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Die nordeuropäische Schleppschifffahrt erlebt momentan unruhige Zeiten. Die Linhoff-Gruppe setzt daher auf eine größere Spezialisierung der Flotte und Kooperationen. Für die gesamte Branche erwarten die Verantwortlichen einige schwere Jahre.
Der »Schlepperkrieg« ist zwar mittlerweile mehr als 15 Jahre her. Seinerzeit hatten niederländische Reedereien, begünstigt durch die EU-Politik, für[ds_preview] einen harten Preiskampf in deutschen Häfen gesorgt. Doch von einer ruhigen Lage kann derzeit nicht die Rede sein. Das hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen: mit dem Konsolidierungstrend bei den großen Containerlinien, grenzüberschreitenden Kooperationen von Schleppreedereien und dem enormen Kostendruck.

Auch die Linnhoff-Gruppe mit Hauptsitz in Buxtehude spürt den Wandel. Das Unternehmen ist mit seinen Tochterreedereien URAG (Bremerhaven, 16 Schlepper) sowie deren Tochter Lütgens & Reimers (L&R Hamburg, vier Schlepper) im Hafengeschäft aktiv. »Von den rund 90Mio. € Jahresumsatz des gesamten Firmenverbundes entfällt rund die Hälfte auf die URAG-Aktivitäten«, sagt Aufsichtsrat Thorsten Schütt. Zur Linhoff-Gruppe gehören außerdem der Lotsbetrieb Mecklenburg-Vorpommern, der Wiking Helicopter Service, die Dienstleister Unterweser Industries und Linnhoff Offshore.

Auch im Offshore-Öl und -Gas-Sektor sei man schon sehr lange unterwegs, beispielsweise bei Verschleppungen oder in der Assistenz für Präzisionspositionierungen großer Plattformen. Die Schlepper mit Voith-Schneider-Antrieb und einem Pfahlzug zwischen 71 und knapp 80t seien sehr sicher und vielseitig einsetzbar.

Die URAG operiert in diesem Geschäft mit den vier Einheiten »Elbe«, »Weser«, »Jade« und »Ems« sowie dem AHT »Bremen Fighter«. Der mit 120t Pfahlzug stärkste Schlepper der URAG, die AHTS »Bremen Hunter«, ist derzeit langfristig ins Ausland verchartert.

Das Hafengeschäft sei mit zwei Dritteln am Umsatz jedoch derzeit der stärkere Teil der Gruppe. »Dieser ist auch durch Flottenzugänge stärker gewachsen als unsere Offshore-Aktivitäten«, so Schütt. Weil sich ein großer Anteil des Umsatzes aus Verträgen mit Linienreedereien ergebe, sei dieser Geschäftsbereich auch stabiler. »Aufträge im Offshore-Bereich sind zwar besser bezahlt, bedeuten aber ein höheres Risiko.«

Auf der anderen Seite sieht sich die Hafenschlepperei mit einem tiefgreifendem Strukturwandel konfrontiert, vor allem ausgelöst durch Konsolidierungen, neue Allianzen, Dienstzusammenlegungen und Kapazitätsveränderungen in der Linienschifffahrt. Erinnert sei nur an die Bildung von »2M« durch Maersk und MSC sowie die »Ocean Three«-Allianz von CMA CGM, CSCL und UASC.

»Früher war unser Geschäft ein »local business« mit direktem Kontakt zu den Agenten der Linien vor Ort«, sagt URAG-Geschäftsführer Michael Staufeldt. Die Entwicklung gehe jetzt aber sehr stark zu einem »global business« über, das bei den Kunden von Procurement-Abteilungen mit zentraler Auftragsvergabe geregelt werde. Die Bedeutung des persönlichen Kontakts vor Ort dagegen schwinde.

Bündeln Reeder, die zuvor oft Verträge mit verschiedenen Dienstleistern hatten, ihre Aktivitäten, gibt es für die Schlepperindustrie folglich weniger Kunden. Oder aber die Zahl der Schleppaufträge reduziert sich, weil weniger, dafür aber immer größere Schiffe eingesetzt werden. Die großen Linienreedereien würden zunehmend nach nur noch einem Ansprechpartner verlangen, der gleichzeitig Schlepperdienste in verschiedenen Häfen anbieten könne. Dazu seien einzelne Unternehmen oft nicht in der Lage. »Daher müssen auch wir uns anders aufstellen«, sagt Staufeldt.

Deshalb sind auch Schleppreedereien verstärkt neue Kooperationen eingegangen, um mehrere Standorte abdecken zu können. »Die Branche befindet sich in einem massiven Umbruch«, so Staufeldt. Großer Druck werde dabei vor allem vom niederländischen Unternehmen Kotug ausgeübt.

Die Reederei ist noch vor der Linhoff-Gruppe eindeutiger Marktführer in Deutschland. Zuletzt hatte Kotug ein Joint Venture mit der Boskalis-Tochter Smit ini­tiiert. Mit einer Flotte von 60 Schleppern sollen künftig elf Häfen in den Niederlanden, in Deutschland, Großbritannien und Belgien gemeinsam bedient werden.

Die Marktverhältnisse verschieben sich fortlaufend, auch weil Kontrakte auslaufen und neue Verträge geschlossen werden. In den großen Linienhäfen ist die Allianz aus Kotug und Smit der größte Anbieter mit etwa 50% Marktanteil. Svitzer positioniert sich mit mittlerweile etwa 25 bis 30% dahinter und ist in Bremerhaven Kooperationspartner der URAG, die dort wiederum der »Platzhirsch« ist – mit Maersk und MSC als Hauptkunden.

