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Offshore-Märkte versprechen großes Wachstumspotenzial

Mit Ablauf des Jahres 2010 zeigt sich die deutsche maritime Zulieferindustrie vor dem Hintergrund der aktuellen Marktsituation in einer stabilen Verfassung. Die Schiffbau-Zulieferer konnten trotz der 2008 eingebrochenen Nachfrage aus dem Schiffsneubau und der daher immer noch schwachen Produktionsauslastung der meisten Firmen ihre weltweite Führungsposition halten und sogar weiter ausbauen. Dies gilt sowohl in der Produktion wie auch im Exportgeschäft, das für die deutsche Branche traditionell mit 75 Prozent des Umsatzes eine große Rolle spielt.

Schwäche der Schiffbaumärkte und Folgerungen der Zulieferer

Das Jahr 2010 brachte große Herausforderungen für die Schiffbauzulieferer, von denen[ds_preview] sich viele das erste Mal auf rückläufige Umsätze einstellen mussten. Im Auftragseingang war endlich die ersehnte leichte Belebung der internationalen Bestelltätigkeit zu spüren, wenn auch das Niveau der internationalen Projektanfragen weit entfernt ist von den Boomjahren bis 2008. Somit werden auch 2011 und 2012 noch einmal schwierige Jahre für die meisten deutschen Schiffbau-Zulieferer, für die daher aktuell die Erschließung neuer Marktsegmente im Vordergrund steht. Mit dieser unternehmerischen Maßnahme gilt es, die Marktschwäche im Schiffsneubau zumindest teilweise zu kompensieren. Personal- und Kapazitätsabbau werden vermieden, wo immer möglich, um für das erwartete Wiedererstarken des Schiffbau-Weltmarktes etwa ab 2012 gerüstet zu sein und keine Marktanteile an den (zunehmend asiatischen) Wettbewerb abzugeben. Alle Instrumente zur Krisenüberwindung kommen zum Einsatz: Nur die Unternehmen, die einen langen Atem und größtmögliche Flexibilität entwickeln, gehen gestärkt aus diesen schwierigen Jahren in den nächsten Aufschwung.

Die Voraussetzung hierfür sind offensichtlich gut: Weltweit steht die deutsche Schiffbau-Zulieferindustrie an erster Stelle – nach Umsatz und Export, vor allem aber auch in der Innovationstätigkeit. Diese Spitzenposition, vor Japan, vor China, Korea, Norwegen, Holland und anderen Wettbewerberländern – hat sich die Branche konsequent erarbeitet und diese auch in der aktuellen schwierigen Zeit verteidigen können. Gerade vor dem Hintergrund der leider stark abnehmenden Bedeutung der deutschen Werftindustrie im Weltmarkt und der aktuellen Zurückhaltung der deutschen Reeder als Auftraggeber ist diese Spitzenstellung unseres maritimen Maschinenbaus bemerkenswert.

Günstige Perspektiven für die Offshore-Zulieferer

Für die Offshore-Zulieferer unterscheiden sich die Position und Perspektiven deutlich von denen der Schiffstechnik-Zulieferer: Die Offshore-Märkte sind, weitgehend unbeeindruckt von der Finanzkrist, von einer beständig steigenden Nachfrage geprägt und verlangen nach immer neuen anspruchsvollen Problemlösungen. Die Offshore-Märkte bieten daher eine Vielzahl von Anwendungen und Absatzmöglichkeiten für die deutschen Spezialisten des maritimen Maschinen- und Anlagenbaus, sowohl mit der technisch immer aufwendigeren Öl- und Gas-Förderung, als auch dem jungen Markt der Offshore-Wind- und Meeresenergien und dem Zukunftsfeld des Tiefsee-Bergbaus. Daher wenden sich auch viele Firmen der klassischen Schiffbau-Zulieferbranche aktuell dem eng verwandten, in der Marktbearbeitung aber deutlich abweichenden Offshore-Geschäft zu.

Entwicklung von Branchen-Szenarien im VDMA

Mittel- und langfristige Strategien gewinnen in dieser Phase der Markt-Veränderungen eine hohe Priorität. Den Unternehmen geht es jetzt darum, strategische Ziele durch geeignete Trendbetrachtungen zu erkennen und umzusetzen. Der VDMA entwickelte mit seinen Mitgliedern im Jahr 2010 ein Format, bei dem gemeinsam Szenarien für die Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie über die nächsten zehn Jahre diskutiert und abgeschätzt wurden. Im zweiten Schritt wurden firmenindividuelle Handlungsoptionen ausgearbeitet, die den Unternehmen Anhaltspunkte für die nächsten, von Veränderungen geprägten Jahre geben. Die Ergebnisse wurden anhand exemplarischer Szenarien auf dem Podium der VDMA-Mitgliederversammlung im September vorgestellt und gemeinsam mit prominenten Vertretern der Schifffahrt und der Werftindustrie diskutiert.

