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Über die technischen Einrichtungen des ersten in Deutschland gebauten Windanlagen-Errichterschiffes


1. Einführung

Kurz vor der Ablieferung der »Aeolus« (Abb. 1) am 17. Februar hatte das russische Schiffbauunternehmen Pella[ds_preview] Shipyard aus Otradnoje bei St. Petersburg den Kaufvertrag für die seit rund zwei Jahren ums Überleben kämpfende Sietas Werft unterzeichnet. Die von Sietas als Typ 187 bezeichnete »Aeolus« war 2010 vom niederländischen Wasserbaukonzern Van Oord bestellt worden, der maßgeblich an der Entwicklung und Vollendung dieses anspruchsvollen Schiffes [Katharina Voigt, Hendrik Gröne, Hendrik Vorhölter: Sietas Typ 187 – Entstehung eines innovativen Schiffes für die Offshore-Windindustrie, STG-Vortrag am 22.11.2012 in Hamburg, in: STG-Jahrbuch 2012, Karl-Heinz Hochhaus: »Aeolus«, ein Errichterschiff für Offshore-Windanlagen von der Sietas Werft, in: HANSA 4/2013, Sonderteil Wind & Maritim 2013, S. 8–11.] mitgewirkt hat. Sietas wiederum hat die »Aeolus« geholfen, die schwierige Zeit ohne industrielle Investoren im Hintergrund zu überbrücken. Als Pella Sietas GmbH erhält die älteste deutsche Werft nun eine Überlebenschance. Ihre neuen Eigner haben sich verpflichtet, das Unternehmen mindestens acht Jahre lang als Schiffbaubetrieb weiterzuführen.

2. Spezifische technische Systeme

2.1 Brücke

Auf der kompakten Brücke befinden sich die nautischen und technischen Einrichtungen für den Fahr- und Hubbetrieb. Im vorderen Teil sind die Brückenpulte für den Fahrbetrieb angeordnet (Abb. 2). Im hinteren Teil – mit Blick auf das Arbeitsdeck – befinden sich die Einrichtungen für das dynamische Positionieren, das Aufrichten und den Betrieb als Hubinsel.

2.2 Konventionelle diesel-elektrische Antriebsanlage

Die »Aeolus« verfügt im Gegensatz zu

den meisten Errichterschiffen über eine konventionelle diesel-elektrische Schiffsantriebsanlage mit vier elektrischen Fahrmotoren, die über Getriebe auf zwei Wellen mit Verstellpropellern wirken (Abb. 3). Zwei hinter den Propellern angeordnete Hochleistungsruder und je zwei Bug- und zwei Heckstrahler (Abb. 4 und 5) von Berg Propulsion sorgen für gute Manövrier­eigenschaften und die Fähigkeit zur dynamischen Positio­nierung (DP 2).

Vier mittelschnell laufende MaK-Viertakt-Dieselmotoren treiben in zwei getrennten Kraftwerken Drehstromgeneratoren an (Abb. 6). Diese vier Generatoren erzeugen elektrischen Strom mit einer Spannung von 6.600 V und einer Frequenz von 60 Hz. Er fließt zu der Mittelspannungsschalttafel (Abb. 7) in zwei redun­danten E-Zentralen und wird hier auf die verschiedenen Mittelspannungsverbraucher verteilt. Über Transformatoren wird der Strom in die Spannungsebenen 690 und 440 V gewandelt, um die Dreh- und Wechselstromverbraucher der verschiedenen Systeme, die Hotellast, die Brückenverbraucher und Beleuchtung zu versorgen.

2.3 Schiffshilfsanlagen

Die Schiffshilfsanlagen wurden in [2] kurz beschrieben, hier soll auf die Besonderheiten einiger Schiffshilfssysteme eingegangen werden. Dazu zählen die Seewasser führenden Rohrleitungen, die weitgehend aus GFK bestehen (Abb. 8). Das Kühlwassersystem ist unterteilt in Seewasser- und Frischkühlwassersystem, für beide werden elektrisch angetriebene Kreiselpumpen verwendet. Das Frischkühlwasser dient zur Kühlung der Hauptmaschinen und anderer Hilfsmaschinen. Über Plattenkühler (Abb. 9) gibt das Frischkühlwasser die aufgenommene Wärme an das Seekühlwasser ab.

Die Seewasserversorgung beim Aufjacken und im aufgejackten Zustand ist bei Errichterschiffen eine Besonderheit. Da die Saughöhe von Pumpen theoretisch auf 10m, in der Praxis aufgrund verschiedener Verluste auf rund 7m begrenzt ist, werden von vielen Errichterschiffen spezielle Seewasserrohre mit Tauchpumpen eingesetzt. Die andere Möglichkeit ist die Rückkühlung des Frischkühlwassers mit der Außenluft. Solche Luftkühler werden etwa auf der »Vidar« eingesetzt (s. S. 24ff).

