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Passiert an Bord ein Unglück, bei dem Personen zu Schaden kommen, ist fachkundliche

Hilfe gefragt. In solchen Fällen kann sich die Schiffscrew von Medico aus Cuxhaven per Funk beraten lassen. Von Thomas Wägener

Viele Schiffe haben keinen ausgebildeten Arzt an Bord, der bei einem Notfall weiß, was zu tun ist. Medico aus Cuxhaven[ds_preview] bietet daher per Funk ärztliche Unterstützung an, selbst wenn sich der Unfall tausende Kilometer weit entfernt ereignet hat. Rund um die Uhr steht das Team um Chefarzt Manuel G. Burkert als beratender Arzt bereit.

»Der Kapitän war mehrfach verletzt, hatte ein Polytrauma. Ich habe regelmäßig mit dem Schiff telefoniert und einen Notarzt besorgt«, berichtet Burkert von einem Fall im Oman. Eine französische Fregatte hatte schließlich den Notarzt gestellt. Burkert sprach mit den Kollegen im Oman und informierte sie über den Stand der Dinge. Die Hilfe war erfolgreich, denn dank der funkärztlichen Beratung konnte das Leben des Kapitäns gerettet werden.

Zum Glück hat »Medico Cuxhaven« nur selten so schwere Fälle zu bearbeiten. »Wir leisten tatsächlich etwa einmal pro Quartal richtige verifizierte Hilfe, aber das kostet dann auch gleich einen Arbeitstag«, sagt Burkert, der die funkärztliche Beratungsstelle Medico in den Helios-Kliniken leitet. Meistens seien es weniger dramatische Fälle, bei denen er und sein Team um Rat gefragt würden. »Die heutige Mentalität führt dazu, dass die Hemmschwelle deutlich niedriger ist und wir auch wegen Bagatellen kontaktiert werden, berichtet der Leiter der funkärztlichen Beratungsstelle. »2003 hatten wir ca. 250 Fälle, jetzt sind wir bei knapp 1.000 Fällen pro Jahr«, erklärt er. Davon seien 80% hausärztliche Tätigkeiten, aber es gebe auch Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Unfälle.

Diese 1.000 Fälle würden rund 8.000 Kontakte nach sich ziehen, sei es per E-Mail, Telefon oder durch andere Recherchen, die dann erledigt werden müssten, berichtet Burkert. Grund für den Anstieg sei neben der veränderten Mentalität vor allem auch die bessere Erreichbarkeit dank der modernen Technik. Zudem würden sich die Verantwortlichen gegenüber der Versicherung für den Fall absichern, dass beispielsweise ein Frachter wegen eines medizinischen Notfalls vom Kurs abweichen muss.

Im Auftrag der Bundesrepublik

Der medizinische Beratungsdienst Medico wird im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland – zuständig ist das Verkehrsministerium – angeboten und wurde bereits im Jahr 1931 am Klinikum Cuxhaven gegründet. Die offizielle Bezeichnung lautet »Telemedical Maritime Assistance Service«, kurz TMAS – ein Service, der über Telefon, Fax, E-Mail und Seefunk erreicht werden kann. »Als Flaggenstaat ist Deutschland verpflichtet, diesen Service für seine Seeleute anzubieten«, sagt Burkert. Medico sei der alte Funkrufname, der über Funk und Morse verwendet worden sei. Bis heute sei Medico die einzige funkärztliche Beratungsstelle in Deutschland.

Dank E-Mail und Telefon sei es in der heutigen Zeit natürlich viel einfacher den Kontakt herzustellen, digitale Fotos zu verschicken und eine ärztliche Beratung durchzuführen. Der Beratungsdienst sei wichtig, weil auf den meisten Schiffen kein eigener Arzt tätig sei. »Auf den Schiffen ist das so organisiert, dass die nautischen Offiziere und die technischen Offiziere alle eine medizinische Grundausbildung haben, die etwa sechs Wochen dauert. Meistens hat der zweite Offizier auf dem Schiff die medizinische Rolle«, sagt Burkert. Hinzu komme auf jedem Schiff eine definierte medizinische Ausstattung.

Manuel G. Burkert ist Chefarzt in den Helios-Kliniken in Cuxhaven. Nach eigenen Angaben investiert er rund ein Viertel seiner Arbeitszeit in Medico. Insgesamt 15 Kollegen unterstützen ihn bei der funkärztlichen Beratung, wenn es gilt, Seeleuten in Not zu helfen. »Jeder kann bei uns anrufen und wir versuchen, jedem zu helfen«, versichert er.

Obwohl sich die Fälle häufen, hat Burkert Verständnis für die Seeleute. »Wenn die sich nicht sicher sind und nicht mehr weiter wissen, dann sollen sie uns anrufen. Lieber so, als wenn sie einen Fehler machen«, sagt er. Allerdings gibt es zwei Ausnahmen: Es gibt keine Beratung an Land oder an der Pier. »Das kommt immer mal wieder vor und ist ein netter Versuch, sich den Arzt zu sparen.«

Individuell konfigurierte Software

Um den Überblick zu behalten, ist es wichtig, alle Fälle zu dokumentieren, denn Medico muss einen Tätigkeitsbericht an das Bundesverkehrsministerium abliefern. »Wir protokollieren alle Telefongespräche mit Voice und alle E-Mails mit der Software McBüro«, erklärt Burkert. Die nach den Wünschen von Medico konzipierte Software erleichtere vor allem die abschließende Auswertung der Fälle. Früher musste alles handschriftlich erledigt werden. Die Einführung der Software bezeichnet Burkert daher als »großen Schritt« für sich und sein Team.

Es gibt ein Reederei- und ein Schiffsverzeichnis, das über die Jahre entstanden und in McBüro übertragen worden ist. Es sei jedoch manchmal schwierig, weil die Schiffe immer mal wieder den Eigner und damit den Namen wechseln, aber sie seien ja über die IMO-Nummer erkennbar, die sich nie verändert. »Diese Nummern sind bei uns hinterlegt und in der Software gespeichert«, erklärt Burkert. Dadurch weiß Medico, welche medizinische Ausstattung an Bord ist und kann im Notfall darauf zurückgreifen.

Der gebürtige Freiburger Burkert war von 1994 bis 2010 Marinesoldat, hat bei der Bundeswehr studiert und ist selbst zur See gefahren. Seit 2012 ist er in Cuxhaven und war nach eigenen Angaben gleich daran interessiert, bei Medico mitzumachen, denn durch die Bundeswehr kannte er die funkärztliche Beratung und war davon fasziniert. Als Leiter von Medico nimmt er hin und wieder einen schwierigen Fall auch »mit nach Hause«, um von dort aus weiter zu helfen. »Ich habe jederzeit und überall auf der Welt Zugriff auf die Daten«, so Burkert, dessen Wunsch ist, einen Arzt zu haben, der dauerhaft, also 24/7, nur bei Medico im Einsatz ist. Die Chancen dafür stuft er jedoch als gering ein.
Thomas Wägener