Weitere Internationalisierung des Mittelstands als Ziel

Der VDMA als Branchenverband des exportstarken Maschinen- und Anlagenbaus setzt derzeit einen Arbeitsschwerpunkt auf der »Internationalisierung des Mittelstandes«. Dabei steht die Region Asien im besonderen Fokus. Denn rund fünfzig Prozent des Exportzuwachses des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus kam in den letzten Jahren aus dieser Region. China ist längst der TOP-Exportmarkt weltweit und gleichzeitig der Schlüsselmarkt in Asien.

In Asien wächst gleichzeitig eine eigene, leistungsfähige Maschinenbauindustrie heran. Eine aktuelle VDMA-Umfrage ergab, dass die deutschen Unternehmen auch deshalb ihre Aktivitäten bei Vertrieb und Service sowie bei der Produktion weiter ausbauen wollen. Laut dieser Umfrage bleiben die F&E-Kapazitäten aber weitgehend in Deutschland. Größte Behinderungen im Asiengeschäft sind der Mangel an Managementkapazitäten, IPR(Intellectual property rights)-Verletzungen sowie bürokratische Hemmnisse im Zielmarkt.

Für den weiteren Ausbau des Asiengeschäfts braucht der deutsche Maschinen- und Anlagenbau die Unterstützung der Politik. Nur sie kann die Rahmenbedingungen für ein faires Marktumfeld mit den internationalen Wettbewerbern setzen und damit zum Erhalt der industriellen Fertigung in Deutschland beitragen. Deshalb hat der VDMA einige Kernforderungen zu Asien an die Politik formuliert: u.a. die Erleichterung von Visaverfahren, Überprüfung der Exportgenehmigungspolitik vor allem nach China und Indien und konsequente Maßnahmen zum Schutz des geistigen Eigentums der deutschen Wirtschaft vor Produktpiraterie, insbesondere in China.

Schutz des geistigen Eigentums

Der Kampf gegen Produktpiraterie gewinnt eine besondere Bedeutung, wenn man betrachtet, dass ein entscheidender Wettbewerbsvorteil gerade der mittelständischen deutschen maritimen Zulieferindustrie in der Fähigkeit zu kontinuierlicher Innovation und Produktverbesserung liegt. Die bevorstehenden Messeauftritte der Branche in den führenden asiatischen Schiffbauländern China, Korea und Indien im Jahr 2011 werden dies wieder eindrucksvoll belegen. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die internationalen Kontakt- und Servicestellen, die weltweit dafür sorgen, dass die mit deutschem Equipment ausgestatteten Schiffe über ihren gesamten Lebenszyklus durch Service und Ersatzteilversorgung nach wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten optimal betrieben werden können. Der After-Sales-Anteil am Umsatz beträgt bei der deutschen Zulieferindustrie durchschnittlich 20 %, mit weiter wachsender Tendenz.

Wachstumsmarkt Nachrüstungen und Umbauten

Während der Schiffsneubau immer noch Sorgenkind bleibt, liegt ein zunehmend wichtiger Markt im Bereich der Nachrüstungen, ein Potenzial, das für die Zulieferer in enger Kooperation mit der Werftindustrie erschlossen werden kann. Als Beispiel seien nur die erheblichen Umbauleistungen zu nennen, die allein aufgrund der aktuellen Themen Ballastwasserbehandlung und Emissionsreduzierung auf die Weltflotte zukommen. Durch Nachrüstsätze für bestehende Serienschiffe können in Kooperation zwischen Zulieferer und Umbauwerften interessante Pakete für die Eigner angeboten werden und damit die ausgefallenen Neubauaufträge kompensieren. Diese Art des Retrofitting ist im sicherheitsrelevanten Bereich umso wichtiger, wenn man bedenkt, dass 44 % der Schiffe 25 Jahre und älter sind. Auch die gestiegenen Umweltauflagen, Brennstoffpreise und die Notwendigkeit, die Schiffe flexibel auf unterschiedlichen Geschwindigkeitsniveaus wirtschaftlich fahren zu lassen, weisen in diese Richtung. Einige staatlich Fördermaßnahmen, in Deutschland zum Beispiel durch günstige Finanzierungen der KfW, setzen hier bereits an.