Die in der Vergangenheit traditionellen Arbeitsgemeinschaften in Deutschland haben sich nach Ansicht von Schütt dagegen »überlebt«. In Hamburg sei man deshalb bereits im vergangenen Jahr aus der Kooperation mit Bugsier, Fairplay, Petersen & Alpers und L. Meyer ausgestiegen und agiert seitdem unabhängig als Lütgens & Reimers. In Bremerhaven läuft die ARGE mit Bugsier demnächst aus und wird nicht verlängert. Auch die Beteiligung an der Arge »Küstenschutz«, die Notschlepper auf Nord- und Ostsee betreibt, habe man beendet.

Für Schleppreeder resultiere aus all diesen Veränderungen eine weitere Verschärfung im Preiskampf. In den vergangenen zwölf Jahren seien die Preise um rund 45% gefallen. Es sei ein ständiger Kampf, die Flotten auszulasten, sagt Staufeldt. »Für Einheiten mit 70t Pfahlzug benötigt man heute mindestens zwei Jobs pro Tag, sonst lohnt es sich wirtschaftlich nicht.« Dennoch müsse investiert werden, um ältere Schiffe zu ersetzen und den Bedarf an stärkeren Einheiten zu genügen.

Die Linnhoff-Gruppe hat, neben der Partnerschaft mit Svitzer, mit einer Spezialisierung ihres Angebots und der Flotte reagiert. In der Vergangenheit habe man auf multifunktionale Schlepper mit Voith-Schneider-Antrieben gesetzt, geeignet für verschiedene Einsatzzwecke. Die größeren VSP-Schlepper sollen künftig vor allem bei Seeverschleppungen oder Offshore-Projekten zum Zuge kommen. Für das Hafengeschäft würden jetzt dagegen zunehmend kleinere und vor allem günstigere Einheiten mit Ruderpropellern (Azimuth) bestellt. Ein Pfahlzug bis 70t gilt dabei als eine ausreichende Leistungsklasse.

Ein Beispiel für die angepasste Strategie sind die jüngsten Neubauten »Perfect« und »Brake«. Die 24,5m langen Schlepper vom Typ ASD 2411 (Azimuthing Stern Drive = schwenkbarer Heckantrieb) mit 72t Pfahlzug wurden von der Werftgruppe Damen Shipyards am Standort Song Thu (Da Nang) in Vietnam gebaut. »Perfect« und »Brake« kommen in der Flotte von L&R im Hamburger Hafen zum Einsatz – ebenso wie die bereits im Vorjahr abgelieferte »Prompt«.

Leistungsstark, dabei aber kompakt, leicht, wendig und sparsam im Verbrauch seien solche Schlepper am besten für das Hafengeschäft geeignet.»Wir achten sehr auf effiziente Antriebe. Daher haben wir uns zuletzt für Caterpillar-Motoren mit elektronischer Steuerung und Commonrail-Technologie entschieden.« Diese schnelllaufenden Diesel seien sehr leistungsstark und brächten dennoch zum Teil eine Treibstoffersparnis von bis zu 50% gegenüber vergleichbaren Schleppern.

Im Offshore-Bereich liegt der Fokus dagegen nach wie vor auf den teureren und aufwändigeren Voith-Schneider-Propellern (VSP), die vor allem für Arbeiten mit großen Komponenten einige Vorteile bieten. Rotorschlepper (zwei Ruderpropeller am Vorschiff, einer am Heck) seien für die Gruppe ebenfalls eine interessante Alternative, zwei Einheiten mit je 90t Pfahlzug stehen bei der URAG bereits im Dienst.

Daneben wird in Bremerhaven ein Schlepper mit der sogenannten »EDDY«-Technologie im aktiven Einsatz getestet. Die Bezeichnung steht für »Efficient Double Ended Dynamic«. Dieser diesel-elektrisch betriebene Schlepper hat vorn und achtern Ruderpropeller und laut Schütt eine außerordentliche Manövrierfähigkeit. Zudem verbrauche »Eddy 1« nur halb so viel Kraftstoff wie herkömmliche Hafenschleppertypen. Man müsse ständig neue Wege und Ideen verfolgen. Das gelte für die Flotte ebenso wie für das Management. Aus Sicht von Schütt und Staufeldt ist der Transformationsprozess in der Branche noch längst nicht abgeschlossen. Die beiden Manager sind davon überzeugt, dass die nächsten Jahre nicht leicht werden dürfte für die Branche, weil der Druck durch externe Faktoren nicht nachlassen werde. Staufeldt erwartet sogar, dass »in den nächsten vier bis fünf Jahren keine Schleppreederei ausreichend Geld verdienen wird«.

Erhebliche Einsparungen soll daher ein unternehmenseigenes Kostensenkungsprogramm bringen. Durch die Installa­tion von Verbrauchsmessanlagen und eine optimierte Einsatzplanung habe der Kraftstoff-Flottenverbrauch bereits um 15-25% gesenkt werden können. Weitere Effekte erhofft sich das Management durch die energieeffizienten Neubauten.

Wohin der Weg weiter führe, sei letztlich im Detail nicht absehbar. »Das hängt davon ab, wie sich die Handelsschifffahrt weiterentwickelt«, sagt Schütt. Denkbar sei, dass man sich weitere Partner und Einsatzgebiete außerhalb der angestammten Reviere suchen müsse, ergänzt Staufeldt. »Man muss sich unkonventionell umschauen. Wir sind offen für alle Möglichkeiten.


Krischan Förster, Michael Meyer