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Klappt die Umsetzung von Hafenprojekten in anderen Ländern schneller als hier? Warum wird hierzulande in solchen Fällen öfter geklagt? Und wie könnte es schneller gehen? Darüber sprach die HANSA mit Peter Schütte von der Kanzlei BBG und Partner in Bremen

Ob Fahrrinnenanpassung der Elbe und der Weser oder das Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) – aus der Sicht der Unternehmen dauern[ds_preview] diese Verfahren viel zu lange. Hat sich das deutsche Planungsrecht verselbständigt? Peter Schütte: Angesichts der immer schnelleren wirtschaftlichen Entwicklungen ist die Kritik nachvollziehbar. Eine Verselbständigung des Planungsrechtes ist aber nicht die Ursache. Denn das bestehende System gewährleistet, im konzentrierten Verfahren alle Belange gleichermaßen und angemessen zu berücksichtigen. Das ist grundsätzlich gut, denn Häfen dienen dem Gemeinwohl und werden für mehrere Generationen gebaut. Allerdings wird das Planungsrecht inzwischen vom Europa- und Völkerrecht überlagert. Noch bis Anfang des Jahrtausends waren die Auswirkungen gering, die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) war als reines Verfahrensrecht nicht einklagbar und das Verbandsklagerecht umstritten. Die große Wende brachte die Aarhus-Konvention, die 2001 in Kraft trat.

Was hat sich seitdem verändert?
Schütte: Das Übereinkommen hat für mehr Zugang zu Informationen, mit der Öffentlichkeitsbeteiligung zu mehr Transparenz und zur Einklagbarkeit bei Verfahren mit Auswirkungen auf die Umwelt gesorgt. Deutschland hat diese Vorgaben durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz ins nationale Recht umgesetzt. Allerdings war die Umsetzung der Rechtschutzmöglichkeiten unzureichend und wurde vom EuGH gerügt. Zuletzt im April 2017 hat der Bundestag daher das Umwelt-Rechtsbehelfs- und das UVP-Gesetz nochmals geändert, so dass anerkannte Umweltverbände nunmehr umfassend in Umweltangelegenheiten klagen können.

Wie sieht es in anderen Staaten aus?
Schütte: Die Aarhus-Konvention betrifft insbesondere die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Aus rechtlicher Sicht müssten die Verfahrens- und Klagerechte in der EU einheitlich ausgestaltet sein. In der Realität ist das anders, weshalb ganz unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Planung und Umsetzung von Hafen- und Verkehrsprojekten zu beobachten sind. Außerhalb der EU sind die Rahmenbedingungen anders. Die hierzulande heute üblichen Verbandsklagerechte sind keineswegs selbstverständlich: Ein Extrembeispiel sind etwa die Vereinigten Arabischen Emirate, wo es innerhalb der sogenannten Free Zones gar keine Mitwirkungs- oder Klagerechte gibt. Aber auch in Kanada und Australien, die die Aarhus-Konvention nicht unterzeichnet haben, werden Beteiligungsmöglichkeiten zurückgeschraubt.

Warum sind die Umweltverbände denn gerade in Deutschland so stark?
Schütte: Die Anti-AKW-Bewegung in den 1980er Jahren hat den Verbänden viele Unterstützer und damit auch Finanzkraft gebracht. In Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sind Verbände vollwertige Beteiligte und teilweise Gegner sowie auch deutlich stärker aufgestellt als in anderen Staaten. Hinzu kommt, dass Konflikte in Deutschland vergleichsweise selten außergerichtlich geregelt werden: In Rotterdam gab es beim Bau der Maasvlakte II ebenfalls viele Proteste, und die Verbände waren startklar für große Klageverfahren. Die Beteiligten haben dann aber so lange weiterverhandelt, bis eine Einigung erzielt wurde.

Müsste das deutsche Planungsrecht also mehr Mediationsansätze enthalten? Schütte: Das deutsche Planungsrecht enthält bisher nahezu keine kooperativen Ansätze. So ist beispielsweise die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung nach §25Abs. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz nicht obligatorisch. Erörterungstermine können Konflikte lösen, müssen dann aber auch entsprechend gestaltet werden. Wenn man ernsthaft Verfahren entlasten will, müssen Lösungen und am besten Vereinbarungen mit allen getroffen werden, die substantiierte Einwände erheben. Mediationsansätze dürfen zuletzt kein zusätzliches Erfordernis darstellen, um Planungsprozesse in Deutschland nicht noch mehr zu verlängern.

Sind die Planungsverfahren in anderen EU-Ländern wirklich schneller, etwa in Dänemark beim Fehmarnbelttunnel?
Schütte: Dänemark hat ein größeres Interesse an diesem Projekt und geringere Belastungen als Deutschland. Überdies ist die UVP in Dänemark weniger komplex. Die Rechtsmittel in der EU sind zwar grundsätzlich gleich. Was sich aber unterscheidet, ist die Umsetzung des EU-Rechts. Während EU-Richtlinien etwa in Spanien Eins-zu-Eins übernommen werden, werden diese in das deutsche Rechtssystem in oft komplexen Regelungen integriert. Das sorgt bei der Auslegung für viele Unsicherheiten und bildet ein Einfallstor für Rechtsstreitigkeiten. Nach dem Koalitionsvertrag soll sich diese Situation zukünftig ändern – dort wird eine Eins-zu-Eins-Umsetzung angekündigt.

Wie viel Spielraum gibt es in Deutschland unter Berücksichtigung des europäischen Rechts überhaupt noch für die Beschleunigung bei Bauprojekten? Schütte: Laut Koalitionsvertrag will sich die neue Bundesregierung für ein Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz einsetzen. Aufgrund europa- und völkerrechtlicher Vorgaben besteht allerdings nur eingeschränkt Vereinfachungspotenzial. Grundsätzlich ist zwar eine Änderung des europäischen Rechts möglich. Im Rahmen der Qualitätsüberprüfung bestehender EU-Vorschriften (REFIT) durch die Kommission wurde die FFH-Richtlinie allerdings nicht beanstandet. Verbesserungspotenzial liegt vor allem im Wasserrecht. Hafenplanungen sollten einen eigenständigen Abschnitt mit spezifischen Zielen und Verfahrensregeln erhalten. Verwaltungsprozessual ist zudem eine erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte und in besonderen Fällen des Bundesverwaltungsgerichts denkbar. Auch können die Hafenbelange in der landesrechtlichen Raumplanung gestärkt werden.

Immer wieder wird eine stärkere Kooperation der deutschen Seehäfen gefordert. Gibt es hierfür überhaupt rechtliche Ansatzpunkte? Schütte: Hafen-Kooperationen bestehen auf vielen Ebenen. Insbesondere im unternehmerischen Bereich ist es längst selbstverständlich, an mehreren Standorten Dienstleistungen für die Kunden zu erbringen. Im politischen Bereich, bei der strategischen Fortentwicklung der Hafeninfrastruktur, ist es anders. Nach geltendem Recht ist Hafenplanung Ländersache. Der Bund könnte zwar einen Bundesstandortplan auch für (Bundes-)Häfen aufstellen. Bisher ist ein solcher aber nicht existent. Das Bundesverwaltungsgericht hat unter anderem deswegen Hafenkooperationen nicht als zu prüfenden Alternative zu den großen Fahrrinnenanpassungen angesehen. In rechtlicher Hinsicht möglich wäre eine gemeinsame Landesplanung der norddeutschen Küstenländer. Politisch erscheint dies jedoch zumindest gegenwärtig eher nicht durchsetzbar.

Interview: Claudia Behrend