2.4 Seewasserversorgung

In der Abb. 10 ist das Seewasserrohr mit zwei Zahnstangen und der Grobfiltereinrichtung zu sehen. Die Abb. 11 zeigt eines der zwei Zahnräder der Hubvorrichtung, die auf der Aeolus auf der Backbordseite hinter dem Deckshaus angeordnet wurde, um die Seewasserversorgung durch das in der Höhe verfahrbare Rohr beim Betrieb als Hubinsel sicherzustellen.

Beim Blick durch die Filterschlitze in das Saugrohr (im linken Ansaugbereich, Abb. 10) ist eine der drei Tauchpumpen zu erkennen (Abb. 12). Zusätzlich zur Kühlung wird Seewasser für das Feuerlösch- und das Spülsystem benötigt. Sollte diese Seewasserversorgung versagen, steht ein Notsystem zur Redundanz auf der Steuerbordseite im hinteren Bereich des Schiffes zur Verfügung.

2.5 Ballastwasser-Aufbereitung

Auf der »Aeolus« wurde das ursprünglich von Wallenius Water AB entwickelte System zur Ballastwasser-Aufbereitung installiert (Abb. 13). Dieses zweistufige mechanisch-physikalische Verfahren wurde von Alfa Laval übernommen, weiterentwickelt und im Stromverbrauch optimiert. 2006 kam es als eines der ersten kommerziellen Ballastwasser-Aufbereitungssysteme auf den Markt [Karl-Heinz Hochhaus; Christian Mehrkens: Ballastwasseraufbereitung – eine Übersicht, in: Schiff & Hafen 3/2007, Michael vom Baur: Ballast Water Treatment Systems – quo vadis, in: HANSA 3/2013.]. In einem Automatik-Rückspülfilter werden in der ersten Stufe grobe Partikel abgeschieden.

In der zweiten Stufe wird das Ballastwasser mit dem Wallenius AOT-Verfahren (Advanced Oxidation Technology) behandelt. Dabei werden Hydroxyl-Radikale erzeugt, welche die Zellstruktur der Organismen zerstören. Dazu sind UV-Lampen verschiedener Wellenlängespektren (180–350 nm) installiert, die in mehreren photolytischen und photokatalytischen Prozessen reaktive Hydroxyl-Radikale aus dem See- bzw. Ballastwasser erzeugen. Die Halbwertszeit der erzeugten Radikale beträgt einige Nanosekunden, sodass sie beim Verlassen des Reaktors vollständig abgebaut bzw. zerfallen sind. Die Behandlung erfolgt während der Ballastwasseraufnahme und -abgabe.

2.6 Jacking-System

Für den Übergang vom Fahrbetrieb zum Hubinselbetrieb sind vier Hubbeine vorgesehen, die derzeit bei der Lloyd Werft in Bremerhaven installiert werden. Seitens Sietas wurden die dafür notwendigen maschinenbaulichen Anlagen und schiffbaulichen Konstruk­tionen vorgesehen.

Abb. 14 zeigt den Hydraulikraum mit den Hydraulikpumpen, die zur Versorgung der hydraulischen Hubvorrichtungen dienen. Abb. 15 gestattet einen Blick in den hinteren backbordseitigen Schacht für die Aufnahme der Hubbeine. Im unteren Teil ist die runde Führung der Hubbeine sichtbar. Der obere Teil dient zur Aufnahme der hy­draulischen Hubvorrichtung. Diese Tragstruktur zur Führung der Beine und zur Lagerung der Hubzylinder wird auch als Koker bezeichnet.

Pro Bein sind zwei Brillen vorgesehen, die über jeweils sechs Hubzylinder mit der Schiffsstruktur (Koker) gekoppelt sind. Der Hubvorgang erfolgt mithilfe dieser Brillen, die im Wechsel über jeweils drei Absteckbolzen mit dem Bein verriegelt werden (Pin-in-Hole-System) und über die Hydraulikzylinder den Schiffskörper anheben bzw. absenken.

Bei herkömmlichen Hubsystemen dieser Art wird nur eine der beiden Brillen aktiv für den Hubvorgang eingesetzt, während die andere Brille schwimmend gelagert ist und den Schiffskörper während des Umsetzens der aktiven Brille hält, womit der Hubvorgang in einem steten Wechsel von Halten und Heben bzw. Absenken erfolgt. Bei der »Aeolus« kommt ein optimiertes System zum Einsatz, das dagegen eine kontinuierliche Hubbewegung ermöglicht, indem beide Brillen sich aktiv bewegen und für den Lastübergang von der einen Brille auf die andere Brille nunmehr keine Unterbrechung der Hubbewegung erforderlich ist.

Dies ermöglicht eine Reduzierung der dynamischen Lasten während des Hubvorgangs und erlaubt eine etwa doppelte Hubgeschwindigkeit im Vergleich zu Hubsystemen mit einer aktiven Brille. So können die kritischen Phasen innerhalb der Wellenwirkungswechselzone beim Aufstellen und Absenken schneller und damit sicherer durchfahren werden.


Karl-Heinz Hochhaus