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Im Rahmen eines Forschungsprojekts wollen Wissenschaftler und ­Reedereien­ Schiffsemissionen messen. Die Ergebnisse sollen helfen, Strategien für eine nachhaltige Schifffahrt zu entwickeln.
Bereits 2014 hatten Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) und der Jade Hochschule an Bord des[ds_preview] Forschungsflugzeugs »Polar 6« mit Mess-

flügen in der Arktis die Emissionen des kanadischen Forschungseisbrechers »CCGS Amundsen« erfasst. Nun steht eine weitere Messkampagne unmittelbar bevor, diesmal auf einer viel befahrenen Schifffahrtsroute: Ende August wird die Schwestermaschine »Polar 5« mehrere Tage lang dem Containerfeeder »Thetis D« der Reederei Drevin durch die Ostsee folgen und auf den Routen Helsinki–Danzig und Danzig–Kiel Daten sammeln. »In der Arktis haben wir in Reinstluft gemessen«, sagt Professor Ralf Brauner vom Fachbereich Seefahrt der Jade Hochschule. »Jetzt werden wir Vergleichswerte in mittleren Breiten in einem Gebiet bekommen, in dem deutlich mehr Schiffe unterwegs sind. Wir erhoffen uns, dadurch ein gutes Bild zu bekommen, wie sich Emissionen verteilen, um das dann möglichst kategorisieren und Modelle entwickeln zu können.« Sowohl dieses Projekt als auch das des vergangenen Jahres dienen nicht zuletzt als Tests für weitere Messungen mit unterschiedlichen Treibstoff- und Schiffstypen, die in den kommenden Jahren geplant sind. »Die wesentliche Erkenntnis ist zunächst einmal, dass wir überhaupt die Möglichkeit haben, Schiffsemissionen zu erfassen«, erläutert AWI-Klimaforscher Andreas Herber. Funktionieren könne das Ganze nur, wenn Pilot und Kapitän miteinander kommunizierten. Mit einem 13t schweren Flugzeug und 29m Flügelspannweite so nahe wie möglich an ein Schiff heranzufliegen, sei eine anspruchsvolle Aufgabe: »Das muss geübt werden«, so Herber. Bei der bevorstehenden Messung wird es darum gehen, mehr Routine für die Abläufe zu bekommen und unter wechselnder Maschinenlast die Verteilung von Schwefeloxid (SOx), Stickoxid (NOx) und Ruß (Black Carbon) bei Verwendung eines schwefelarmen Treibstoffes zu bestimmen. Da die »Thetis D« praktisch ausschließlich in der Ostsee und damit in einem Emissionskontrollgebiet im Einsatz ist, fährt sie nicht mehr mit Schweröl, sondern mit Marinegasöl. Gemessen wird jeweils vor dem Schiff, um den ohnehin schon in der Luft vorhandenen Schadstoffgehalt festzustellen, und hinter dem Schiff, um dessen individuellen Beitrag von Spurengasen, Feinstaub und Black Carbon zu benennen.

Hintergrund des Forschungsprojekts ist, dass der Verkehr auf den nördlichen Seewegen der Arktis angesichts zurückgehender Eisflächen zunimmt und dieses für das globale Klima sensible Gebiet bisher noch nicht zum Emissionskontrollgebiet erklärt worden ist. »Wir betreiben Grundlagenforschung hinsichtlich der Frage, wie viel Verkehr das Ökosystem Arktis verkraften kann«, sagt Herber. 2016 sollen die Untersuchungen unter anderem auf ein Kreuzfahrtschiff und einen Tanker ausgeweitet werden – dann auch mit einem direkten Vergleich, wie sich der Einsatz eines Scrubbers auf den Schadstoffausstoß auswirkt. »Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahren Informationen zu sammeln und zu ordnen, auf deren Basis sich wirksame Regularien aufstellen lassen und mit denen die Reeder mittel- und langfristig umweltverträgliche Entscheidungen treffen können«, betont der Forscher. Man wolle wissenschaftlich belegt das Gefährdungspotenzial unterschiedlicher Treibstoffe aufzeigen: »Für die Zukunft müssen wir einen Kompromiss zwischen dem Umweltschutz und der Wirtschaftlichkeit des Schiffsverkehrs finden. Das kann nur gelingen, wenn wir gemeinsam mit den Reedern nachhaltige Lösungen entwickeln.« Das sieht Mark Drevin ebenso. »Das Emissionsthema ist für uns Reeder eine heikle Angelegenheit«, meint der Geschäftsführer der Reederei Drevin. Momentan sei vieles im Umbruch – welche Emissionen ein Schiff allerdings tatsächlich verursache, lasse sich letztlich nur anhand eines praxisnahen Projekts wie diesem herausfinden. Drevin: «Darum ist es für uns sehr spannend, uns daran zu beteiligen.«
Anne-Katrin Wehrmann