Aktivitäten auf den Exportmärkten

Die aktuelle Marktlage verlangt besondere Anstrengungen der Unternehmen auf den Exportmärkten, die Potenzial versprechen. Im vergangenen Jahr zeigte der VDMA verstärkte Aktivitäten gerade auf diesem Feld: Im vergangenen Herbst ging die zweite Delegationsreise nach Brasilien zu Ende – diesmal ganz ausgerichtet an der Markterschließung für deutsche Offshore-Zulieferer. Im Rahmen der lokalen Fachmessen im Jahr 2011 werden sich in Brasilien drei weitere Kooperationsveranstaltungen, die der VDMA fachlich unterstützt, anschließen. Im kommenden Frühjahr wird der VDMA außerdem mit einer Unternehmerreise die führenden Werften im Süden Indiens besuchen – in Verbindung mit der Messe SMM India. Aber auch andere Märkte, z.B. Russland nimmt der VDMA ins Visier und bereitet konkrete Projekte vor, mit denen den überwiegend mittelständischen Firmen bei der Informationsgewinnung und dem Aufbau neuer Kontakte zum Aufbau des Marktes geholfen wird. Im kommenden Herbst stehen auch die beiden wichtigsten Export-Schiffbaumessen in China und Korea auf dem Programm, auf denen wieder über 100 deutsche Zulieferfirmen präsent sein werden. Das sind die Fronten, an denen die deutschen Unternehmen um Aufträge kämpfen, und hier sieht auch der VDMA seinen Platz als ihr Branchenverband.

Wirtschaftspolitische Unterstützung

Trotz oder gerade wegen der aktuellen Marktveränderungen sind die Ziele für die Branche eindeutig formuliert: Im Bereich der Schiffbau-Zulieferungen wollen die Deutschen ihre Führungsposition halten. Bei den Offshore-Zulieferungen muss der – bislang viel zu kleine – Anteil am Weltmarkt mindestens verdoppelt werden. Für beide Vorhaben ist eine wirtschaftspolitische Unterstützung aus Berlin fest zugesagt.

Ganz generell beruht die positive Zukunft der Industrie auf unternehmerischen Richtungsentscheidungen, die zugleich von der Politik verstanden werden müssen, um die notwendigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen bereitstellen zu können.

Ein wichtiges Signal geht von der kommenden 7. Nationalen Maritimen Konferenz in Wilhelmshaven aus, in deren Rahmen der VDMA für die maritime Zulieferindustrie einige Haupt-Leitlinien aufzeigen wird, auf denen sich die Strategien vieler erfolgreicher Unternehmen stützen:

• Systemanbieter mit hoher Technologiekompetenz sind krisenfester.

• Eine globale Aufstellung der Industrie ist wichtig, insbesondere der Aufbau eines weltweiten Vertriebs- und Servicenetzes.

• Die Innovationen entstehen aus dem engen Zusammenspiel zwischen Betreibern/Reedereien und Systemherstellern sowie Werften.

• Eine sichere und starke Marktposition bedingt die Unabhängigkeit von einzelnen Kunden, Regionen oder Schiffstypen.

• Erfolg wird nur durch gut ausgebildetes Fachpersonal geschaffen.

• Die eigene Forschung und Entwicklung des Unternehmens in Bezug auf Produktverbesserungen und Kostensenkung sichert die Zukunft.

Wie schon die letzte Maritime Konferenz in Rostock, so wird auch Wilhelmshaven im Zeichen der schwierigen Situation von Schifffahrt und Schiffbau in Deutschland stehen. Im Kontrast hierzu kann die maritime Zulieferindustrie mit ihrer Innovationskraft, ihrer langfristigen strategischen Ausrichtung und ausgeprägter Anpassungsfähigkeit wieder ihre Rolle als ein Hoffnungsträger der maritimen Wirtschaft für einen schnellen und erfolgreichen Weg zurück auf den Wachstumspfad einnehmen.

Ein besonderes Anliegen verfolgt der VDMA in Hinblick auf die sich immer stärker abzeichnende Fachkräfte-Knappheit: Auch auf der Nationalen Maritimen Konferenz wird der VDMA – wie bei jeder geeigneten Gelegenheit – trotz der schwierigen Situation wieder für Nachwuchs werben. Besonders im Ingenieurbereich wird es in den kommenden Jahren in der Industrie zu eklatanten Engpässen kommen, vor allem in der Forschung, Entwicklung und dem Vertriebbereich. Daher darf keine Situation ausgelassen werden, um junge Menschen für die Beschäftigung mit der Technik und speziell für den maritimen Maschinen- und Anlagenbau zu gewinnen. Der Erfolg dieser vorwärts gerichteten Image- und Werbemaßnahmen ist notwendige Voraussetzung, um auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die führende Position der deutschen Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie zu sichern und auszubauen.

Hauke V. Schlegel, Geschäftsführer, VDMA – Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie


Hauke V. Schlegel