch unrealistischste Lösung; auf europäischer Ebene muss es aber gelingen, Rahmenbedingungen so zu setzen, dass der Markt reagieren kann und in die vielversprechendsten Technologien investiert wird. Die Politik ist überfordert, wenn sie entscheiden muss, welches der richtige Weg ist – daher fordern wir technologieneutrale Vorgaben, die langfristig Bestand haben. Die aktuellen Diskussionen dazu in Brüssel und Berlin verlaufen oft noch zu fixiert auf eine vollständige Elektrifizierung, obwohl alle Fachleute sagen, dass die notwendigen Änderungen damit nicht schnell genug (oder gar nicht) realisiert werden können. Zudem wären viele Firmen bereits in der Lage, technologische Lösungen anzubieten, wenn der rechtliche Rahmen passt.

Gibt es realistisch überhaupt eine Zukunft ohne Verbrennungsmotor in der Schifffahrt?

Müller-Baum: Aus physikalischer Perspektive heute muss man wohl sagen, dass es in Luft- und Schifffahrt keine Alternative zum Verbrennungsmotor gibt, trotz aller Möglichkeiten der Hybridisierung und auch Elektrifizierung in bestimmten Anwendungen. Daher ist es eine wirklich gute Nachricht, dass der Verbrenner mit P2X-Kraftstoffen dennoch defossilisiert unterwegs sein kann.

Kooperation zwischen Motoren-, Systemherstellern und Kraftstoffversorgern ist das Motto, auch die Kraftstoffversorger sollen einbezogen werde. Warum ? Und wie ist der Stand der Dinge?

Kettmann: Alle interessierten Firmen eint die Überzeugung, dass es im Hinblick auf die internationalen Vereinbarungen in Paris und auch seitens IMO darum gehen muss, ökologisch und ökonomisch vertretbare Lösungen anzubieten, auch wenn wir heute noch nicht im Detail wissen, wie diese aussehen, beispielsweise bezüglich der finalen Kraftstoffsorten. Daher ist es so wichtig, dass alle Beteiligten gemeinsam darüber reden und daran arbeiten. Für die Motorenhersteller reicht es daher nicht, abzuwarten, schließlich können und müssen Motoren und Kraftstoffe aufeinander abgestimmt und optimiert werden. Für die energetisch sinnvollste Lösung gasförmiger P2X-Kraftstoffe (und die Rolle von LNG als »Brückentechnologie«) hat die Motorentechnologie zudem mit dem Problem Methanschlupf noch eine ungelöste technische Herausforderung.

Müller-Baum: Beim Internationalen Verband CIMAC sind die großen Mineralölfirmen traditionell involviert – hier sollte es also gelingen, die Diskussion gemeinsam zu führen. Und auch bei der neuen VDMA-Arbeitsgemeinschaft »Power-to-X for Applications« sind Mineralöl- und Schmierstoffhersteller mit an Bord, da sie das branchenübergreifende Netzwerk, was wir bieten, zu schätzen wissen. Bezüglich Energieversorger ist das noch nicht so, weil das aus unserer Sicht erst der nächste Schritt ist: Sektorkopplung ist natürlich ein elementarer Bestandteil für eine erfolgreiche P2X-Strategie, aber zunächst wollen wir mit potentiellen Herstellern und Nutzern ins Gespräch kommen.

Auf der SMM hieß es seitens des VDMA, man brauche einsatzbereite Lösungen schon innerhalb der kommenden zehn Jahre. Was ist hier kurz bis mittelfristig realistisch umsetzbar?

Müller-Baum: Die große Frage ist die der Verfügbarkeit von Produktionskapazitäten – es wird Jahre dauern, bis diese verfügbar sind, um Kraftstoffe in ausreichender Menge anbieten zu können. Ein fantastischer Vorteil von P2X-Kraftstoffen ist es aber, dass sie vom ersten Tropfen an in bestehende Infrastrukturen eingespeist werden können, ähnlich wie etwa Biosprit beim Pkw-Diesel. Das heißt wenn die Rahmenbedingungen einmal gesetzt sind, kann die Industrie sofort loslegen.

Was kann man Reedern raten? Sollen sie auf jeden Fall schon auf Gas-/Dual-Fuel-Motoren setzen, um für die Zukunft gerüstet zu sein?

Kettmann: Diese Frage ist aus unserer Sicht noch nicht wirklich zu beantworten, da hier zu viele Faktoren eine Rolle spielen und noch nicht seriös abgeschätzt werden können. Auch heute hängt die Entscheidung ja zudem von Aspekten ab, die je nach Anwendung und Einsatzgebiet völlig unterschiedlich sein können. Klar ist aber, dass sowohl Gas als auch flüssige Kraftstoffe synthetisch hergestellt werden können, das heißt wenn sich ein Reeder heute für LNG entscheidet, wird er damit aller Voraussicht nach auch in Zukunft fahren können.

Welche Chancen haben die deutschen Hersteller hier im internationalen Vergleich? Gibt es eine ähnliche Stoßrichtung auch in anderen Ländern?

Müller-Baum: In vielen Ländern wird zwar bereits über Ideen zur Defossilierung gesprochen, aber nur in wenigen Ländern ist die Diskussion zur P2X-Technologie soweit gediehen wie in Deutschland. Zudem sitzen viele der Technologieführer in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das ist natürlich eine Riesenchance für die hier beheimatete Wirtschaft.


Interview: Felix Selzer